Leonardo da Vinci: Mona Lisa (1503-1506); Paris, Louvre (für die Großansicht einfach anklicken) |
Die porträtierte Frau
verdankt ihre Berühmtheit ja vor allem ihrem Lächeln – dazu später mehr. Ein
hauchdünner Schleier bedeckt ihr leicht gelocktes, frei fallendes,
kastanienbraunes Haar; ihr dunkles Gewand weist vor allem unterhalb des Brustausschnitts
zahlreiche, nach geometrischen Mustern entworfene Stickereien und senkrechte
Fältchen auf. Demgegenüber lassen die gröberen Falten der senffarbenen Ärmel
auf einen etwas schwereren Stoff schließen. Die weichen, beinahe wächsern
wirkenden Hände ruhen auf einer hölzernen Lehne, die mehrfach, aber schlicht profiliert
ist und von dünnen Balustern gestützt wird.
Leonardos
weltbekanntes Porträt ist weder signiert noch datiert. Traditionell wird die Mona Lisa als Bildnis der Lisa del Giocondo identifiziert. Der
Universalkünstler hat wahrscheinlich zwischen 1503 und 1506 daran gearbeitet,
das unvollendete Gemälde aber nicht an den Besteller, Francesco del Giocondo,
übergeben, sondern bei sich behalten. Francesco del Giocondo entstammte einer recht
wohlhabenden Florentiner Familie von Seidenhändlern. Er wurde 1460 geboren und
war damit etwa 19 Jahre älter als seine Frau. Vor der Ehe mit Lisa hatte er bereits
im Jahre 1491 und, nach dem Tod der ersten Frau, 1493 ein zweites Mal
geheiratet. Seine Verbindung mit Lisa im April 1495 war in finanzieller
Hinsicht eine eher bescheidene Angelegenheit, denn die Familie seiner Braut
brachte nur eine vergleichsweise niedrige Mitgift auf. Bedenkt man die Bedeutung, die einer
ansehnlichen Mitgift damals in Florenz beigemessen wurde, dann könnte man sogar
vermuten, dass Francesco seine dritte Frau Lisa aus Zuneigung geheiratet hatte
und eben diese Zuneigung ein ausschlaggebender Faktor für die Bestellung des
Porträts war.
Leonardo zeigt Lisa ohne Schmuck, und sie trägt Kleidung
aus zurückhaltend dunklem Stoff. Dennoch deuten die Samtärmel und die
Stickereien des aus Seide gewobenen Oberkleides unübersehbar an, dass es sich
nicht um die Frau eines armen Mannes handelt. Besticktes Tuch zählte damals zu
den kostbarsten Stoffen überhaupt, und „man mag sogar in der Zurschaustellung
kostbarer Stoffe einen Hinweis auf den Beruf von Francesco del Giocondo sehen,
der als Seidenhändler an einer Darstellung teuren Schmucks nicht
sonderlich interessiert gewesen sein konnte“ (Zöllner 1994, S. 56).
Frank Zöllner
vermutet, dass es konkrete Ereignisse in der Familiengeschichte gewesen sein
könnten, die zu diesem Porträtauftrag führten. Am 12. Dezember 1502 nämlich hatte Lisas zweiter
Sohn Andrea ohne folgenschwere Komplikationen das Licht der Welt erblickt.
Diese erfreulich verlaufene Geburt muss für die Familie Giocondo eine nicht zu
unterschätzende Bedeutung gehabt haben. Die Kinder- und Kindbettsterblichkeit
zu jener Zeit war extrem hoch, und dies dürfte Francesco und Lisa del Giocondo
besonders schmerzlich bewusst gewesen sein. Vor seiner Verbindung mit Lisa
hatte Francesco bereits zwei Ehefrauen verloren, und zwar jeweils ungefähr ein
Jahr nach der Heirat. In einem Fall starb die Gattin sogar kurz nach der Geburt
eines Kindes. Diese Todesfälle lassen vermuten, dass die beiden ersten Frauen
Francescos direkt im Kindbett oder in den ersten Wochen nach der Niederkunft gestorben
waren. Francescos dritte Frau Lisa hatte offenbar die Geburt ihres ersten
Sohnes Piero (1496) gut überstanden, doch dann im Jahre 1499 eine Tochter im
Kindbett verloren. „Als daher im Frühjahr 1503, etwa vier Monate nach der
Geburt von Andrea, Mutter und Kind wohlauf waren, durfte Francesco annehmen,
daß beide das freudige Ereignis gut überstehen würden“ (Zöllner 1994, S. 40). Diese Hoffnung war mit großer Wahrscheinlichkeit der Anlass dafür,
bei der Ausstattung eines 1503 erworbenen Hauses auch an ein Porträt der
Ehefrau zu denken. Im Florenz des 15. und 16. Jahrhunderts war die Gründung
eines neuen Haushalts – neben der Hochzeit natürlich – ein wichtiger Anlass,
Einrichtungsgegenstände und Kunstwerke anzuschaffen oder in Auftrag zu geben.
Raffael: Maddalena Doni (1506/07); Florenz, Palazzo Pitti (für die Großansicht einfach anklicken) |
Raffael: Dame mit dem Einhorn (um 1506); Rom, Galleria Borghese |
Raffael: La Gravida (um 1507/08); Florenz, Palazzo Pitti |
Raffael: La Muta (um 1506/07), Urbino, Palazzo Ducale |
Hans Memling: Madonna, Mitteltafel des Portinari-Triptychons (1487); Berlin, Gemäldegalerie |
Ziemlich viele Leute fotografieren die berühmteste Frau der Welt |
Was
hat es nun aber mit diesem Lächeln auf sich, das alle Welt über die Maßen zu
entzücken scheint? Denn wahrlich, Leonardos Gemälde ist im Louvre von morgens
bis abends von einer schier undurchdringlichen Menschentraube umgeben. Frank
Zöllner verweist darauf, dass es sich dabei um einen zeitgenössischen Topos
weiblichen Liebreizes handele (Zöllner 2007, S. 134). In den heiter
und dezent lächelnden Gesichtszügen spiegele sich nach damaliger Auffassung die
Schönheit einer Frau und damit ihre Tugend. Schönheit wird damit zum Ausdruck eines
tugendhaften Charakters.
Im Louvre hing die Mona Lisa ab 1804, damals als Musée Napoléon die Sammelstätte für
die von den napoleonischen Truppen in ganz Europa beschlagnahmten Kulturgüter.
Die französische Eigentümerschaft an der Mona
Lisa stand allerdings nie in Frage. Doch wurde das Gemälde zunächst nur als
Porträt gesehen und repräsentierte damit eine niedere Kunstgattung. Zudem musste es seine Popularität
mit zahlreichen weiteren Werken der Renaissance
teilen. Das änderte sich
erst, als die Literaten auf den Plan traten. Der Spätromantiker Théophile
Gautier (1811–1872) begründete um 1850 quasi aus dem Nichts die neue
„Giocondolatrie“, die „unzählige Liebhaber“ vor das Antlitz der „göttlichen
Mona Lisa“ zog – und ihr
Liebeswerben von dem spöttischen Lächeln „seit 300 Jahren“ abgewiesen fühlten.
Gautier fand bald darauf einen Leser und Nachfolger in dem jungen Engländer Walter Pater (1839–1894), der den Ästhetizismus aus der Taufe hob. Er nannte Leonardos Bildnis den „Ausdruck dessen, wonach die Männer während tausend Jahren sich zu sehnen gelernt hatten“. Sigmund Freud (1856–1939), ein Leser Paters, war ebenfalls so fasziniert von der Mona Lisa, das sie seine Phantasie mächtig beflügelte: In seiner Studie „Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci“ (1910) vermutet er in dem Gemälde eine verdeckte Selbstdarstellung des Meisters.
Zu breitester Popularität gelangte die Mona Lisa aber erst ein Jahr nach Freuds Veröffentlichung, und zwar durch ihren Verlust: Am 21. August 1911 nahm der 29-jährige Italiener Vincenzo Peruggia die Mona Lisa von der Wand, wo sie dicht an dicht zwischen zwei anderen Gemälden gehangen hatte. Erst am nächsten Tag fiel das Fehlen des Gemäldes auf. Dann aber brach in der Öffentlichkeit ein Sturm der Entrüstung los. Wochenlang beherrschte der Diebstahl die Schlagzeilen. Der Louvre blieb eine volle Woche lang geschlossen, sein Direktor wurde gefeuert – das Museum unterstand damals wie heute der französischen Regierung. Die „Mona Lisa“ wurde in dieser Hoch-Zeit des Nationalismus als unverzichtbarer Teil des französischen Kulturerbes betrachtet. In diesem Denkschema war auch der Dieb befangen, ein in Paris beschäftigter Anstreicher. Er habe, wie er nach seiner Festnahme erklärte, das Gemälde nach Italien „heimbringen“ wollen. Erst zwei Jahre nach dem unaufgeklärt gebliebenen Diebstahl hatte er es einem Florentiner Kunsthändler angeboten, der zum Schein darauf einging und so die Festnahme Peruggias ermöglichte. In der italienischen Öffentlichkeit wurde jedoch verlangt, das Gemälde in Italien zu belassen. Die Zusicherung der italienischen Regierung, das Werk an den zweifelsfreien Eigentümer, den französischen Staat, zurückzugeben, führte beinahe zur politischen Krise. Immerhin wurde das Bild zunächst in Italien auf Tournee geschickt, ehe es, eskortiert wie ein Staatsgast, nach Paris zurückkehrte und ab 1914 wieder im Louvre hing. Das damalige Presseecho war international und verankerte die Mona Lisa als Kunst-Ikone im visuellen Gedächtnis des 20. Jahrhunderts.
Leonardo da Vinci,
1452 als uneheliches Kind geboren, doch von seinem Vater adoptiert, wuchs in
Florenz auf und erhielt eine Ausbildung bei Andrea del Verrocchio (1435–1488), einem der
führenden Künstler der damaligen Metropole. Die Mona Lisa malte Leonardo als reifer Mann, nachdem er nach langjährigem Dienst am Hof
der Mailänder Fürstenfamilie Sforza im April 1500 nach Florenz zurückgekehrt war. Ohne
feste Anstellung, beschäftigte er sich in dieser Zeit mit wechselnden
Auftragsarbeiten. Die Mona Lisa zählt
zu jenen drei Gemälden, die Leonardo 1517 auf dem Weg zu seinem letzten und
großzügigsten Auftraggeber mit sich führte, zu Franz I., dem zwei Jahre zuvor
gekrönten französischen König. Die beiden anderen Werke waren ein Johannes der Täufer sowie eine Anna selbdritt, also die Darstellung
Mariens mit ihrer Mutter Anna und dem Jesuskind. So erklärt sich, warum alle
drei Bilder heute im Louvre aufbewahrt werden: Franz I. erwarb sie nach Leonardos
Tod von dessen als Erben eingesetzten Lieblingsschüler Salai.
Leonrado da Vinci: Johannes der Täufer (um 1513-1516); Paris Louvre (für die Großansicht einfach anklicken) |
Leonrado da Vinci: Anna selbdritt (m 151-1513); Paris, Louvre (für die Großansicht einfach anklicken) |
Gautier fand bald darauf einen Leser und Nachfolger in dem jungen Engländer Walter Pater (1839–1894), der den Ästhetizismus aus der Taufe hob. Er nannte Leonardos Bildnis den „Ausdruck dessen, wonach die Männer während tausend Jahren sich zu sehnen gelernt hatten“. Sigmund Freud (1856–1939), ein Leser Paters, war ebenfalls so fasziniert von der Mona Lisa, das sie seine Phantasie mächtig beflügelte: In seiner Studie „Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci“ (1910) vermutet er in dem Gemälde eine verdeckte Selbstdarstellung des Meisters.
Zu breitester Popularität gelangte die Mona Lisa aber erst ein Jahr nach Freuds Veröffentlichung, und zwar durch ihren Verlust: Am 21. August 1911 nahm der 29-jährige Italiener Vincenzo Peruggia die Mona Lisa von der Wand, wo sie dicht an dicht zwischen zwei anderen Gemälden gehangen hatte. Erst am nächsten Tag fiel das Fehlen des Gemäldes auf. Dann aber brach in der Öffentlichkeit ein Sturm der Entrüstung los. Wochenlang beherrschte der Diebstahl die Schlagzeilen. Der Louvre blieb eine volle Woche lang geschlossen, sein Direktor wurde gefeuert – das Museum unterstand damals wie heute der französischen Regierung. Die „Mona Lisa“ wurde in dieser Hoch-Zeit des Nationalismus als unverzichtbarer Teil des französischen Kulturerbes betrachtet. In diesem Denkschema war auch der Dieb befangen, ein in Paris beschäftigter Anstreicher. Er habe, wie er nach seiner Festnahme erklärte, das Gemälde nach Italien „heimbringen“ wollen. Erst zwei Jahre nach dem unaufgeklärt gebliebenen Diebstahl hatte er es einem Florentiner Kunsthändler angeboten, der zum Schein darauf einging und so die Festnahme Peruggias ermöglichte. In der italienischen Öffentlichkeit wurde jedoch verlangt, das Gemälde in Italien zu belassen. Die Zusicherung der italienischen Regierung, das Werk an den zweifelsfreien Eigentümer, den französischen Staat, zurückzugeben, führte beinahe zur politischen Krise. Immerhin wurde das Bild zunächst in Italien auf Tournee geschickt, ehe es, eskortiert wie ein Staatsgast, nach Paris zurückkehrte und ab 1914 wieder im Louvre hing. Das damalige Presseecho war international und verankerte die Mona Lisa als Kunst-Ikone im visuellen Gedächtnis des 20. Jahrhunderts.
Literaturhinweise
Arasse, Daniel: Meine Begegnungen mit leonrado, raffael & co. DuMOnt Literatur und Kunst Verlag, Köln 2006, S. 19-26;
Greenstein, Jack M.: Leonardo, Mona Lisa and La Giaconda. Reviewing the Evidence. In: artibus et historiae 50 (2004), S. 17-38;
Kress, Susanne: Memlings Triptychon des Benedetto Portinariund Leonardos Mona Lisa. Zur Entwicklung des weiblichen Dreiviertelporträts im Florentiner Quattrocento. In: Christiane Kruse/Felix Thürlemann (Hrsg.), Porträt – Landschaft – Interieur. Jan van Eycks Rolin-Madonna im ästhetischen Kontext. Gunter Narr Verlag, Tübingen 1999, S. 219-235;
Perrig, Alexander: Leonardo: die Anatomie der Erde. In: Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle 25 (1980), S. 51-80;
Probst, Veit: Zur Entstehungsgeschichte der Mona Lisa. Leonardo da Vinci trifft Niccolo Machiavelli und Agostino Vespucci. Regionalkultur Verlag, Heidelberg 2008;
Kress, Susanne: Memlings Triptychon des Benedetto Portinariund Leonardos Mona Lisa. Zur Entwicklung des weiblichen Dreiviertelporträts im Florentiner Quattrocento. In: Christiane Kruse/Felix Thürlemann (Hrsg.), Porträt – Landschaft – Interieur. Jan van Eycks Rolin-Madonna im ästhetischen Kontext. Gunter Narr Verlag, Tübingen 1999, S. 219-235;
Perrig, Alexander: Leonardo: die Anatomie der Erde. In: Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle 25 (1980), S. 51-80;
Probst, Veit: Zur Entstehungsgeschichte der Mona Lisa. Leonardo da Vinci trifft Niccolo Machiavelli und Agostino Vespucci. Regionalkultur Verlag, Heidelberg 2008;
Smith, Webster: Observations in the Mona Lisa Landscape. In: The Art Bulletin 67 (1985), S. 183-199;
Zapperi, Roberto: Abschied von Mona Lisa. Das berühmteste Gemälde der Welt wird enträtselt. Verlag C.H. Beck, München 2010;
Zapperi, Roberto: Abschied von Mona Lisa. Das berühmteste Gemälde der Welt wird enträtselt. Verlag C.H. Beck, München 2010;
Zöllner, Frank: Leonardo
da Vinci. Mona Lisa. Das Porträt der Lisa del Giocondo. Legende und Geschichte.
S. Fischer Verlag, Frankfurt 1994;
Zöllner, Frank: Leonardo da Vinci 1452–1519. Gemälde, Zeichnungen und Skizzen. Taschen
Verlag, Köln 2007.
(zuletzt bearbeitet am 15. Oktober 2024)
(zuletzt bearbeitet am 15. Oktober 2024)