Peter Paul Rubens: Der verlorene Sohn bei den Schweinen (um 1618); Antwerpen, Musées Royeaux des Beaux Art (für die Großansicht einfach anklicken) |
Albrecht Dürer: Der verlorene Sohn bei den Schweinen (1496/97); Kupferstich (für die Großansicht einfach anklicken) |
Das Motiv, das dem Bild seinen Titel gibt, wird bei Rubens allerdings in die rechte Bildecke gedrängt: Eine Magd, die den Trog für die
Schweine füllt, reagiert auf die Not des Zerlumpten (dessen Beinstellung auch
an Dürers Grafik erinnert) kühl und distanziert; hinter den Stützpfeilern der
Scheune beobachtet ein bärtiger Landarbeiter das Geschehen argwöhnisch. Als der
Geringste unter den Tagelöhnern des Bauern ist der verlorene Sohn völlig sich
selbst überlassen: Will er seinen Hunger stillen, dann muss er die Schoten an
sich reißen, sich den Schweinen gleichmachen.
Das
biblische Gleichnis macht damit deutlich, wie weit dieser Sohn heruntergekommen
ist: Sich bei einem Schweinezüchter zu verdingen, war für einen Israeliten schlichtweg
verwerflich. Schweine waren (und sind noch immer) für Juden unreine Tiere,
und wer mit ihnen in Berührung kam, verunreinigte sich selbst. Nur ein Heide,
der sich nicht um das Gesetz Gottes schert, konnte überhaupt auf den Gedanken
kommen, Schweine zu züchten. Tiefer kann dieser Sohn nicht sinken, sagt das
Gleichnis, weiter kann er sich nicht von seinem Vater entfernen. Aber dieser Tiefpunkt ist zugleich auch der Wendepunkt, wie das Gleichnis
berichtet: „Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater,
die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! Ich will mich
aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt
gegen den Himmel und vor dir“ (Lukas 15,17-18; LUT).
Albrecht Dürer: Die Geburt Christi (1504); Kupferstich (für die Großansicht einfach anklicken) |
Ungewöhnlich
an Rubens’ Bild ist, dass die dunkle Scheune auch eine Studie über künstliches
Licht und dessen Schattenbildung enthält, obwohl es sich um eine Szene bei Tag
handelt. Der Maler hat nämlich zwei Kerzen eingefügt: eine an der Wand neben
dem Stalljungen, der Heu zusammenharkt, und eine weitere, teilweise verdeckte
in der Hand der alten Frau neben den Kühen. Von der farbigen Jacke des Mädchens
abgesehen, herrschen die natürlichen Braun-, Grün- und Blautöne der Landschaft
vor, sodass die Figuren nicht so deutlich hervortreten wie auf anderen Bildern
Rubens aus dieser Zeit.
Literaturhinweise
Büttner, Nils: Rubens. Verlag C.H. Beck, München
2007;
Simson, Otto von: Peter Paul Rubens (1577–1640).
Humanist, Maler und Diplomat. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1996.;
LUT = Lutherbibel, revidierter Text 1984,
durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
(zuletzt bearbeitet am 1. Mai 2020)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen