Samstag, 29. September 2012

Margaret Atwood: Manets Olympia

Edouard Manet: Olympia (1863); Paris, Musée d’Orsay
(für die Großansicht einfach anklicken)

Manet’s Olympia

She reclines, more or less.

Try that posture, it’s hardly languor.
Her right arm sharp angles.

With her left she conceals her ambush.

Shoes but not stockings,

how sinister. The flower

behind her ear is naturally

not real, of a piece

with the sofa’s drapery.

The windows (if any) are shut.

This is indoor sin.

Above the head of the (clothed) maid

is an invisible voice balloon: Slut.

But. Consider the body,
unfragile, defiant, the pale nipples

staring you right in the bull’s-eye.

Consider also the black ribbon

around the neck. What’s under it?
A fine red threadline, where the head

was taken off and glued back on.

The body’s on offer,

but the neck’s as far as it goes.

This is no morsel.

Put clothes on her and you’d have a schoolteacher,

the kind with the brittle whiphand.

There’s someone else in this room.

You, Monsieur Voyeur.

As for that object of yours

she’s seen those before, and better.



I, the head, am the only subject

of this picture.

You, Sir, are furniture.

Get stuffed.

Margaret Atwood



Manets Olympia

Sie liegt mehr oder minder hingegossen da.
Probieren Sie mal die Pose, träge ist sie nicht.
Der rechte Arm scharf abgeknickt.
Der linke verbirgt den Hinterhalt.
Schuhe, aber keine Strümpfe,
wie tückisch. Die Blume
hinter ihrem Ohr ist natürlich
unecht, sie passt zum Überwurf des Diwans.
Die Fenster (falls vorhanden) sind geschlossen.
Diese Sünde findet im Saale statt.
Über dem Kopf der (bekleideten) Magd
eine unsichtbare Sprechblase: Schlampe.

Aber. Beachten Sie den Körper,
unzerbrechlich, trotzend, die bleichen Brüste,
starrend wie Revolverläufe.
Beachten Sie auch das schwarze Band
um den Hals. Was ist darunter?
Eine dünne rote Linie, wo der abgeschlagene Kopf
einst wieder aufgesetzt wurde.
Der Körper ist im Angebot,
doch nur bis zum Hals, weiter nicht.
Mit der Frau ist nicht zu spaßen.
Ziehn Sie ihr Kleider an, und sie wird zur Lehrerin,
eine, der die Gerte locker sitzt.

Da sitzt noch jemand im Zimmer.
Sie, Monsieur Voyeur.
Und was ihr Ding da angeht,
so was hat sie schon gesehen, und bessere.

Ich, der Kopf, bin das einzige Subjekt
auf diesem Bild.
Sie, werter Herr, sind Mobiliar.
Kusch, in die Ecke!

Margaret Atwood
(übersetzt von Beatrice Howeg)

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