Donnerstag, 24. Juli 2014

Rembrandt – Drei Selbstbildnisse



I. 1635, Wien Liechtenstein-Galerie

Gesticktes Tuch um meine Schultern, steile
Federn, Agraffen am Barett und Ketten
die Brust hinab – wie sollt’ ich’s nicht! Ich teile
euch die Bewundrung zu, die eure fetten

Mäuler mir schulden. Ist’s zu eurem Heile
denn nicht, daß kräftig (wie in euren Betten
die Kinder fremder Kavaliere) Zeile
für Zeile Rembrandts Rühmung, in Sonetten

und Arien gesungen, lebt! Ihr sollt,
unsicher lächelnd vor Entschuldigungen,
die Rechnung mir begleichen. Gold ist Gold

und ziemt euch nicht. Spart an den Huldigungen
und zahlt. Hier mal ich mich (doch nicht für euch)
und prüf der Welt Gewicht und bin ihm gleich.



II. 1648, Radierung

Kein Engel trat zu mir und sagte: Schreib! –
Ich bin es selbst. Ich messe dieser Jahre
brandiges Rund, den wüst zerschundnen Leib
der Völker und die Erde, ihre Bahre,

an meinem eignen Menschenbild: ich fahre
zur Stirn auf mit den Händen, presse, reib’
die Schläfe, weil der Haß mir in die Haare
tagtäglich springt, den Hut vom Kopf, stößt – treib’

die Ernte meiner Zeit (Gestalten, Zahlen,
Angstschrei und Rüstung, Lachen) in die leere
stäubende Scheuer ein und schreib’s im fahlen

Licht eines späten Tages auf. Es wäre
mein Bildnis dies, wer wollt das einmal sagen!
Unmaß der Zeit – in mir hab ichs ertragen.



III. 1668, Köln Wallraf-Richartz-Museum

Ihr braucht nicht zu erschrecken. Meiner Tage
endlos verwandelte Gestalt ist hier
in eines aschenleichten Abends Frage
versunken, eingeschlossen, wie Papier

fortknisternd. Und das Gold, das ich noch trage
an dieser Schulter, ach – als ein Geschwür
hängt’s faul daran. Ich trags, im Aderschlage
ist Blut nicht mehr, es auszutreiben, Gier

und Unrast. Doch wo will ich hin mit den Augen
wie diesen eingekniffnen, mit dem schlechter
von Jahr zu Jahr gewordenen Mund? Euch taugen

die letzten Bilder nicht. Sucht euch Betrug!
Laßt dies nur noch, daß endlich mein Gelächter
euch heulen machte, – dieses nur! Genug.

Johannes Bobrowski


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