Peter Paul Rubens: Das Pelzchen (um 1638); Wien, Kunsthistorisches Museum |
Es gehört zu den Glanzstücken des
Kunsthistorischen Museums in Wien: Peter Paul Rubens’ ganzfiguriges, nahezu
lebensgroßes Porträt seiner zweiten Ehefrau Hélène Fourment, vom Künstler
selbst Het Pelsken genannt („Das
Pelzchen“, um 1638 entstanden). Der bereits 55-jährige flämische Maler hatte
die Sechzehnjährige im Dezember 1630 geheiratet; seine erste Frau Isabella war
1626 mit 36 Jahren ein Opfer der Pest geworden. Hélène schenkte vier Kindern
das Leben: 1632, 1633, 1635 und 1637; das fünfte kam erst nach Rubens’ Tod 1640
zur Welt.
Eine junge Frau steht uns in leichter
Schrittstellung und nach rechts gewandt gegenüber, in einer Haltung zwischen
Schreiten und Innehalten, den Blick auf den Betrachter gerichtet. Ihr
schulterlanges gelocktes Haar wird von einem weißen Band geziert; an den Ohren
trägt sie Anhänger, an denen rechts eine leuchtend weiße Perle aufblitzt. Sie
ist nackt, doch hat sie sich einen Pelzmantel um den Körper geschlungen, den
sie mit graziler Geste festhält; unter dem mit einer breiten Goldstickerei gesäumten
Pelz ist noch ein zarter weißer, durchsichtiger Stoff zu erkennen.
Mit ihren bloßen Füßen steht das Mädchen auf
einem roten Teppich, der den Blick des Betrachters nach rechts und aus dem Bild
heraus führt. Der Bildraum, in dem es sich befindet, ist nicht eindeutig
bezeichnet. Er ist dunkel getönt und vermischt sich stellenweise übergangslos
mit dem satten Braun des Pelzmantels. An zwei Stellen ist er jedoch aufgehellt:
hinter dem Mantelärmel am linken Bildrand und oberhalb des Teppichs.
Schemenhaft zeichnen sich die Konturen eines Brunnenbeckens ab, das mit einer
Löwenmaske geschmückt ist. Aus seinem Maul fließt ein Wasserstrahl, der nur
durch wenige Lichtreflexe angedeutet wird. Direkt darunter liegt ein rotes, mit
Quasten verziertes und von den Bildrändern überschnittenes Samtkissen auf dem
Teppich.
Der Brunnen könnte darauf verweisen, dass Rubens
seine junge Frau in einem Rollenporträt dargestellt hat: nämlich entweder als
Susanna im Bade (eine Geschichte aus den apokryphen Schriften des Alten
Testaments; Daniel 13,1-64) oder als die von König David begehrte Bathseba (2.
Samuel 11). „Insbesondere der rote Teppich und das Kissen verstärken diesen
Eindruck, die im biblischen Bildthema eine Herrscherikonographie implizieren“
(Ecker/Pataki 2007, S. 113). Allerdings zeigt Hélène weder die Unbekümmertheit
einer Bathseba, die sich beim Baden unbeobachtet glaubt, noch lässt sich das
Erschrecken der Susanna erkennen, die ihre heimlichen Beobachter entdeckt.
Hélène hat den linken Arm um ihren Bauch gelegt
und hält mit ihrer Hand den Ärmel des schweren Pelzmantels – wobei
durchaus unklar bleibt, ob sie ihre Blöße bedecken will oder im Begriff ist,
ihren „Sichtschutz“ loszulassen. Auch die Finger ihrer rechten Hand, die
scheinbar den über der linken Schulter liegenden Mantelkragen fassen, könnten
ihn ebenso gut im nächsten Moment ganz von sich schieben. Das Ergebnis ist ein
verheißungsvoller Schwebezustand.
Kapitolinische Venus; Rom, Musei Capitolini |
Diese Verheißung wird noch durch die Haltung der
Arme gesteigert: Während Frauengestalten wie die Kapitolinische Venus (siehe meinen Post „Aphrodite – knidisch und kapitolinisch“) oder die apokryphe Susanna überrascht oder schamhaft aus dem
Bade steigen, macht Hélène keineswegs den Versuch, mit Hilfe ihrer Arme und
Hände die Brüste oder ihre Scham zu bedecken. Ganz im Gegenteil: Durch den unter den Busen gelegten rechten Arm
werden die Brüste angehoben und dem Betrachter regelrecht kokett-lustvoll
präsentiert. Seit der Frühen Neuzeit dienten Darstellungen der sich
unbeobachtet wähnenden Susanna und Bathseba nicht mehr nur der moralischen
Unterweisung – sie boten vor allem die Möglichkeit, dem Betrachter im Mantel
einer biblischen oder mythologischen Erzählung einen nackten weiblichen Körper
zu zeigen. Rubens’ Ehefrau dagegen präsentiert sich „ihrem Voyeur“ in vollem
Bewusstsein ihrer körperlichen Reize und Verführungskraft. Dabei verrät Hélènes
aus dem Bild gerichteter Blick, dass sie ihren Betrachter sehr wohl wahrnimmt –
sie sieht ihn ebenso offen wie lockend an.
Peter Paul Rubens: Das Urteil des Paris (1636); London, National Gallery |
In dem späten Gemälde Das Urteil des Paris (1636; London, National Gallery) trägt die Göttin Juno einen ähnlichen Pelzmantel wie Hélène in Het Pelsken: Verheißungsvoll lässt sie ihn herabgleiten, um sich wie Venus und Minerva vor Paris zu entblößen – er soll entscheiden, wer die Schönste von ihnen ist. Auch die Bathseba in der Dresdner Gemäldegalerie (um 1635) stellt der Maler mit einem solchen Mantel – hier um die Hüften geschlungen – beim Baden dar. Diese Werke belegen, „daß Rubens um das erotische Potential der partiellen Verhüllung eines nackten Frauenkörpers mit einem Pelz wußte und bewußt in seinen Bildern einsetzte“ (Ecker/Pataki 2007, S. 117).
Peter Paul Rubens: Bathseba (um 1635); Dresden, Gemäldegalerie Alter Meister |
Die erotische Komponente in Het Pelsken ist unübersehbar und beschränkt sich nicht nur auf den
reizvollen Kontrast von dunklem Fell und weicher, heller Haut. Denn dass gerade
ein Pelz die Scham der Frau verdeckt, kann man auch als pikante Anspielung
verstehen: „Mit dem Titel Het Pelsken verweist
Rubens nicht nur auf eine ,kleine Frau im Pelz‘, sondern macht gleichsam das
,kleine Pelzchen‘ der Frau als den erotischen Mittelpunkt des Gemäldes zum
intimen Bildthema“ (Ecker/Pataki 2007, S. 119). Dabei erinnern besonders die
überdeutlich ausgestellten Brüste an bereits erlebte erotische Freuden bzw.
laden zu neuerlichen ein. Die beiden Arme Hélènes sind also nicht um den Körper
geführt, um ihn notdürftig zu bedecken, es handelt sich vielmehr um eine Geste
„des zärtlichen Werbens, der suggestiven Vorwegnahme einer liebenden Umarmung“
(Feghelm 2005, S. 91).
Rubens hatte seiner Frau das freizügige Porträt
testamentarisch vermacht, um es nach seinem Tod bewust nicht in die Erbmasse
eingehen zu lassen. Dadurch ist der private Charakter des Gemäldes belegt,
ebenso wie durch den vom Künstler selbst gewählten intimen Bildtitel. Es trägt
den Stempel von tatsächlich gelebter Sexualität. Hélènes verführerisches Spiel
des Ver- und Enthüllens ist an keine mythologische oder biblische Figur
adressiert – es gilt niemand anderem als dem Betrachter des
Bildes, ihrem eigenen Ehemann. Rubens selbst gehört also unbedingt mit zum
Bild, er ist das Gegenüber in diesem erotischen Dialog, und Hélène kokettiert
völlig legitim mit ihm. Es spricht viel dafür, dass der Maler-Gatte schon bald an
die Stelle des Kleidungsstückes treten wird, der sich um den Leib der jungen,
begehrenswerten Frau schmiegt ... Wir heutigen Betrachter sind nicht gemeint – Het Pelsken war nie für den öffentlichen
Blick gedacht.
Die Katholikin Hélène Fourment wiederum dürfte das Bild als „pictorial embodiment of the marital union“ (Thøfner 2004, S. 17) mit ihrem Ehemann gesehen haben; in späteren Jahren diente es ihr vielleicht „as a memento of the pleasures of their marriage“ (Thøfner 2004, S. 15). In diesem Zusammenhang sind denn auch Hélènes errötete Wangen und ihre deutlich aufgerichteten Brustwarzen zu sehen: „Such delicate pictorial hints of female arousal suggest that the woman in Het Pelsken is indeed showing the bashful signs of wifely sexual willingness“ (Thøfner 2004, S. 19).
Kristin Lohse Belkin hat darauf hingewiesen, dass es sich bei dem um Hélènes Stirn und über den Kopf gespannten weißen Tuch um ein bandon handelt: Es sollte der Faltenbildung vorbeugen und war deswegen manchmal mit einer Creme versehen. Man trug es aber nicht nur nachts, sondern auch in Zeiten der Krankheit und im Wochenbett. „The inclusion of Helena’s bandon should be seen as part of the frank portrayal of her body, with all its imperfections“ (Lohse Belkin 2006, S. 305). Unter diesem Aspekt stellt sie Rubens’ Bildnis Rembrandts berühmte Sitzende nackte Frau von 1631 an die Seite, an deren Körper deutlich die Spuren des getragenen Korsetts und ihrer Strumpfbänder zu erkennen sind. „Helena’s opulent flesh, the cupping of her rounded stomach and full breasts signify her several pregnancies, including possibly a very recent one. In this context, the head-dress with the bandon conveys perfectly the intimacy between husband and wife“ (Lohse Belkin 2006, S. 308/309). Auch für Margit Thøfner verweisen die vollen Brüste der jungen Frau nicht nur auf sexuelle Freuden, sondern ebenso auf ihre mehrfache Mutterschaft: „Helena may have seen the breasts in Het Pelsken as celebrating her own fertility“ (Thøfner 2004, S. 22).
Die Katholikin Hélène Fourment wiederum dürfte das Bild als „pictorial embodiment of the marital union“ (Thøfner 2004, S. 17) mit ihrem Ehemann gesehen haben; in späteren Jahren diente es ihr vielleicht „as a memento of the pleasures of their marriage“ (Thøfner 2004, S. 15). In diesem Zusammenhang sind denn auch Hélènes errötete Wangen und ihre deutlich aufgerichteten Brustwarzen zu sehen: „Such delicate pictorial hints of female arousal suggest that the woman in Het Pelsken is indeed showing the bashful signs of wifely sexual willingness“ (Thøfner 2004, S. 19).
Kristin Lohse Belkin hat darauf hingewiesen, dass es sich bei dem um Hélènes Stirn und über den Kopf gespannten weißen Tuch um ein bandon handelt: Es sollte der Faltenbildung vorbeugen und war deswegen manchmal mit einer Creme versehen. Man trug es aber nicht nur nachts, sondern auch in Zeiten der Krankheit und im Wochenbett. „The inclusion of Helena’s bandon should be seen as part of the frank portrayal of her body, with all its imperfections“ (Lohse Belkin 2006, S. 305). Unter diesem Aspekt stellt sie Rubens’ Bildnis Rembrandts berühmte Sitzende nackte Frau von 1631 an die Seite, an deren Körper deutlich die Spuren des getragenen Korsetts und ihrer Strumpfbänder zu erkennen sind. „Helena’s opulent flesh, the cupping of her rounded stomach and full breasts signify her several pregnancies, including possibly a very recent one. In this context, the head-dress with the bandon conveys perfectly the intimacy between husband and wife“ (Lohse Belkin 2006, S. 308/309). Auch für Margit Thøfner verweisen die vollen Brüste der jungen Frau nicht nur auf sexuelle Freuden, sondern ebenso auf ihre mehrfache Mutterschaft: „Helena may have seen the breasts in Het Pelsken as celebrating her own fertility“ (Thøfner 2004, S. 22).
Rembrandt: Sitzende nackte Frau (1631); Radierung |
Tizian: Mädchen im Pelz (1535); Wien, Kunsthistorisches Museum |
Als Anregung für Het Pelsken könnte Tizians Mädchen
im Pelz (1535) gedient haben, das Rubens in der Sammlung Karls I. in
England gesehen und auch kopiert hatte. Tizians Gemälde ist heute ebenfalls im
Kunsthistorischen Museum Wien ausgestellt. „Rubens transformed this idealized renaissance nude into a body of flesh and blood (...), with folds of skin under the arms and on the belly, cushions of fat around the knees and breasts that yield easily to the touch“ (De Clippel 2010, S. 142).
Rubens hat seine zweite Frau übrigens mit Vorliebe
als Modell für die unterschiedlichsten Frauengestalten in seinen Gemälden
eingesetzt: Hélène erscheint etwa als siegreiche Venus in dem bereits genannten
Urteil des Paris, als eine der drei
Grazien, als widerspenstige Beute eines Satyrs oder als Hagar in der Wüste. 1644, vier Jahre nach dem Tod ihres ersten Mannes, heiratete Hélène erneut: Sie wurde die Frau von Jan Baptist de Broechoven, einem angesehenen Antwerpener Patrizier – und gebar in dieser Ehe weitere sechs Kinder. Hélène starb 1673 in Brüssel im Alter von 59 Jahren.
Peter Paul Rubens: Die drei Grazien (1635); Madrid, Museo del Prado |
Literaturhinweise
De Clippel, Karolien: Naked or not? Some thoughts on nudity and portraiture in seventeenth-century-painting. In: Katlijne
van der Stighelen u.a. (Hrsg.), Pokerfaced. Flemish and Dutch Baroque
Faces Unveiled. Brepols Publishers, Turnhout 2010, S.141-161;
Ecker, Diana/Pataki, Zita Ágota: Phantasie im Pelz – Bemerkungen zu Rubens’ Het Pelsken. In: Eveliina Juntunen/Zita Ágota Pataki (Hrsg.), Rubens im Blick. Ausgewählte Werke unter Re-vision. ibidem-Verlag, Stuttgart 2007, S. 109-136;
Ecker, Diana/Pataki, Zita Ágota: Phantasie im Pelz – Bemerkungen zu Rubens’ Het Pelsken. In: Eveliina Juntunen/Zita Ágota Pataki (Hrsg.), Rubens im Blick. Ausgewählte Werke unter Re-vision. ibidem-Verlag, Stuttgart 2007, S. 109-136;
Feghelm, Dagmar: »... Helenen in jedem Weibe«. In: Dagmar Feghelm/Markus Kersting,
Rubens – Bilder der Liebe. Prestel Verlag, München 2005, S. 69-91;
Held, Julius
S.: Het Pelsken. In: Julius S. Held, Rubens-Studien. E.A. Seemann Verlag,
Leizig 1987, S. 64-72;
Lohse Belkin,
Kristin: ‘La belle Hélène’ and Her Beauty Aids: A New Look at ‘Het Pelsken’.
In: Katlijne Van der Stighelen (Hrsg.), Munuscula Amicorum. Contributions on
Rubens and His Colleagues in Honour of Hans Vlieghe. Band I. Brepols
Publishers, Turnhout 2006, S. 299-310;
Mai, Ekkehard/Vlieghe, Hans (Hrsg.): Von Bruegel bis Rubens. Das goldene Jahrhundert der flämischen Malerei. Verlag Locher, Köln 1992, S. 408-409;Poeschel, Sabine: Starke Männer, schöne Frauen.
Die Geschichte des Aktes. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014,
S. 101;
Schug, Albert: »Helenen in jedem Weibe« – Helene Fourment und ein besonderer Porträttypus im Spätwerk von Peter Paul Rubens. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 46/47 (1985/86), S. 119-164;
Thøfner, Margit: Helena Fourment’s Het Pelsken. In: Art History 27 (2004), S. 1-34;
Schug, Albert: »Helenen in jedem Weibe« – Helene Fourment und ein besonderer Porträttypus im Spätwerk von Peter Paul Rubens. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 46/47 (1985/86), S. 119-164;
Thøfner, Margit: Helena Fourment’s Het Pelsken. In: Art History 27 (2004), S. 1-34;
von Simson, Otto: Peter
Paul Rubens (1577–1640). Humanist, Maler und Diplomat. Verlag Philipp von
Zabern, Mainz 1996, S. 347-348.
(zuletzt bearbeitet am 18. Juli 2024)
(zuletzt bearbeitet am 18. Juli 2024)
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