Caspar David Friedrich: Das Große Gehege (um 1832); Dresden, Gemäldegalerie (für die Großansicht einfach anklicken) |
Das Große Gehege gilt als
Krönung von Caspar David Friedrichs Spätwerk, und es ist sicherlich auch ein
Höhepunkt der Landschaftsmalerei überhaupt. Der besondere Zauber dieses
Gemäldes beruht vor allem auf seinen fein abgestuften Farbtönen, die von hellem
Gelb und Blau bis zu blassem Rosa und Olivbraun reichen. Sie vermitteln eine
Abendstimmung von großer Stille und feierlicher Schönheit. Es ist der Nachglanz
der bereits untergegangenen Sonne, der den Himmel in atemberaubender
Farbenpracht leuchten lässt. Sie ist eben hinter einer Wolkenbank verschwunden
und zeigt sich nur noch als kleiner gelber Lichtfleck links von der Bildmitte.
Die Erde ist bereits im Halbdunkel
versunken, die Baumreihen sind schwärzlich-bräunlich gefärbt, und auch die
Wiesen haben ihr saftiges Grün verloren. Friedrich hat das Flussbett in trüben,
ja zum Teil schmutzigen Farben wiedergegeben, unterbrochen nur durch die Spiegelungen
des Himmels in den Rinnsalen und Pfützen „mit magischen Farbspielen, wie sie
das helle Tageslicht nicht hervorzubringen vermag“ (Börsch-Supan 2008, S. 13).
Die Form des Flussbettes weckt den Eindruck einer sich dem Himmel
entgegenwölbenden Kugel – man assoziiert einen Globus mit Kontinenten und
Ozeanen. Mayumo Ohara spricht davon, dass Friedrich die Landschaftselemente so
zeige, „als ob sie durch eine Sammellinse gesehen würden“ (Ohara 1984, S. 101); auch für Gregor Wedekind wirkt die weitwinklig angelegte Perspektive Friedrichs, als erhebe sich „aus den Wassern der Weltmeere das trockene Land der Kontinente mit seinem gebirgigen Relief“ (Wedekind 2005, S. 421).
Eine ganz andere Stimmung als die Erde
verbreitet der Himmel, der etwa drei Fünftel der Bildfläche einnimmt und alle
Dunkelheit überstrahlt. Oben zeigt er ein reines, lichtes Blau, das sich weiter
unten nach einer leichten Grüntönung zum kräftigen Gelb verfärbt und
schließlich mit einer blaugrauen Wolkenbank eine Art Sockel erhält. „Auf der
Reinheit des Himmels, wie sie in dieser Intensität in nicht allzu vielen
Bildern Friedrichs vorkommt, beruht vor allem die Strahlkraft des Gemäldes“
(Börsch-Supan 2008, S. 13). Nur in seinen Lebensstufen
hat Friedrich noch einmal ein vergleichbares abendliches Firmament
geschaffen. Zur Wirkung des Himmels im Großen
Gehege trägt auch bei, dass aus dem irdischen Bereich oberhalb der Wolkenbank
nichts in die oberirdische lichte Zone hineinragt. Friedrich verzichtet auf eine
Verklammerung von Nähe und Ferne, Erde und Himmel durch ein überschneidendes
Motiv, wie er es nicht nur in den Lebensstufen, sondern z. B. auch im Abendstern
verwendet hat.
Caspar David Friedrich: Die Lebensstufen (um 1835); Leipzig, Museum der bildenden Künste (für die Großansicht einfach anklicken) |
Caspar David Friedrich: Der Abendstern (um 1830); Frankfurt, Freies Deutsches Hochstift |
Caspar David Friedrich: Mondaufgang am Meer (1822); Berlin, Alte Nationalgalerie |
Der Titel des Bildes erweckt den
Eindruck, als handele es sich um eine mehr oder weniger topografisch genaue
Wiedergabe eines bestimmten Ortes, nämlich des Ostrageheges bei Dresden. So
heißt ein am Südufer der Elbe gelegenes flaches Wiesengelände nordwestlich des
Dresdner Stadtzentrums, das sich wie eine Halbinsel nach Norden erstreckt. Friedrich
konnte das Große Gehege von seiner Dresdener Wohnung aus zu Fuß in einer halben
Stunde erreichen. Dennoch zeigt sein Gemälde, obwohl überzeugend realistisch dargestellt,
keinen so vorfindbaren Naturausschnitt, sondern „eine bewußt geordnete
Kunstwelt“ (Ohara 1984, S. 117).
Literaturhinweise
Börsch-Supan, Helmut: Caspar David Friedrich. Gefühl als Gesetz. Deutscher Kunstverlag,
München 2008, S. 11-18;
Hofmann, Werner: Caspar David Friedrich. Naturwirklichkeit und Kunstwahrheit. Verlag
C.H. Beck, München 2000, S. 236-237;
Ohara, Mayumi: Über das sog. »Große Gehege« Caspar David Friedrichs. In: Zeitschrift
für Kunstgeschichte 47 (1984), S. 100-117;
Wedekind, Gregor: Bilder für ehrliche Leute. Zum Problem der Mimesis bei Caspar David Friedrich. In: Martin Gaier u.a. (Hrsg.), Der unbestechliche Blick. Festschrift zu Ehren von Wolfgang Wolters zu seinem siebzigsten Geburtstag. Porta Alba Verlag, Trier 2005, S. 413-427 ;
Wolfradt, Willi: Caspar David Friedrich und die Landschaft der Romantik.
Mauritius-Verlag, Berlin 1924.Wedekind, Gregor: Bilder für ehrliche Leute. Zum Problem der Mimesis bei Caspar David Friedrich. In: Martin Gaier u.a. (Hrsg.), Der unbestechliche Blick. Festschrift zu Ehren von Wolfgang Wolters zu seinem siebzigsten Geburtstag. Porta Alba Verlag, Trier 2005, S. 413-427 ;
(zuletzt bearbeitet am 14. Juli 2020)