Sandro Botticelli: Aufruhr und Bestrafung der Rotte Korah (1481/82); Rom, Sixtinische Kapelle (für die Großansicht einfach anklicken) |
Sandro Botticelli (1444–1510) hat diese
dramatischen Ereignisse auf einem Fresko in der Sixtinischen Kapelle ausgebreitet
(1481/82 entstanden). Der Schauplatz erinnert in nichts an die Wüste Sinai, wo sich nach biblischem Bericht das Geschehen abspielte – Vorder- und Mittelgrund stellen vielmehr ein römisches Forum dar. Botticelli hat die Begebenheit in drei Szenen bzw. Gruppen
aufgeteilt, die von rechts nach links zu lesen sind. Ganz rechts ist zu sehen, was dem Aufruhr der Rotte Korah vorausgeht: Als das murrende Volk Mose und Aaron steinigen will, weil sie es aus Ägypten weggeführt haben, wird es von Josua daran gehindert (4. Mose 14,6-10). Mose ist als alter Mann mit langem weißem Bart und Strahlenhörnern an der Stirn dargestellt; hinter ihm steht eine Reihe von Zuschauern aus Mitgliedern der päpstlichen Familie und der Kurie.
Mose soll gesteinigt werden, Josua geht dazwischen |
In der Bildmitte sehen wir den erzürnten Mose zusammen
mit seinem Bruder Aaron. In blaue priesterliche Gewänder gekleidet und mit einer Mitra versehen, die deutlich an die päpstliche Tiara erinnert, opfert Aaron wie von Gott vorgeschrieben Räucherwerk in einem goldenen Weihrauchfass. Mose und Aaron gegenüber vollziehen Korah und
seine Anhänger einen Ritus, der aber offenbar keine Gnade vor den Augen Gottes
findet, denn die Rebellen krümmen sich, während ihre goldenen Opfergefäße unkontrolliert
in der Luft herumwirbeln.
Gott nimmt nur das Opfer Aarons an, der damit in seinem Priesteramt bestätigt wird |
Links tut sich auf Befehl des Mose die Erde auf und
verschlingt zwei Abtrünnige, vielleicht Datam und Abiram, die zur Rotte Korahs
gehören; zwei weitere, wohl die Söhne Korahs (4. Mose 26,10-11), scheinen wundersam verschont zu werden, denn sie schweben auf einer Wolke über dem Geschehen. Hinter Moses sind wiederum zwei Mitglieder des päpstlichen Hofes als Zeugen des Geschehens abgebildet.
Jede der drei Episoden, deren Handlung ganz auf
den Vordergrund konzentriert ist, wird durch Architekturen hinterfangen. Rechts ist eine antike Ruine dargestellt, die deutlich an das römische Septizonium erinnert, eine unter Septimus Severus errichtete monumentale Brunnenanlage, die 1588/89 aberissen wurde. In der Mitte lenkt ein mächtiger Triumphbogen die Aufmerksamkeit auf die Altarszene, wo Aaron seine Autorität als
Priester behauptet, während Mose das göttliche Strafgericht
anruft, durch das die opfernden Konkurrenten seines Bruders zu Boden stürzen. Das prunkvolle Bauwerk, dessen Reliefs und Statuen in Gold gemalt sind, ist eine Kopie des römischen
Konstantinsbogens – allerdings kein exaktes Abbild, denn Botticelli hat die Figuren der Friese über den seitlichen Bögen verändert, in den großen Friesen Palmetten eingefügt und die Figuren auf den Säulenbasen durch Waffentrophäen ersetzt.
Der Konstantinsbogen in Rom |
Die Inschrift im Triumphbogen, goldene Buchstaben auf blauem Grund, lässt keinen Zweifel an der programmatischen
Absicht des Freskos: „Niemand maße sich selbst Ehre an, wenn er nicht, wie Aaron
es war, von Gott berufen ist“ – der Text stammt aus dem Hebräerbrief (5,4). Da
Aaron der erste Hohepriester gewesen ist und somit als Vorläufer der Päpste
galt – auf dem Fresko stellt die päpstliche Tiara auf Aarons Haupt diesen
Zusammenhang her –, ist dieser Satz eindeutig als Warnung zu verstehen: nämlich
an all jene, die sich gegen die
von Gott eingesetzten Vertreter und damit gegen den Papst aufzulehnen
gedachten.
Sixtus IV., der die Sixtina-Fresken in Auftrag
gegeben hatte, bemühte sich während seiner Amtszeit sehr um die Stärkung des
Papsttums. Dessen kirchliche Hoheit war nach dem Ende des großen Schismas
(1378–1417) immer wieder in Frage gestellt worden. Die sogenannten
Konziliaristen wollten einem allgemeinen Konzil aus hohen kirchlichen
Amtsträgern größere Machtbefugnisse einräumen als dem Papst. In diesem Kontext
bringt das Bildprogramm der von Sixtus IV. feierlich am 15. August 1483
eingeweihten „capella magna“ den Anspruch des Papsttums auf Vorherrschaft
vehement zum Ausdruck.
Bezeichnenderweise ist auf dem korrespondierenden Fresko auf der gegenüberliegenden Seitenwand die Schlüsselübergabe an Petrus dargestellt: Die Szene aus Matthäus 16,18-19 bildet den Eckstein für die katholische Lehre, dass Christus die Oberherrschaft über die Kirche Petrus und dessen Nachfolgern übertragen habe. Die Schlüsselübergabe wird links im Hintergrund durch die Episode des „Zinsgroschens“ ergänzt (Matthäus 22,15-22), in der Jesus die Juden anweist, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist; sie wurde im mittelalterlichen Rom als Rechtfertigung des päpstlichen Suprematsanspruchs interpretiert, da die Fortsetzung „und gebt Gott, was Gottes ist“ die Vormachtstellung des Papstes dem Kaiser gegenüber beinhalte.
Pietro Perugino: Schlüsselübergabe an Petrus (1481/82); Rom, Sixtinische Kapelle (für die Großansicht einfach anklicken) |
Die Sixtina innen: Über den Wandfresken sind in der Fensterzone ganzfigurige Papstbildnisse angebracht |
Sandro Botticelli: Sixtus II. (1481/82); vom 30. August 257 bis 6. August 258 römischer Papst, Wandfresko in der Sixtina |
Der Papst hatte für die Ausmalung der Palastkapelle neben
Sandro Botticelli auch Pietro Perugino (1446–1523), Domenico Ghirlandaio (1449–1494) und Cosimo Rosselli
(1434–1507) nach Rom berufen. Für die beiden Längswände
schufen sie je sechs Szenen aus dem Leben des Mose und aus dem Leben Christi,
sodass in typologischer Entsprechung die Erzählungen des Alten denen des Neuen Testaments
gegenüberstanden. Die Fensterzonen wurden umlaufend mit ganzfigurigen
Papstbildnissen geschmückt. Zuerst wurde jedoch die Decke ausgemalt: Piermatteo d’Amelia gestaltete sie als Sternenhimmel auf blauem Grund.
Im Frühjahr 1504 trat dann ein schwerer Längsriss in der Decke auf, da sich die Südwand nach außen gewölbt hatte. Die Schäden waren so gravierend, dass die Kapelle mehrere Monate nicht benutzt werden konnte. Zunächst ist wohl daran gedacht worden, das instandgesetzte Gewölbe wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen – doch dann erhielt Michelangelo den Auftrag zu seinem berühmten Deckenfresko. 1508 nahm er die Arbeit auf, eingeweiht wurde die Decke schließlich am 31. Oktober 1512.
Im Frühjahr 1504 trat dann ein schwerer Längsriss in der Decke auf, da sich die Südwand nach außen gewölbt hatte. Die Schäden waren so gravierend, dass die Kapelle mehrere Monate nicht benutzt werden konnte. Zunächst ist wohl daran gedacht worden, das instandgesetzte Gewölbe wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen – doch dann erhielt Michelangelo den Auftrag zu seinem berühmten Deckenfresko. 1508 nahm er die Arbeit auf, eingeweiht wurde die Decke schließlich am 31. Oktober 1512.
Literaturhinweise
Dombrowski, Damian: Die religiösen Gemälde Sandro Botticellis. Malerei als pia philosophia. Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2010, S. 172-190;
Pfisterer, Ulrich: Die Sixtinische Kapelle. Verlag C.H. Beck, München 2013;
Lightbown, Ronald: Sandro Botticelli. Leben und Werk. Hirmer Verlag, München 1989, S. 90-111;
Linke, Alexander: Typologie in der Frühen Neuzeit. Genese und Semantik heilsgeschichtlicher Bildprogramme von der Cappella Sistina (1480) bis San Giovanni in Laterano (1650). Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2014, S. 69-114;
Rehm, Ulrich: Botticelli. Der Maler und die Medici. Eine Biographie. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2009, S. 98-103;
Roettgen, Steffi: Wandmalerei der Frührenaissance in Italien. Band II: Die Blütezeit 1470–1510. Hirmer Verlag, München 1997, S. 82-125;
Zöllner, Frank: Sandro Botticelli. Prestel Verlag, München 2009;
LUT = Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
(zuletzt bearbeitet am 29. März 2020)
Dombrowski, Damian: Die religiösen Gemälde Sandro Botticellis. Malerei als pia philosophia. Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2010, S. 172-190;
Pfisterer, Ulrich: Die Sixtinische Kapelle. Verlag C.H. Beck, München 2013;
Lightbown, Ronald: Sandro Botticelli. Leben und Werk. Hirmer Verlag, München 1989, S. 90-111;
Linke, Alexander: Typologie in der Frühen Neuzeit. Genese und Semantik heilsgeschichtlicher Bildprogramme von der Cappella Sistina (1480) bis San Giovanni in Laterano (1650). Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2014, S. 69-114;
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Roettgen, Steffi: Wandmalerei der Frührenaissance in Italien. Band II: Die Blütezeit 1470–1510. Hirmer Verlag, München 1997, S. 82-125;
Zöllner, Frank: Sandro Botticelli. Prestel Verlag, München 2009;
LUT = Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
(zuletzt bearbeitet am 29. März 2020)
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