Albrecht Dürer: Bildnis der Elsbeth Tucher (1499); Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister (für die Großansicht einfach anklicken) |
Gesicht und Blick
sind nach links gerichtet. Die 26-jährige Elsbeth wendet sich nämlich ihrem Ehemann Nikolaus
Tucher zu, der auf dem verschollenen linken Flügel des Ehepaar-Diptychons zu
sehen war. Vom unteren Bildrand überschnitten, sind nur die Spitze ihres
Daumens, des Mittel- und Ringfingers der rechten Hand sichtbar, die einen Goldring
mit rot-schwarzen Steinen hochhalten. Vermutlich handelt es sich um den
Trauring, der auf den Hochzeitstag verweist. Elsbeth trägt ein grünes Kleid mit
Goldbordüre, darunter ein kostbares weißes Untergewand, dem die Buchstaben „WW“
aufgestickt sind. Das Kleid wird von einer Goldbrosche mit den Buchstaben N und
T gehalten, den Initialen ihres Mannes.
Die Weiß in Weiß
gewebte, mit ovalen Mustern versehene Haube hält ein goldenes Stirnband, das
mit der bunten – bis heute nicht erklärbaren – Buchstabenreihe M H M N S K
verziert ist. Das dünne weiße Tuch der Haube, das weich in die Stirn fällt und
über der Schulter liegt, umfasst das Haar in einem glatten, runden Gebilde.
Eine breite goldene Kordel oder Kette verschwindet an den Schultern unter dem
Ziersaum des reich gefältelten Hemdes. Wie es sich damals für eine verheiratete Frau gehört, ist Elsbeths Haar
von der Festhaube vollends verdeckt. Ihr Gesicht zeichnet sich durch
ausgeprägte Wangenknochen und ein markantes Kinn aus; die roten Lippen sind
geschlossen.
Antlitz und Gewand
wurden von Dürer in sorgfältiger Feinmalerei ausgeführt, der Brokatbehang und
die Landschaft – der Fensterausschnitt zeigt ein bewaldetes Areal vor fernen Bergen und unter einem bewölkten Himmel – „wirken dagegen eher summarisch, sind stärker zeichnerisch
belassen“ (Bonnet/Kopp-Schmidt 2010, S. 86).
Albrecht Dürer: Bildnis des Hans Tucher (1499); Weimar, Kunstsammlungen |
Albrecht Dürer: Bildnis der Felicitas Tucher (1499); Weimar, Kunstsammlungen |
Die Vorhänge auf
diesen vier Bildnissen imitieren, so haben Vergleiche mit erhaltenen Textilien
gezeigt, mit Goldfäden lancierte Stoffe oder Gewebe aus verschiedenartigen Seiden
aus dem nördlichen Italien, wie sie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hergestellt wurden. Da die Kaufmannsfamilie Tucher intensiven Handel mit
Norditalien trieb, dürften die Stoffbehänge auf den Porträts „mit den Wünschen
oder sogar Vorgaben der Auftraggeber zusammenhängen, da das Vorhangmotiv auf
die Lebenspraxis bzw. den Beruf der Patrizierfamilie anspielt“ (Hirschfelder
2012, S. 111). Zu den Tucher-Brüdern und ihren Frauen hatte Albrecht Dürer sicherlich
auch schon vor der Anfertigung dieser Bildnisse Kontakt, und zwar durch
nachbarliche Nähe – wohnten sie doch am Nürnberger Milchmarkt, also unweit von
Dürers Vatershaus in der Burgstraße. Die persönliche Bekanntschaft und Vertrautheit
dürfte die Vergabe dieser Porträtaufträge sicherlich begünstigt haben.
Dürer hat für die repräsentativen Tucher-Porträts auf einen Bildnistypus zurückgriffen, der bereits in den 1480er-Jahren von dem am Mittelrhein tätigen Maler Wolfgang Beurer entwickelt worden war; der Nürnberger Künstler und Beurer waren sich wahrscheinlich persönlich bekannt. Auch auf Porträt des Levinus Memminger von der Hand Michael Wolgemuts, Dürers Lehrmeister von 1486 bis 1490, ist in diesem Zusammenhang zu verweisen. Sowohl der knappe Bildausschnitt wie auch der Fensterausblick und das Brokattuch im Hintergrund könnten von diesen Vorbildern angeregt sein. „Durch die Prägnanz, mit der Dürer die Züge der Dargestellten erfasst, verschiebt sich die Wertigkeit dieses Schemas; die Tucherin wirkt weit präsenter und beherrschender als die Gestalten der älteren Werke. Nicht zuletzt differenziert Dürer auch die Landschaft in einer neuartigen Weise, indem er sie einerseits mit weniger ablenkenden Details versieht und anderseits einen dramatischen Wolkenhimmel einführt, wie er dem stets blauen Äther des 15. Jahrhunderts noch fremd war“ (Kemperdick 2013, S. 98).
Wolfgang Beurer: Porträt eines Mannes (1487); Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza |
Michael Wolgemut: Bildnis Levinus Memminger (um 1485); Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza |
Literaturhinweise
Bonnet, Anne-Marie/Kopp-Schmidt, Gabriele: Die Malerei der deutschen Renaissance. Schirmer/Mosel, München 2010;
Hirschfelder, Dagmar: Dürers frühe Privat- und
Auftragsbildnisse zwischen Tradition und Innovation. In: Daniel Hess/Thomas
Eser, Der frühe Dürer. Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2012,
S. 101-116;
Kemperdick, Stephan: „Nach mir selbst kunterfeit“. Bildnisse und
Selbstbildnisse. In: Jochen Sander (Hrsg.), Dürer. Kunst – Künstler – Kontext.
Städel Museum, Frankfurt am Main 2013, S. 92-100;
(zuletzt bearbeitet am 10. August 2022)
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