Sandro Botticelli: Die Prüfungen des Mose (1481/82); Rom, Sixtinische Kapelle |
Die zwischen 1473 und 1481 unter Papst Sixtus
IV. (Francesco della Rovere) erbaute Kapelle, die später nach ihrem Bauherrn
benannt wurde, war nicht für die private päpstliche Andacht bestimmt. Sie
sollte vielmehr anlässlich hoher Festtage sowie großer Zeremonien und Empfänge
repräsentativen Zwecken dienen. Darüber hinaus war der Bau als Versammlungsraum
des Konklaves gedacht, also des Kardinalsgremiums, das bis heute nach dem
Tod des Papstes dort zusammentritt, um ein neues katholisches Kirchenoberhaupt zu
wählen. Deswegen entwickelten der Papst und seine Berater für den
Freskenschmuck der Kapelle ein komplexes theologisch-politisches Bildprogramm:
eine groß angelegte Legitimation des Papsttums, die den Stellvertreter Christi
in der Tradition von Mose und Christus zeigt, den Begründern des Alten und des
Neuen Bundes.
Was auch immer passiert – Mose bleibt stets gelb-grün gewandet |
Der Bilderzyklus war auf Szenen aus dem Leben
von Mose und Christus festgelegt, die in einer mittleren Wandzone rings um die
Kapelle liefen. Die alttestamentlichen Episoden befinden sich auf der vom Altar
aus gesehenen rechten, die neutestamentlichen auf der linken Seite. Da einzelne
Ereignisse aus dem Leben des Mose von den Theologen immer wieder als Hinweis
auf die Christusgeschichte interpretiert wurden, wählte man in den einander gegenüberliegenden Fresken jeweils Szenen, die aufeinander Bezug nehmen. Über jedem Bildfeld ist außerdem ein sogenannter Titulus in großen Lettern angebracht, der die Bedeutung der Szene in Kurzform mitteilt. Diese „Überschriften“ wurden übrigens erst Ende der 1960er Jahre wieder freigelegt.
Unter den Historienbildern befinden sich gemalte Vorhänge, in der Fensterzone darüber sind insgesamt 28 überlebensgroße Phantasieporträts der ersten Päpste zu sehen. Diese Aufteilung wurde von der Zahl der Gewölbejoche vorgegeben; jeweils ein Vorhang, ein Historienbild und ein Fenster mit je einem Papstbild zu beiden Seiten bilden die vertikalen Abschnitte, die von fiktiven Pilastern getrennt werden. Die einzelnen Bildfelder messen dreieinhalb Meter in der Höhe und fünfeinhalb Meter in der Breite. „Trotz dieser enormen, in der nachmittelalterlichen Malerei beispiellosen Größe entstanden die Fresken in atemberaubend kurzer Zeit; pro Joch läßt sich eine Arbeitszeit von rund zwei Monaten errechnen“ (Dombrowski 2010, S. 175).
Von den ursprünglich 16 Bildfeldern sind heute noch 12 Fresken an den Seitenwänden erhalten – die an der Altarwand von Pietro Perugino mussten 1534 Michelangelos Jüngstem Gericht weichen; bereits 1522 wurden die Fresken von Luca Signorelli und Domenico Ghirlandaio auf der Eingangsseite zerstört und in der zweiten Jahrhunderthälfte durch spätmanieristische Gemälde ersetzt.
Unter den Historienbildern befinden sich gemalte Vorhänge, in der Fensterzone darüber sind insgesamt 28 überlebensgroße Phantasieporträts der ersten Päpste zu sehen. Diese Aufteilung wurde von der Zahl der Gewölbejoche vorgegeben; jeweils ein Vorhang, ein Historienbild und ein Fenster mit je einem Papstbild zu beiden Seiten bilden die vertikalen Abschnitte, die von fiktiven Pilastern getrennt werden. Die einzelnen Bildfelder messen dreieinhalb Meter in der Höhe und fünfeinhalb Meter in der Breite. „Trotz dieser enormen, in der nachmittelalterlichen Malerei beispiellosen Größe entstanden die Fresken in atemberaubend kurzer Zeit; pro Joch läßt sich eine Arbeitszeit von rund zwei Monaten errechnen“ (Dombrowski 2010, S. 175).
Von den ursprünglich 16 Bildfeldern sind heute noch 12 Fresken an den Seitenwänden erhalten – die an der Altarwand von Pietro Perugino mussten 1534 Michelangelos Jüngstem Gericht weichen; bereits 1522 wurden die Fresken von Luca Signorelli und Domenico Ghirlandaio auf der Eingangsseite zerstört und in der zweiten Jahrhunderthälfte durch spätmanieristische Gemälde ersetzt.
Drei dieser Fresken stammen von dem
florentinischen Maler Sandro Botticelli (1445–1510): die Versuchungen Jesu (siehe meinen Post „Das einmalige Opfer Jesu“), die Prüfungen
des Mose und der Aufruhr und
Bestrafung der Rotte Korah (siehe meinen Post „Aufruhr in der Wüste“). In den Prüfungen
des Mose (1481–1482 entstanden), dem Gegenstück zu den Versuchungen Jesu, hat Botticelli acht Episoden aus dem Leben des
Mose in eine hügelige Landschaft eingebettet. Da der Mose-Zyklus an der Altarwand
beginnt, sind die Szenen von rechts nach links zu lesen: Mose, jeweils im
leuchtend gelben Gewand dargestellt, erschlägt im Zorn einen ägyptischen
Aufseher – am rechten Bildrand legt eine Frau ihrem Arm um den jungen Juden, den der Ägypter geschlagen hatte, und bringt ihn in Sicherheit. Nach der Tat flieht Mose als eilende Rückenfigur auf einem Zickzackweg nach Midian. Die Einsamkeit, die den Flüchtenden umgibt, wird durch den abgestorbenen Baum über ihm verdeutlicht. In Midian vertreibt er die Schafhirten, die den Töchtern Jitros den Zugang zum Brunnen
verwehren. Hier begegnet er seiner späteren Frau
Zippora – Mose gießt Brunnenwasser in einen Trog für die Schafe der beiden weißgekleideten,
blonden Schwestern. Die innere Verbundenheit zwischen Mose und Zippora lässt sich an der übereinstimmenden Körperneigung ablesen; „auf die künftige Fruchtbarkeit ihrer Verbindung wird durch das Aufragen des kräftigsten Baumes zwischen ihnen verwiesen“ (Dombrowski 2010, S. 180), wie überhaupt die ausladenden Kronen in auffallendem Gegensatz zu dem verdörrten Stämmchen auf der rechten Seite stehen.
Es bleibt nicht beim einmaligen Tränken der Schafe – Mose wird 40 Jahre in Midian zubringen. Wie um den Wendepunkt der Erzählung zu betonen, markiert der Flaschenzug genau die Mitte der Komposition. Eingefasst von zwei Baumkronen, legt Mose weiter oben seine Schuhe ab, bevor er sich dem brennenden Dornbusch nähert (2. Mose 3). Daneben zeigt Botticelli den knienden Mose, der von Gott den Auftrag erhält, das Volk Israel in das gelobte Land Kanaan zu führen. Und schließlich folgt noch von der Bildmitte bis zum linken unteren Rand der triumphale Auszug der Israeliten aus Ägypten.
Es bleibt nicht beim einmaligen Tränken der Schafe – Mose wird 40 Jahre in Midian zubringen. Wie um den Wendepunkt der Erzählung zu betonen, markiert der Flaschenzug genau die Mitte der Komposition. Eingefasst von zwei Baumkronen, legt Mose weiter oben seine Schuhe ab, bevor er sich dem brennenden Dornbusch nähert (2. Mose 3). Daneben zeigt Botticelli den knienden Mose, der von Gott den Auftrag erhält, das Volk Israel in das gelobte Land Kanaan zu führen. Und schließlich folgt noch von der Bildmitte bis zum linken unteren Rand der triumphale Auszug der Israeliten aus Ägypten.
Eine der Töchter Jitros ist Zippora, die Mose kurz nach der Brunnen-Episode heiratet; direkt hinter dem Brunnen steht der vergoldete Eichbaum |
Die Sixtinische Kapelle: macht von außen nicht viel her, aber die Wandmalereien innen gehören zu den Höhepunkten abendländischer Kunst |
Dombrowski, Damian: Die religiösen Gemälde Sandro Botticellis. Malerei als pia
philosophia. Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2010, S. 172-190;
Lightbown, Ronald: Sandro Botticelli. Leben und Werk. Hirmer Verlag, München 1989, S. 90-111;
Pfisterer, Ulrich: Die Sixtinische Kapelle. Verlag C.H. Beck, München 2013;
Roettgen, Steffi: Wandmalerei der Frührenaissance in Italien. Band II: Die Blütezeit 1470–1510. Hirmer Verlag, München 1997, S. 82-125;
Zöllner, Frank: Sandro Botticelli. Prestel Verlag, München 2009.
(zuletzt bearbeitet am 20. März 2017)
Lightbown, Ronald: Sandro Botticelli. Leben und Werk. Hirmer Verlag, München 1989, S. 90-111;
Pfisterer, Ulrich: Die Sixtinische Kapelle. Verlag C.H. Beck, München 2013;
Roettgen, Steffi: Wandmalerei der Frührenaissance in Italien. Band II: Die Blütezeit 1470–1510. Hirmer Verlag, München 1997, S. 82-125;
Zöllner, Frank: Sandro Botticelli. Prestel Verlag, München 2009.
(zuletzt bearbeitet am 20. März 2017)
Sehr sorgfältig, ausgesprochen detailreich, Niveau eines wiss. Artikels!
AntwortenLöschenVielen Dank
W. Adelssen