Hans Holbein: Heinrich VIII: (1536/37); Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza (für die Großansicht einfach anklicken) |
Der deutsche Maler Hans Holbein
(1498–1638) war 1532
zum zweiten Mal nach England aufgebrochen, wo er sein Ziel, Hofmaler Heinrichs
VIII. zu werden, spätestens 1536 erreichte. Als sein wohl wichtigster Auftrag gilt
das Wandgemälde des Königs und seines Vaters, Heinrich VII., zusammen mit ihren
Ehefrauen, Elisabeth von York und Jane Seymour (1537 entstanden). Ganzfigurig
waren die vier Personen in einem kostbar ausgestatteten
Renaissance-Architekturambiente zu Seiten eines Steinpodests mit umfangreicher
Inschrift wiedergegeben. Das monumentale Gruppenporträt wurde allerdings 1698
durch einen Brand im Whitehall Palace völlig zerstört; es existiert jedoch eine
Kopie aus dem 17. Jahrhundert, die eine genaue Vorstellung des verlorenen
Originals vermittelt. Ein Entwurf Holbeins, der zur Ausführung des Wandbildes
diente und sich erhalten hat, stimmt in Körperhaltung, Kleidung und
Physiognomie sehr weitgehend mit einem kleinformatigen Porträt Heinrichs VIII. überein,
das sich heute im Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid befindet.
Kopie des 1698 zerstörten Holbein-Wandbildes in Whitehall Palace (1667 angefertigt); Hampton Court Palace, The Royal Collection |
Holbeins Bildnis, das den König als nah
an den Vordergrund gerückte Halbfigur zeigt, ist mit großer feinmalerischer Präzision
ausgeführt. Oberkörper und Kopf sind leicht nach rechts gewandt, der Blick
jedoch richtet sich direkt nach vorne auf den Betrachter. Wir sehen eine
gedrungene Gestalt mit breiten Schultern vor uns – ein Eindruck, den der ausladende
Schnitt der ärmellosen Schaube mit ihrem breiten Pelzbesatz noch verstärkt. Der
Oberkörper wird von den seitlichen Bildrändern angeschnitten, ebenso an der
unteren Bildkante der angewinkelte rechte Arm und die ringgeschmückten Hände,
„die durch die Körperdrehung aus der Mittelachse nach rechts verschoben sind“
(Bonnet/Kopp-Schmidt 2010, S. 378). In seiner Rechten hält Heinrich einen
einzelnen Handschuh. Holbein „schafft mit der bildparallelen Führung des Armes
und der »Reihung« der Hände einen festen Riegel, der die Figur zum Außenraum
hin hermetisch abgrenzt“ (Buck 1997, S. 84).
Während der Oberkörper wie ein massiver
Sockel wirkt, ragt der Kopf, der auf einem kurzen, feisten Hals sitzt, frei vor
dem einfarbig mit leuchtendem Blau bemalten Hintergrund auf. Das
juwelenbesetzte schwarze Barett, über dessen Rand sich eine weiße, flaumige
Straußenfeder biegt, stößt an die obere Bildgrenze. Der flache Hut wirkt auf
dem massigen Kopf mit seiner bulligen Kinnpartie und dem Stiernacken geradezu
zierlich, setzt aber mit seiner schwungvollen Schräge „in dem strengen
Achsensystem von Horizontalen und Vertikalen einen belebenden Akzent“ (Buck
1997, S. 85). Der König, erkennbar von beträchtlicher leiblicher Fülle, scheint
den engen Bildraum des sehr kleinen Formats (28 x 20 cm) fast zu sprengen und
demonstriert „körperliche Dominanz“ (Buck 1997, S. 93).
Der glatt gespannte, silberfarbene
Stoff des langärmeligen Obergewandes hat trotz der zahlreichen Schlitze, die
das gebauschte Hemd sichtbar werden lassen, eine geradezu metallische Anmutung.
Das Wams ist in der Taille straff gegürtet und mit goldgefassten Rubinen
besetzt; vertikal verlaufende Bordüren zeigen ein in sich verschlungenes
florales Ornament. Der goldbestickte, enge Kragen des weißen Hemdes ist
faltenlos um den Hals des Königs nach oben geführt und schließt exakt mit dem
Haaransatz ab. „So wird der Kopf korsettartig gestützt“ (Buck 1997, S. 86) und die Konzentration des Betrachters
ganz auf das Gesicht gelenkt. Heinrich trägt eine prunkvolle modische
Renaissancetracht und keinesweg Königsornat. Neben dem Braun des Pelzes und dem
dunklen Rot der Rubine weist die aus Gold- und Silberstoffen bestehende
Kleidung keine weiteren Farben auf. Um den Hals liegt eine lange, schmale Kette,
deren Glieder in regelmäßigen Abständen durch Heinrichs Initiale unterbrochen
werden. Zwei der Rubine schließen das an dieser Kette angebrachte Medaillon ein.
Körperliche Dominanz auf engstem Raum |
Pose und Ausdruck Heinrichs VIII. haben
vermuten lassen, „es könne sich um eines jener Bildnisse gehandelt haben, die
als Geschenke an die europäischen Höfe geschickt wurden, als Beweis
dynastischer oder vertraglicher Verbundenheit“ (Bonnet/Kopp-Schmidt 2010, S.
378). Da sich diverse Porträts zeitgenössischer Herrscher im Besitz des
englischen Hofes befanden (darunter mehrere Bildnisse des französischen Königs
Franz I.), ist anzunehmen, dass es entsprechende Gegenstücke, also Bilder
Heinrichs, auch in anderen Fürstenhäusern gab. Die exquisite Ausführung
verweist auf den hohen Anspruch und die gehobene Stellung von Auftraggeber und Empfänger.
Das gilt ebenso für das kostbare Ultramarin, das Holbein für den Hintergrund verwendet hat. Stephanie Buck vertritt ganz explizit die Ansicht, Holbeins Bildnis sei für Franz I. bestimmt gewesen. In dessen Sammlungen hätte es sich bestens eingefügt, denn das französische Renaissanceporträt tendierte im Allgemeinen zum Kleinformat. Jean Clouet (1480–1541) hatte zudem in seinem Porträt des Königs Franz I. den Typus vorgegeben: knapper Brustausschnitt, klare Konturen, auffällige Flächigkeit und ausschließliche Konzentration auf den bildfüllenden Herrscher.
Denkbar ist aber auch, dass wir hier eines der Brautbewerbungsbilder des Königs
vor uns haben, der zeit seines Lebens immer wieder auf der Suche nach einer
neuen Ehefrau war. Auf jeden Fall hat Holbein mit diesem Porträt die Norm festgelegt
für alle späteren Darstellungen des Königs und damit dessen öffentliche
Erscheinung maßgeblich mitgeprägt.
Jean Clouet: Franz I. (um 1530); Paris, Louvre |
Literaturhinweise
Bätschmann, Oskar/Griener, Pascal: Hans Holbein. DuMont Buchverlag, Köln 1997, S. 189;
Beyer, Andreas: Das Porträt in der Malerei. Hirmer Verlag, München 2002, S. 132;
Beyer, Andreas: Das Porträt in der Malerei. Hirmer Verlag, München 2002, S. 132;
Bonnet, Anne-Marie/Kopp-Schmidt, Gabriele: Die Malerei der deutschen Renaissance.
Schirmer/Mosel, München 2010;
Buck, Stephanie: Holbein am Hofe Heinrichs VIII. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1997, S.
82-102.(zuletzt bearbeitet am 1. Juli 2020)
out of topic
AntwortenLöschenwollte nur mal danke sagen für deine kunstbesprechungen. ich lese die über meinen reader jedesmal mit gewinn und genuss.