Karl Friedrich Schinkel: Neue Wache (Entwurf 1816, Ausführung 1817/18); Berlin, Unter den Linden (für die Großansicht einfach anklicken) |
Die Neue Wache in Berlin war Karl Friedrich Schinkels (1781–1841) erstes Bauwerk in Berlin und begründete seine Karriere als preußischer Staatsarchitekt. Schinkel war zu diesem Zeitpunkt zwar bereits sechs Jahre Baubeamter in königlichen Diensten, aber während der napoleonischen Kriege (1803–1815) kam die Bautätigkeit fast vollständig zum Erliegen. König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) hätte 1815 am liebsten ein großes Freiheits- und Nationaldenkmal in Auftrag geggeben, begnügte sich aber mit einem kleinen, weniger teuren Bauvorhaben: einer neuen Königswache Unter den Linden. Sie sollte ein Monument werden, aber auch praktisch nutzbar sein für die königliche Garde – mit einem Saal für die Mannschaft, Räumen für die Offiziere und für die Ausrüstung und einer Arrestzelle. Mit dem Neubau beauftragte der König Anfang 1816 den damals 34-jährigen Schinkel.
Schinkel entwarf einen gedrungenen Kubis auf quadratischem Grundriss mit wehrhaften Eckrisaliten, vor den er einen griechischen Portikus in strenger dorischer Ordnung stellte. Die Front und auch die Gliederungen der Rückfront sollten in Sandstein ausgeführt werden. Besonders massiv wirkt das Bauwerk dadurch, dass Schinkel die Steinmetze anwies, beim Versetzen der Sandsteinblöcke, einem schönen Fugenmuster folgend, ohne Mörtel zu arbeiten. Aus Gründen der Sparsamkeit wurden die Seitenfronten in Ziegelmauerwerk errichtet, das Schinkel aber nicht unter Putz verbarg, sondern sichtbar ließ. An der Rückseite des Gebäudes spiegelte Schinkel die Front in vereinfachter Form durch Wandpfeiler mit Gebälk und Dreieicksgiebel. Die verschiedenen Funktionsräume waren um einen kleinen Innenhof angeordnet, zu dem hin auch die nach außen nicht sichtbaren Pultdächer abfielen.Carl Gotthard Langhans: Brandenburger Tor (1789–1793); Berlin, Unter den Linden |
Der Hera-Tempel (ca. 460 v.Chr.) im sizilianischen Agrigent |
Gar nicht dorisch ist allerdings der Schmuck des Gebälks. Für die Stellen, an denen klassischerweise die Triglyphen liegen, entwarf Schinkel jeweils geflügelte Siegesgöttinnen, die der Bildhauer Johann Gottfried Schadow (1764–1850) modellierte. Sie wurden in Zinkguss ausgeführt und bemalt, als wären sie aus Stein. Dieser Figurenschmuck ist dem griechischen Tempel fremd, er findet sich vielmehr an römischen Triumphbögen. Das Relief im Giebelfeld sollte nach Schinkels Entwurf Kampf und Sieg, Flucht und Niederlage darstellen; es wurde allerdings erst 1846 in reduzierter Form angebracht.
Teil des königlichen Auftrags waren zwei Denkmäler für die Generäle Scharnhorst und Bülow, die vor der Neuen Wache aufgestellt wurden; der Bildhauer war Christian Daniel Rauch (1777–1857), die Sockel gestaltete Schinkel. In dieser Form überdauerte das Ensemble ein Jahrhundert. Während der Weimarer Republik entstand 1929 die Idee, die Neue Wache zu einem Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs umzugestalten. Der Architekt Heinrich Tessenow (1876–1950) konnte den Wettbewerb für sich entscheiden.
Umgestaltung der Neuen Wache nach Heinrich Tessenows Entwurf (Foto: Juni 1931) |
Erneute Umgestaltung 1968 (Foto: Mai 1973) |
So trifft man seit 1993 den Innenraum der Neuen Wache an |
Literaturhinweise
Claus, Sylvia: Tanzende Viktorien, irrende Triglyphen. Karl Friedrich Schinkels Neue Wache im Lichte der Architekturtheorie. In: Xenia Riemann u.a. (Hrsg.); Dauer und Wechsel. Festschrift für Harold Hammer-Schenk zum 60. Geburtstag. Lukas Verlag, Berlin 2004, S. 84-95;
Dolff-Bonekämper, Gabi: Neue Wache. In: Johannes Cramer u.A. (Hrsg.), Karl Friedrich Schinkel. Führer zu seinen Bauten. Band I: Berlin und Potsdam. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2006, S. 23-29;
Franck, Georg/Franck, Dorothea: Architektonische Qualität. Carl Hanser Verlag, München 2008, S. 214-219;
Haubrich, Rainer: Karl Friedrich Schinkel. Seine Bauten in Berlin und Potsdam. Nicolai Verlag, Berlin 2013, S. 52-59;
Stölzl, Christoph (Hrsg.): Die Neue Wache Unter den Linden. Ein deutsches Denkmal im Wandel der Geschichte. Koehler & Amelang, Berlin/München 1993.
(zuletzt bearbeitet am 26. September 2024)
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