Gustave Courbet: Jo, die schöne Irin (1866); Stockholm, Nationalmuseum (für die Großansicht einfach anklicken) |
James McNeill Whistler: Symphony in White, No. 1: The White Girl (1862); Washington, D.C., National Gallery of Art |
James McNeill Whistler: Symphony in White, No. 2: The Little White Girl (1864); London, National Gallery |
Gustave Courbet: Le Sommeil (1866); Paris, Petit Palais (für die Großansicht einfach anklicken) |
Courbet zeigt Joanna im Dreiviertelporträt von links: Sie sitzt an einem Frisiertisch und streicht mit ihrer rechten Hand locker durch eine Strähne ihres geöffneten, weit über die Schultern fließenden kastanienroten Haares. Joanna wird ohne Schmuck gezeigt und trägt ein schlichtes schwarzes Kleid sowie eine weiße, oberhalb des Busens von einem eingesetzten Spitzenband durchbrochene Bluse. In ihrer auf dem Tisch aufgestützten Linken hält sie einen ovalen, schwarz gefassten Handspiegel. In ihm betrachtet sie aus blaugrünen Augen mit melancholisch abwesendem Blick, der durch eine über die linke Baue fallenden Locke leicht verschattet wird, ihr Gesicht. Oder ist es der prüfende, skeptische Blick einer Frau, die sich ihrer Schönheit bewusst, aber doch auch von Selbstzweifeln nicht frei ist?
Courbet rückt seinem selbstvergessenen Modell beinahe aufdringlich nah. Von drei Seiten des Rahmenes angeschnitten, füllt es die gesamte Malfläche bis auf ein wenig olivdunklen Grund. Joannas Haar ist überall im Bild: Flechten liegen nicht nur in ihrer rechten Hand, sondern schauen auch unter der linken hervor; die langen gelockten Wellen reichen links und rechts bis fast an den Bildrand. Die Haarfülle wirkt wild, fast ungebändigt; das Gesicht scheint in ihr nur eingebettet.William Holman Hunt: Awakening Conscience (1853); London, Tate |
Dante Gabriel Rossetti (1866/68, überarbeitet 1872/73); Wilmington, Delaware Art Museum |
Die feingliedrige Frau mit aufgelöstem schulterlangem Haar war im 19. Jahrhundert besonders bei den Präraffaeliten ein beliebtes, häufig auch ambivalentes Motiv. Während sie auf dem Gemälde Awakening Conscience (1853) von William Holman Hunt (1827–1910) als gefallene, aber reuige „femme fragile“ an Maria Magdalena erinnert, zeigt Dante Gabriel Rossetti (1828–1882) in Lady Lilith seine Gefährtin Fanny Cornforth als eine kalte „femme fatale“, deren schönes Haar die Macht besitzt, die Herzen der Männer in ein tödliches Netz zu verstricken.
Courbet scheint überaus zufrieden gewesen zu sein mit seinem Porträt von Joanna, denn er fertigte drei weitere nahezu identische Wiederholungen gleichen Formats an, die koloristisch und maltechnisch nur minimal vom Original abweichen. Von diesen vier Fassungen gilt die Stockholmer Version als das Urbild; sie ist ebenso wie die Ausführung im New Yorker Metropolitan Museum mit „66“ datiert. Die beiden anderen Bilder befinden sich in Kansas City und in einer Schweizer Privatsammlung.
Literaturhinweise
Albrecht, Juerg: Gustave Courbet, Portrait de Jo, la belle Irlandaise. In: Beat Wismer (Hrsg.), El Greco bis Mondrian. Bilder aus einer Schweizer Privatsammlung. Wienand Verlag, Köln 1996, S. 62-67.
Herding, Klaus/Hollein, Max (Hrsg.): Courbet. Ein Traum von der Moderne. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2010, S. 266.
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