Rembrandt van Rijn: Die Opferung Isaaks (1635), St. Petersburg, Eremitage (für die Großansicht einfach anklicken) |
Im Land Morija angekommen, errichtet Abraham auf einem der
Berge einen Altar. Wir sehen links eine Wegesschlucht, die den Abhang hinunterführt – sie verdeutlicht sowohl, welche Entfernung Vater und Sohn zurückgelegt haben, wie auch den beschwerlichen Aufstieg. Dem tiefen Ausblick, der sich links im Bild auf eine bergige Flusslandschaft eröffnet, steht rechts die weitere Erhebung des Berges gegenüber. Wir sehen Walddickicht, durch das warmes Licht bricht. Unterhalb davon befindet sich ein Opferbecken, aus dem Flammen züngeln. Unmittelbar hinter dem Kopf Abrahams treten die Wurzeln einer knorrigen Eiche hervor, deren breiter Stamm von der oberen Bildkante angeschnitten ist – für Nicola Suthor weist dieser Baum sinnbildlich auf die Stammvaterschaft Abrahams voraus (1. Mose 22,16-19).
Abraham schichtet Holz auf den Altar, fesselt den bis auf einen Lendenschurz entkleideten Isaak und legt ihn rücklings auf den Scheiterhaufen, um ihn mit einem orientalischen Krummdolch zu schlachten. Er geht rechts von Isaak in die Knie gegangen, beugt sich über seinen Sohn – und drückt ihm das Gesicht mit seiner Linken nach hinten, um die Kehle des Jungen bloßzulegen, die er im nächsten Moment durchschneiden will. Die Drastik, mit der Abrahams Hand den Kopf Isaaks zurückzwingt, zeigt die Entschlossenheit des Patriarchen, dem göttlichen Willen zu gehorchen und sein einziges Kind zu töten. Die Schutzlosigkeit des auf seinen Gewändern liegenden Knaben wird durch den scharfen Lichtschein, der den entblößten Oberkörper ausleuchtet, und die auf den Rücken gebundenen Hände besonders betont. Aber was könnte das Preisgegebensein Isaaks schmerzhafter veranschaulichen als der Anblick seiner Kehle! Abrahams Hand bedeckt das Gesicht des Sohnes fast vollständig, ja er erstickt ihn fast. Denn der Patriarch möchte seinen Sohn mit diesem Griff auch schützen: Er erspart Isaak so, mit ansehen zu müssen, wie der eigene Vater Hand an ihn legt. Und er verhindert zugleich, dass wir als Betrachter in das angstgepeinigte Antlitz des Kindes blicken können.
Abraham schichtet Holz auf den Altar, fesselt den bis auf einen Lendenschurz entkleideten Isaak und legt ihn rücklings auf den Scheiterhaufen, um ihn mit einem orientalischen Krummdolch zu schlachten. Er geht rechts von Isaak in die Knie gegangen, beugt sich über seinen Sohn – und drückt ihm das Gesicht mit seiner Linken nach hinten, um die Kehle des Jungen bloßzulegen, die er im nächsten Moment durchschneiden will. Die Drastik, mit der Abrahams Hand den Kopf Isaaks zurückzwingt, zeigt die Entschlossenheit des Patriarchen, dem göttlichen Willen zu gehorchen und sein einziges Kind zu töten. Die Schutzlosigkeit des auf seinen Gewändern liegenden Knaben wird durch den scharfen Lichtschein, der den entblößten Oberkörper ausleuchtet, und die auf den Rücken gebundenen Hände besonders betont. Aber was könnte das Preisgegebensein Isaaks schmerzhafter veranschaulichen als der Anblick seiner Kehle! Abrahams Hand bedeckt das Gesicht des Sohnes fast vollständig, ja er erstickt ihn fast. Denn der Patriarch möchte seinen Sohn mit diesem Griff auch schützen: Er erspart Isaak so, mit ansehen zu müssen, wie der eigene Vater Hand an ihn legt. Und er verhindert zugleich, dass wir als Betrachter in das angstgepeinigte Antlitz des Kindes blicken können.
„... und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete“ (1. Mose 22,10; LUT) |
Von
dem plötzlichen Erscheinen des Engels überrascht, wendet Abraham jäh
den Kopf – die in Falten gelegte hohe Stirn des alten Mannes zeigt
an, dass ihm noch völlig unverständlich ist, was hier geschieht.
Fassungslos, je regelrecht verstört blickt Abraham nach oben, das Gesicht von Wellen des schlohweißen, rauschenden Bartes und des schütteren Haupthaares umkränzt. „Das gesträubte Haar trägt gleichsam die innere Erregung nach außen“ (Suthor 2014, S. 135). Die buschigen, nach oben abstehenden Augenbrauen tragen ebenfalls zum Eindruck erschreckten Erstaunens bei, das sich dem bleichen Antlitz insgesamt eingeschrieben hat.
Es sind vor allem die Hände und Blicke dieser zwei Figuren, die uns diese atemberaubende Geschichte erzählen – zusammen mit dem göttlichen Licht, das der rothaarige Engel mit sich führt und das hoffnungslose Dunkel der Szene erleuchtet. Der heranfliegende Engel wirft einen tiefen Schatten auf die Gestalt Abrahams, aber die Körperteile, die für das Geschehen wichtig sind – sein Gesicht und die Hände – liegen voll im Licht. „Die Pelzverbrämung von Abrahams Obergewand, die auf den ersten Blick wie eine Fortsetzung der Wolke des Engels erscheint, unterstreicht den göttlichen Eingriff ins Geschehen: Abrahams Hand scheint von seinem verschattenen Körper abgetrennt“ (Suthor 2014, S. 133). Durch diese Lichtregie, die von der Helldunkel-Malerei Caravaggios inspiriert ist, gewinnt Rembrandts Bild eine besondere dramatische Wucht. Das Antlitz des Engels ist verschattet, das des Sohnes verdeckt, das Gesicht des Greises hingegen vom Licht getroffen – Abraham wird begreifen, so deutet sich hier an, dass er von seiner Prüfung erlöst ist.
Die drei lebengroßen Figuren agieren auf einer recht schmalen, durch das dichte Unterholz hinterfangenen Bühne im Vordergrund; miteinander füllen sie nahezu die gesamte Bildfläche. Der Eindruck großer Nähe wird durch den weiten Landschaftsausblick zusätzlich gesteigert. Abraham verbindet mit seinen weit ausgreifenden Armen die beiden zentralen Handlungsmomente: das bevorstehende Opfer des Sohnes – der Körper Isaaks führt von links unten diagonal hinauf zum Vater – und die göttliche Intervention durch den von links mit wehendem Ärmel herbeifliegenden Engel.
Es sind vor allem die Hände und Blicke dieser zwei Figuren, die uns diese atemberaubende Geschichte erzählen – zusammen mit dem göttlichen Licht, das der rothaarige Engel mit sich führt und das hoffnungslose Dunkel der Szene erleuchtet. Der heranfliegende Engel wirft einen tiefen Schatten auf die Gestalt Abrahams, aber die Körperteile, die für das Geschehen wichtig sind – sein Gesicht und die Hände – liegen voll im Licht. „Die Pelzverbrämung von Abrahams Obergewand, die auf den ersten Blick wie eine Fortsetzung der Wolke des Engels erscheint, unterstreicht den göttlichen Eingriff ins Geschehen: Abrahams Hand scheint von seinem verschattenen Körper abgetrennt“ (Suthor 2014, S. 133). Durch diese Lichtregie, die von der Helldunkel-Malerei Caravaggios inspiriert ist, gewinnt Rembrandts Bild eine besondere dramatische Wucht. Das Antlitz des Engels ist verschattet, das des Sohnes verdeckt, das Gesicht des Greises hingegen vom Licht getroffen – Abraham wird begreifen, so deutet sich hier an, dass er von seiner Prüfung erlöst ist.
„Da rief ihn der Engel des Herrn von Himmel und sprach: Abraham! Abraham!“ (1. Mose 22,11; LUT) |
Unbekanner Schüler Rembrandts: Die Opferung Isaaks (1636); München, Alte Pinakothek (für die Großansicht einfach anklicken) |
Pieter Lastman: Abrahams Opfer (1612); Amsterdam, Rijksmuseum |
Caravaggio: Matthäus mit dem Engel (1602); Rom, San Luigi dei Francesi |
Caravaggio: Die Opferung Isaaks (1597/98); Florenz, Uffizien |
Peter Paul Rubens: Die Opferung Isaaks (1613/14); Kansas City, Nelson-Atkins-Museum |
Rembrandt van Rijn: Gastmahl des Belsazar (1635); London, National Gallery (für die Großansicht einfach anklicken) |
Literaturhinweise
Ausstellungskatalog Rembrandt
– Caravaggio. Rijksmuseum Amsterdam und Van Gogh Museum 24. Februar bis 18.
Juni 2006, Belser Verlag, Stuttgart 2006, S. 97-103;
Brown, Christopher u.a. (Hrsg.): Rembrandt. Der Meister und seine Werkstatt. Gemälde. Schirmer/Mosel, München 1991, S. 181-183;
Dekiert, Marcus: Rembrandt – Die Opferung Isaaks. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München 2004;
Schama, Simon: Rembrandts Augen. Siedler Verlag, Berlin 2000;
Schwartz, Gary: Das Rembrandt-Buch. Leben und Werk eines Genies. Verlag C.H. Beck, München 2006, S. 343-346;
Suthor, Nicola: Rembrandts Rauheit. Eine phänomenologische Untersuchung. Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2014, S. 130-136;
Tümpel, Christian: Rembrandts Ikonographie: Tradition und Erneuerung. In: Gemäldegalerie Staatliche Museen zu Berlin (Hrsg.), Rembrandt – Genie auf der Suche. DuMont Verlag, Köln 2006, S. 105-127;
LUT = Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
(zuletzt bearbeitet am 11. Oktober 2024)
Brown, Christopher u.a. (Hrsg.): Rembrandt. Der Meister und seine Werkstatt. Gemälde. Schirmer/Mosel, München 1991, S. 181-183;
Dekiert, Marcus: Rembrandt – Die Opferung Isaaks. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München 2004;
Schama, Simon: Rembrandts Augen. Siedler Verlag, Berlin 2000;
Schwartz, Gary: Das Rembrandt-Buch. Leben und Werk eines Genies. Verlag C.H. Beck, München 2006, S. 343-346;
Suthor, Nicola: Rembrandts Rauheit. Eine phänomenologische Untersuchung. Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2014, S. 130-136;
Tümpel, Christian: Rembrandts Ikonographie: Tradition und Erneuerung. In: Gemäldegalerie Staatliche Museen zu Berlin (Hrsg.), Rembrandt – Genie auf der Suche. DuMont Verlag, Köln 2006, S. 105-127;
LUT = Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
(zuletzt bearbeitet am 11. Oktober 2024)
Danke, lieber Herr Schnabel! Ihr Blog ist vorzüglich und vorbildlich, das sage ich als Kunstvermittler.
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