Bockhorster Triumphkreuz (um 1200); Münster; LWL-Museum für Kunst und Kultur |
Das Bockhorster Triumphkreuz ist nicht
nur wegen seiner Höhe von 3,45 Meter das herausragende mittelalterliche
Kunstwerk im Münsteraner Landesmuseum (LWL). Bis 1894 befand es sich auf dem
Dachboden der kleinen evangelischen Dorfkirche von Bockhorst. Es ist aber kaum
anzunehmen, dass es auch für dieses Gotteshaus angefertigt wurde; sehr
wahrscheinlich war es in einer größeren Kirche an der Schnittstelle zwischen
Chor- und Laienbereich angebracht, vermutlich auf einem sogenannten
Triumphbalken.
Das Kreuz gehörte schon seit der
Museumseröffnung 1908 zu den Schmuckstücken der Dauerausstellung. In dem 2014
eröffneten Neubau ist es nun im ersten Raum der Schausammlung zu sehen, der mit
über acht Metern zwei Stockwerke umfasst. Damit wird das Bockhorster
Triumphkreuz in einer Höhe präsentiert, die wohl seinem früheren
Aufstellungsort entspricht.
In der Romanik war die Darstellung des
gekreuzigten Christus geprägt vom Bild des Weltenherrschers, der über den Tod
triumphiert und am Ende der Zeiten zum Jüngsten Gericht wiederkehrt. Das Bockhorster
Monumentalkreuz, um 1200 entstanden, zeigt aber nicht nur den siegreichen „König
aller Könige“ (1. Timotheus 6,15; LUT), sondern gleichzeitig auch den leidenden,
sterbenden Menschen Jesus, der das Christusbild der Gotik bestimmen wird. „Die
Expressivität der Leidenszüge ist ohne Parallele bei anderen zeitgleichen
Beispielen, wo noch die starre, frontale Auffassung des Christkönigs mit
geöffneten Augen dominiert“ (Beer 2005, S. 517).
Dieser König stirbt vor unseren Augen |
Christus hängt schwer und frontal mit
bogenförmig nach oben geführten Armen am Kreuz. Sowohl die Hände als auch die
lang ausgestreckten, parallelen Füße sind von Nägeln durchbohrt. Der Kopf des
Gekreuzigten, kaum merklich nach rechts gewendet, beugt sich weit nach vorne;
er sitzt auf einem kräftigen Hals und ist tief zwischen die Schultern gesunken.
Das längliche, ovale Gesicht wird von einem Kinn- und Backenbart gerahmt. Die
Augen mit den betont schweren Lidern sind halb geschlossen. Die großen, flach
und ornamenthaft gearbeiteten Ohren sitzen sehr hoch am Kopf an. Der geöffnete
Mund mit den erkennbaren Zähnen und den stark herabgezogenen Mundwinkeln macht
eindrucksvoll das Leiden Christi sichtbar. Die Stirn wird von einem mittig
gescheitelten Haarkranz unter einer hohen Palmettenkrone umfasst; ansonsten
fallen die Haare in dicken, langen Strähnen bis auf die Schultern.
An dem großen, massigen, geraden
Oberkörper sind die ornamentalen, kurvig eingeschnitzten Rippenbögen ebenso wie
der Bauchnabel und die kleine, eingeschnittene Seitenwunde deutlich zu
erkennen. Das Lendentuch hängt tief auf den Hüften und wird von einem Gürtel
gehalten. Über den Knien ist der flache, eng anliegende Saum leicht zur Mitte
hochgezogen, wodurch das rechte Knie ganz, das linke halb frei liegt. Die langgliedrigen
Beine sind wie die Füße weitgehend parallel geführt. An den Armen zeichnen sich
Adern- und Muskelstränge ab, „die in ihrer groben Modellierung wenig naturalistisch,
sondern wie aufgelegt wirken“ (Beer 2013, S. 517).
Das Bockhorster Triumphkreuz hängt jetzt wieder so hoch wie ursprünglich – wir blicken also zu ihm auf |
Leib, Kopf, Beine und linker Arm sind
aus einem einzigen Stück gearbeitet (für den Arm wurde ein aus dem Stamm
wachsender Ast verwendet), die Krone ist angesetzt. Mit Holznägeln angeheftet
wurden die beiden seitlichen Gesichtsteile mit den Ohren. Wieder angestückt ist
der ab- bzw. ausgebrochene rechte Arm. Er besteht aus zwei Teilen, die im
Bereich des Oberarms zusammengefügt sind. Die Figur ist fast vollständig
erhalten, es fehlen lediglich ein Teil des Kronenblatts und der Daumen der
linken Hand. Von den beiden auf der rechten Seite eingeschnittenen
Seitenwunden ist die kleinere, mehr zur rechten Seite verschobene die
originale, die vordere größere eine spätere Zutat. Sie wurde wohl zu einer
Zeit, die mehr die Passion Christi betonen wollte, hinzugefügt. Im Scheitel des
Christuskopfes befindet sich eine Öffnung zur Aufbewahrung von Reliquien, die
mit einer Eisenplatte verschlossen ist.
Zum romanischen Typus des
hoheitsvollen, gekrönten Christus gehören vielfach auch die vier
Evangelistensymbole (Matthäus = Engel, Markus = Löwe, Lukas = Stier und Johannes
= Adler). Hier sind sie in Rundscheibenreliefs an den Enden des Kreuzes
angebracht. Bis auf die später ersetzte Matthäus-Scheibe gehören sie zur
ursprünglichen Ausstattung. Dübellöcher und Nagelspuren hinter dem Kopf lassen
vermuten, dass früher einmal ein kreisförmiger Heiligenschein das Haupt Jesu
umgab. Es fehlt allerdings das bei vielen Triumphkreuzen obilgatorische
Suppedaneum (siehe meinen Post „Rex triumphans“), eine Fußstütze, die das majestätische,
aufrechte Stehen des Christkönigs ermöglicht.
Die Sohlen der parallel angenagelten Füße liegen fast auf dem Kreuzstamm auf |
Literaturhinweise
Beer, Manuela: Triumphkreuze des Mittelalters. Ein Beitrag zu Typus und Genese im 12.
und 13. Jahrhundert. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg: Schnell &
Steiner 2005, S. 515-519;
Kösters, Klaus: 100 Meisterwerke westfälischer Kunst. Aschendorff Verlag, Münster
2010, S. 30-31;
LUT = Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
(zuletzt bearbeitet am 27. Juni 2020)
LUT = Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
(zuletzt bearbeitet am 27. Juni 2020)
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