Jean-Baptiste-Siméon Chardin: Der Zeichner (1737); Berlin, Gemäldegalerie |
Der
Zeichner gehört zu den vier Gemälden von Jean-Baptiste-Siméon
Chardin (1699–1779), die Friedrich der Große (1712–1786), ein begeisterter
Verehrer französischer Kunst und Kultur, für seine umfangreichen Sammlungen
erwerben ließ. Heute ist es in der Berliner Gemäldegalerie ausgestellt. Es
existiert noch eine zweite, bis auf kleine Details identische Ausführung im
Pariser Louvre, die ebenfalls Chardins Signatur und das Datum 1737 aufweist.
Sie gilt als die erste Fassung der Komposition, da sie Spuren von Korrekturen
aufweist, die der Künstler beim Malen ausführte.
Ein zarter, fast mädchenhaft anmutender Junge
von etwa 15 Jahren lehnt an einem Tisch und beugt sich über eine Zeichnung.
Chardin zeigt ihn von der Seite und bis zur Hüfte, nach links gewendet und in
der vorderen Bildebene. Die Zeichnung selbst liegt vor ihm auf einer ledernen
Mappe, die die Tischplatte weitestgehend bedeckt. Dabei stützt sich der Junge mit
dem linken Arm auf das blaugetönte Blatt und den Portfolio. In der linken Hand
hält er einen porte-crayon, einen
Doppelstifthalter aus Messing, an dessen zangenartigen Enden mit Hilfe von
Schieberingen ein weißer und ein schwarzer Kreidestängel eingeklemmt sind. Mit
dem Messer in seiner Rechten spitzt er das schwarze Kreidestück am unteren Ende.
Der Junge hält dabei einen Moment inne und betrachtet aufmerksam seine
weißgehöhte Zeichnung mit dem Kopf eines alten Mannes oder Sartyrs, an dem er
wohl gerade arbeitet. Ein zartes Lächeln umspielt seinen Mund – offensichtlich
gefällt ihm, was bislang entstanden ist. Möglicherweise handelt es sich um die
Kopie eines älteren Kunstwerks, denn damit begann die Ausbildung angehender
Künstler, ehe das Studium nach der Natur und schließlich das eigene Komponieren
folgte.
Der Junge trägt über dem hochgeschlossenen Hemd
einen enganliegenden weißen Rock, vor den er eine grüne Schürze gebunden hat.
Seinen Kopf bedeckt ein ausladender Dreispitz, unter dem an den Schläfen dunkle
Locken hervorquellen, während das lange gewellte Haar mit einer Schleife
zusammengebunden ist und über den Rücken fällt. Der Raum, in dem sich der junge
Zeichner befindet, wird von Chardin nicht näher bestimmt. Nur bei genauerer
Betrachtung fallen einige zurückhaltend ins Bild gesetzte Details ins Auge:
etwa das rote Verschlussband der Zeichenmappe, dessen langes Ende die
Mittelsenkrechte der Komposition markiert; die Spange, das Kügelchen und die
Nadel an der Krempe des Huts; die Fugen an der Tischplatte und die Ränder der
Zeichenblätter, die aus dem Portfolio herausragen.
Jean-Baptiste-Siméon Chardin: Das Kartenhaus (1737); London, National Gallery |
Jean-Baptiste-Siméon Chardin: Die Teetrinkerin (1735/36); Glasgow, Hunterian Art Gallery/Glasgow University |
Es sind vor allem die gelassene Ruhe und
Entrücktheit des Jungen wie des Bildes insgesamt, die bis heute faszinieren.
Der freundlich-offene Blick des
Jungen bleibt in sich gekehrt, seine Körperhaltung wirkt bewegungslos, sodass
das Gemälde beinahe einem figürlichen Stillleben gleicht. Chardin hat noch eine ganze Reihe ähnlicher Kompositionen angefertigt, die eine vergleichbare beglückende
Stille ausstrahlen, so z. B. Das Kartenhaus
oder Die Teetrinkerin.
Literaturhinweis
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hrsg.): Jean
Siméon Chardin 1699–1779. Werk – Herkunft – Wirkung. Hatje Cantz Verlag,
Ostfildern-Ruit 1999, S. 120-124.(zuletzt bearbeitet am 14. Juli 2020)
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