Rembrandt van Rijn: Josef und Potiphars Weib (1634); Radierung (für die Großansicht einfach anklicken) |
Die Gemahlin des ägyptischen
Würdenträgers Potiphar bedrängt dessen jungen und tüchtigen Verwalter Josef
immer wieder mit ihren erotischen Avancen (1. Mose 39, 1-21). Doch Josef ist
nicht nur seinem irdischen Herrn gegenüber loyal, er hält sich auch Gott
gegenüber an das Gebot, keinen Ehebruch zu begehen. Eines Tages schließlich
packt Potiphars Frau ihn an seinem Gewand, um ihn in ihr Bett zu ziehen – Josef
jedoch flieht und lässt das Kleidungsstück in ihren Händen zurück. Das ist die
Szene, die uns Rembrandt (1606–1669) in seiner Radierung von 1634 präsentiert. Später wird
Potiphars Frau den Rock benutzen, um Josef der versuchten Vergewaltigung zu
beschuldigen – der deswegen im Gefängnis landet.
Die nur 9 x 11,5 cm große Grafik zeigt
zwei erbitterte Kämpfer. Potiphars Frau liegt, schlangenhaft gewunden, auf ihrer zerwühlten Bettstatt und
versucht Josef mit der linken Hand auf ihr Lager zu zerren. Dabei entblößt sie ihren fülligen Unterleib – ob das Nachthemd in ihrem Furor nach oben rutscht oder sie sich Josef bewusst lasziv darbietet, sei dahingestellt. Um sich dem Griff ihrer Hände zu entziehen, stemmt sich der Bedrängte mit dem Gewicht seines ganzen Körpers in die entgegengesetzte Richtung. Es ist wie ein Tauziehen – zwischen der
Tugendhaftigkeit Josefs und der zudringlichen sexuellen Begierde seiner Herrin.
Rembrandt teilt die Darstellung deutlich in eine dunkle Seite des Ehebruchs und
eine helle der Standhaftigkeit. Für manche Kunsthistoriker findet allerdings auch
in Josefs Innerem ein Kampf statt: „Sein Mund ist seltsam schlaff, die Augen
dunkel und zusammengekniffen, als zeige sich in ihnen die Spannung zwischen
Erregung und Abscheu. Soll er oder soll er nicht?“ (Schama 2000, S. 398). Josefs
Gesichtsausdruck, sein Zurückweichen und Sich-Abwenden angesichts der
Handgreiflichkeit seiner Herrin könnten aber ebenso die Abscheu verdeutlichen,
die ihn in dieser Situation erfüllt. Jedenfalls berührt er die Frau des
Potiphar an keiner Stelle ihres Körpers. Rembrandt hat Josef vor einer Tür platziert, vielleicht um anzudeuten, dass ihm die Flucht gelingen wird.
Rembrandt: Das französische Bett (1646); Radierung (für die Großansicht einfach anklicken) |
Nach Rembrandts Tod wurde seine Grafik von seinen Kritikern oft als Paradebeispiel dafür angeführt, dass er
von Aktdarstellungen nichts verstehe: Er ziehe das Rohe und Naturhafte der
reizvollen Gestalt, also dem klassischen Schönheitsideal vor.
Lovis Corinth: Potiphars Weib (1914); Krefeld, Kaiser Wilhelm Museum |
Mit der gleichen Drastik wie sein
bewundertes Vorbild Rembrandt hat Lovis Corinth (1858-1925) 1914 die alttestamentliche
Geschichte ins Bild gesetzt, wobei er die Fleischeslust der nun gänzlich
nackten Frau und den Schrecken Josefs nochmals zu steigern verstand.
Literaturhinweise
Bevers, Holm u.a. (Hrsg.): Rembrandt – Der Meister und seine Werkstatt. Zeichnungen und Radierungen. Schirmer/Mosel, München 1991, S. 188;
Hammer-Tugendhat, Daniela: Das Sichtbare und das Unsichtbare. Zur holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2009, S. 102-105;
Kreutzer, Maria: Rembrandt und die Bibel. Radierungen, Zeichnungen, Kommentare. Philipp Reclam jun. Stuttgart 2003, S. 52;
Müller, Jürgen: Sex mit dem Sünder. Überlegungen zu Rembrandts Darstellung von Sexualität am Beispiel ausgewählter Radierungen. In: Jürgen Müller/Jan-David Mentzel (Hrsg.), Rembrandt. Von der Macht und Ohnmacht des Leibes. 100 Radierungen. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2017, S. 21-35;
Schama, Simon: Rembrandts Augen. Siedler Verlag,
Berlin 2000, S. 398-399.Hammer-Tugendhat, Daniela: Das Sichtbare und das Unsichtbare. Zur holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2009, S. 102-105;
Kreutzer, Maria: Rembrandt und die Bibel. Radierungen, Zeichnungen, Kommentare. Philipp Reclam jun. Stuttgart 2003, S. 52;
Müller, Jürgen: Sex mit dem Sünder. Überlegungen zu Rembrandts Darstellung von Sexualität am Beispiel ausgewählter Radierungen. In: Jürgen Müller/Jan-David Mentzel (Hrsg.), Rembrandt. Von der Macht und Ohnmacht des Leibes. 100 Radierungen. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2017, S. 21-35;
(zuletzt bearbeitet am 4. Januar 2023)
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