Samstag, 22. Februar 2025

An ihren Hüten sollst du sie erkennen – die „Thronende Madonna mit den vier lateinischen Kirchenvätern“ von Moretto da Brescia

Moretto da Brescia: Thronende Madonna mit den vier lateinischen
Kirchenvätern (um 1540/50); Frankfurt, Städel Museum
(für die Großansicht einfach anklicken)

Bei den vier lateinischen Kirchenvätern handelt es sich um bedeutende Theologen aus frühchristlicher Zeit, deren Werke vom Papst oder von einem Konzil als für die katholische Kirche verbindliche Lehre anerkannt wurden: Es sind dies Ambrosius (340–397), Hieronymus (340–420), Augustinus (354–430) und Gregor der Große (540–604). In der christlichen Kunst werden sie häufig in einer Vierergruppe dargestellt, so etwa auf dem Gemälde Thronende Madonna mit den vier lateinischen Kirchenvätern von Moretto da Brescia (1498–1554) im Frankfurter Städel. Doch wer ist wer auf dieser riesenhaften Leinwand (290,4 x 195,8 cm)? Wie lassen sich die lateinischen Kirchenväter voneinander unterscheiden? Denn der Maler hat die Figuren nicht mit Inschriften oder Namensschildern ausgestattet.

In der christlichen Kunst sind die Darstellungen von Heiligen schon früh mit Attributen versehen worden, um sie identifizierbar zu machen. (Auch die vier lateinischen Kirchenväter gelten als Heilige.) Bei einem Attribut handelt es sich um einen Gegenstand (manchmal sind es auch mehrere), der eine wichtige Rolle im Leben des Heiligen gespielt hat und deswegen eindeutig zu ihm gehört. Oft handelt es sich um das Marterwerkzeug, mit dem der Heilige gefoltert bzw. ermordet wurde. Doch solche eindeutigen Attribute scheinen auf Morettos Gemälde zu fehlen. Alle vier halten ein Buch in ihren Händen, dadurch lassen sie sich also nicht bestimmen. Was dem Betrachter aber zur Hilfe kommt, sind die Kopfbedeckungen und Roben der Männer.

Von Gregor dem Großen wissen wir, dass er von 590 an bis zu seinem Tod 604 Papst gewesen ist. Entsprechend hat Moretto ihn mit einer weißen, von drei goldfarbenen, edelsteinverzierten Kronreifen umschlossenen Tiara abgebildet. Diese hohe, kegelförmige Krone trug der Papst früher bei feierlichen nichtliturgischen Anlässen. Seit 1315 war die Tiara mit drei Kronreifen geschmückt und am hinteren Ende mit zwei Bändern ausgestattet, und seit dem 16. Jahrhundert hatte sie auf der Spitze einen Knauf mit Kreuz. Sie symbolisierte die dreifache Gewalt des Papstes: „Vater der Fürsten und der Könige, Lenker des Erdkreises und Stellvertreter Christi auf Erden“. Zuletzt wurde Papst Paul VI. (1963–1978) damit gekrönt.

Bei dem links vorne sitzenden bartlosen Kirchenvater, der ein geöffnetes Buch in den behandschuhten Händen hält, haben wir also Gregor den Großen vor uns. Er trägt über Hemd und roter Soutane ein weißes, gefältetes Chorhemd, darüber einen Chormantel aus Goldbrokat. Die breiten Säume sind mit Vierpässen besetzt, in denen u.a. der Verkündigungsengel, einzelne Heilige und stilisierte Flammen zu erkennen sind.

Diese beiden Herren machen es uns relativ einfach

Der graubärtige Kirchenvater, der neben Gregor dem Großen sitzt und mit seiner Rechten auf das geöffnete Buch deutet, trägt einen flachen scharlachroten Hut mit breiter Krempe. Man nennt diesen Hut Galero, und er ist den vom Papst ernannten Kardinälen vorbehalten. Der Galero ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass wir hier den Kirchenvater Hieronymus sehen. Dank seiner umfassenden Bildung genoss Hieronymus das besondere Vertrauen von Papst Damasus I., in dessen Auftrag er ab 382 die lateinische Übersetzung der Bibel schuf, die Vulgata. Sie ist seine herausragende literarische Leistung; die Vulgata war über viele Jahrhunderte die maßgebliche Bibelübersetzung der katholischen Kirche. Wegen seiner Tätigkeit für den Papst wurde Hieronymus fast durchweg als Kardinal abgebildet, obwohl er diesen Rang tatsächlich nie bekleidete. Die scharlachrote Amtstracht kennzeichnet ihn oft selbst in jenen Darstellungen, auf denen er als Eremit in der Wüste gezeigt wird.

Hieronymus trägt über einem weißen Hemd und einer roten Soutane das wiederum weiße Chorhemd, darüber aber die scharlachrote Kardinalsrobe mit einer hermelingefütterten Cappa magna. Auch Hieronymus ist mit weißen Handschuhen versehen, aber im Gegensatz zu Gregor dem Großen sind keine Ringe an den Fingern zu erkennen.

Die beiden Kirchenväter, die Maria links und rechts wie Thronwächter flankieren, halten Krummstäbe in ihren Händen, die sie dem Betrachter wie Hellebarden präsentieren. Ihre Kopfbedeckungen, eine Mitra, weisen sie als Bischöfe aus – sie ist deren Insignie und Teil ihrer Amtstracht. Wie die Tiara ist die Mitra an ihrer besonderen Form erkennbar: einer jeweils spitz zulaufenden Stirn- und Nackenseite. Die Mitra der beiden Bischöfe auf Morettos Gemälde besteht aus weißem Stoff und ist mit goldfarbenen Borten sowie goldgefassten Edelsteinen verziert.

Wir wissen nun, dass sowohl Ambrosius wie auch Augustinus Bischöfe waren, der eine von Mailand, der andere vom afrikanischen Hippo. Aber wie nun die beiden zuverlässig unterscheiden? Beide sind in ihrer in Farbe und Muster übereinstimmenden Tracht als Bischöfe wiedergegeben: Über einem weißen Hemd tragen sie eine schwarze Soutane, ein weißes, gefältetes Chorhemd sowie einen vorn von einer Schließe zusammengehaltenen Chormantel aus bordeauxfarbenem Samt. Die breiten Säume des Chormantels sind mit goldgestickten Heiligenfiguren unter Baldachinen verziert; das Futter ist flaschengrün. Hellbraune, ebenfalls mit Edelsteinen besetzte Handschuhe und mehrere Ringe vervollständigen die Ausstattung. Spiegelbildlich halten sie in der einen Hand ein ledergebundenes, mit Schließen versehenes Buch, in der anderen ihren Bischofsstab mit silbernem Schaft und goldfarbener Krümme. Der Kirchenvater links trägt zusätzlich ein weißes, mit roten Kreuzen besticktes Pallium über seiner Albe.

Je älter, desto grauer

Und nun? Hier kommen wir tatsächlich ohne weitere Vorkenntnisse nicht weiter. Wer weiß, dass Ambrosius der ältere von beiden ist, dem hilft Moretto weiter, denn der Künstler hat Ambrosius graubärtig, Augustinus hingegen mit einem braunen Vollbart ausgestattet. Aber um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, hat Moretto Ambrosius doch noch ein leicht zu übersehendes persönliches Attribut in die rechte Hand gedrückt: eine Geißel. Sie steht für seinen energischen Kampf gegen die Lehre der Arianer. Damit wären alle vier Kirchenväter auf dem Frankfurter Bild eindeutig identifiziert.

 

Glossar

Der Arianismus war eine frühe christliche Lehre aus dem 4. Jahrhundert, benannt nach dem Priester Arius. Nach arianischer Lehre ist Jesus Christus nicht wesensgleich mit Gott, aber dessen erstes und edelstes Geschöpf und ihm am ähnlichsten.

Die Albe ist ein aus der antiken Tunika hervorgegangenes, knöchellanges Gewand aus weißem oder heute auch naturfarbenem Leinen. Traditionell wird es von katholischen Priestern als liturgisches Untergewand unter dem Messgewand getragen.

Mit dem Begriff Chorhemd ist ein weißes Leinengewand mit weiten Ärmeln gemeint. Es wird in der nicht-eucharistischen Liturgie der römisch-katholischen und der anglikanischen Kirche vom Priester über der Soutane, in der Heiligen Messe von den Ministranten, Kommunionhelfern über dem Talar getragen.

Bei einem Chormantel handelt sich um einen halbkreisförmigen, ärmellosen Mantel oder mantelähnlichen Umhang mit einem einfachen Verschluss über der Brust.

Als Cappa magna bezeichnet man den Umhang von katholischen Kardinälen und Bischöfen mit rückwärtiger großer Schleppe. Der Kragen aus Hermelinfell, der in den Wintermonaten zur Cappa magna getragen werden konnte, ist seit 1984 verboten.

Das Pallium ist ein ringförmiges, etwa 5 bis 15 cm breites Band, eine Art Stola, das über dem Messgewand getragen wird.

Die Soutane ist ein mit engen Ärmeln versehenes knöchellanges und tailliertes Obergewand, das von katholischen, koptischen oder anglikanischen Geistlichen getragen wird. In den meisten Fällen ist sie aus schwarzem Stoff, in den wärmeren Ländern kommt auch weißer Stoff zum Einsatz.

Ein Talar ist ein weitärmeliges, knöchellanges Obergewand, das von Professoren, Absolventen, Geistlichen und Juristen getragen wird.

 

Literaturhinweis

Sander, Jochen: Italienische Gemälde im Städel 1300–1550. Oberitalien, die Marken und Rom. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2004, S. 352-361.


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