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Albrecht Dürer: Maria mit der Meerkatze (um 1498); Kupferstich (für die Großansicht einfach anklicken)
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Albrecht
Dürers Kupferstich Maria mit der Meerkatze
von etwa 1498 wird gerne verglichen mit seiner drei Jahre früher entstandenen Heiligen Familie mit der Libelle, um auf
die beträchtliche künstlerische wie technische Entwicklung des jungen
Nürnberger Künstlers hinzuweisen. So setzt sich die Figurengruppe in dem
späteren Werk wesentlich deutlicher vom Hintergrund ab und verfügt über
erkennbar größere Plastizität. Zwar nimmt die Gottesmutter ebenso wie in der Heiligen Familie mit der Libelle in der
Linie vom Haupt über Brust und Knie die Mittelsenkrechte des Bildes ein. Doch
im Unterschied zu dem früheren Kupferstich liegt das Gewicht nun auf dem
Jesuskind, dessen kräftiger kindlicher Leib in einer Drehbewegung aus der
Bildmitte verschoben ist.
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Albrecht Dürer: Heilige Familie mit der Libelle (um 1495); Kupferstich (für die Großansicht einfach anklicken)
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Das steile Hochformat betont die
aufrechte Haltung der Gottesmutter, die – mit dem Körper leicht aus der
Vorderansicht nach links gewendet – auf einer mit rohen Bohlen abgesteckten Rasenbank
sitzt. Sie trägt ein langes, reich gefaltetes und gebauschtes Gewand, das um
die Hüfte von einem auffällig geknoteten Gürtel gehalten wird und unter dem
sich die Körperformen deutlich abzeichnen. Die Falten ihres Kleides erinnern
zwar an die Spätgotik, fallen jedoch beruhigter und wirklichkeitsgetreuer. Marias
Kopf mit dem welligen Haar und dem kreisrunden Scheibennimbus ragt über den
Horizont hinaus. Während ihre Linke auf einem geschlossenen Buch ruht, senkt
sie ihren Blick nach rechts auf den nackten Jesusknaben, den sie mit ihrer
rechten Hand stützend auf ihrem Schoß hält.
Das Kind ist damit beschäftigt, einen
kleinen Singvogel spielerisch mit einem Saugbeutelchen (einem mit Flüssigkeit
getränkten Schnuller) zu locken. Zu Marias Füßen ist ein Äffchen an die
Rasenbank gekettet, „dessen maskenhafter Blick aus dem Bild in beunruhigendem
Kontrast zu dem unbefangenen kindlichen Spiel steht“ (Schoch 2001, S. 71). Dürer
fasst die Gestalt Mariens mit dem angeketteten Affen formal zu einem gleichmäßigen
Dreieick zusammen. Die Rasenbank wiederum scheint sich in der realen Weit
jenseits der Bildränder fortzusetzen – sie schließt den Betrachter auf dem
kleinen umfriedeten Platz geradezu mit ein.
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Albrecht Dürer: Das Weiherhäuschen an der Pegnitz bei St. Johannis (um 1496/97); London, British Museum
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Hinter den regelrecht aufflammenden
Grasbüscheln der Rasenbank dehnt sich ein breiter Flusslauf bis zu einer winzigen
Stadt am fernen Horizont. Der steile Fachwerkbau am rechten Ufer hat sein
Vorbild in dem Weiherhäuschen, das Dürer um 1496 in der Umgebung Nürnbergs auf
einem Aquarell festgehalten hatte. Das zeitgenössische Bauwerk, in dem Bewohner
des Nürnberger Raums die heimische Region wiedererkannt haben dürften, versetzt
die heilsgeschichtliche Darstellung in die unmittelbare Gegenwart des
Betrachters. In der heute im British Museum aufbewahrten Studie sind auch die
Kopfweiden, die Grasbüschel und die dunklen Wolken schon vorhanden, die die
idyllische Szene verdüstern. Sturmwind zaust die Baumwipfel und treibt eine
Gewitterwand nach links – eine Bewegung, die mit der Figurengruppe
korrespondiert. An die Stelle des schematischen Wolkensaums in der Heiligen Familie mit der Libelle sind
nach der Natur studierte Wolkenbildungen getreten. Auch die Meerkatze geht auf
eine Naturstudie zurück.
Diese naturalistischen Motiv verbinden
sich jedoch mit traditioneller Bildsymbolik: So erscheint der Affe in der
christlichen Ikonografie häufig in Begleitung Evas und verkörpert die
ungezügelten Triebe, das Laster, das Böse, sogar den Teufel selbst, der durch Christi
Tod und Auferstehung überwunden wird. Das Weiherhäuschen könnte möglicherweise als
Mariensymbol gemeint sein, als „Turm Davids“ (Hoheslied 4,4); der Gürtelknoten
darf als Zeichen der unbefleckten Empfängnis Mariens gedeutet werden. Der Singvogel,
mit dem der Jesusknabe spielt, symbolisiert die auferweckte, befreite Seele,
die zum Himmel aufsteigt und so zu Gott gelangt. Er wird damit zum Sinnbild für
die Erlösungtat Christi. Der Schnuller, den das Kind dem Vogel reicht, ist auch
als Anspielung auf den mit Essig getränkten Schwamm zu verstehen, den Jesus am
Kreuz selbst einmal erhalten wird. Und die düsteren Wolken, von einem kräftigen
Windstoß bewegt, könnten auf den Leidensweg Christi vorausweisen. Der in sich
gekehrte, ebenso liebevolle wie ernste Blick Mariens deutet ebenfalls darauf
hin, dass sie die Passion ihres Sohnes vorausahnt. Das geschlossene Buch, auf
das sie ihre linke Hand gelegt hat, repräsentiert die Prophetenworte der
Heiligen Schrift, die das Leiden und Sterben des Erlösers voraussagen.
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Lorenzo di Credi: Madonna di Piazza (um 1474/1486); Pistoia, Dom
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Immer wieder wurde darauf hingewiesen,
dass Dürers Maria mit der Meerkatze
einen italienisch anmutenden Madonnentypus zeigt, der mit dem fränkischen
Weiherhäuschen kontrastiert und eher in eine Marmornische passt ... Er wird
einhellig als Folge von Dürers erster Italienreise und seiner
Auseinandersetzung mit der Malerei des Quattrocento gewertet. Als wichtige
Anregung gilt die Madonna mit Kind und
Heiligen von Lorenzo di Credi (1459–1537) im Dom zu Pistoia. Vor
allem an der Figur des Kindes ist ablesbar, dass Dürer angespornt ist, sich mit
den Proportionen des menschlichen Körpers zu beschäftigen. Und entsprechend dem
italienischen Vorbild bleibt die Mariengestalt in hoheitsvoller Distanz zum
Betrachter.
Literaturhinweise
Preising, Dagmar u.a. (Hrsg.):
Albrecht Dürer. Apelles des Schwarz-Weiß. Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen 2004,
S. 185-187;
Schneider, Erich (Hrsg.): Dürer als Erzähler.
Holzschnitte, Kupferstiche und Radierungen aus der Sammlung-Otto–Schäfer-II.
Ludwig & Höhne, Schweinfurt 1995, S. 32;
Schoch, Reiner: Maria mit der Meerkatze,
um 1498. In: Mende, Matthias u.a. (Hrsg.): Albrecht Dürer.
Das druckgraphische Werk. Band I: Kupferstiche und Eisenradierungen. Prestel
Verlag, München 2000, S. 70-72;
Sonnabend, Martin (Hrsg.):
Albrecht Dürer. Die Druckgraphiken im Städel Museum. Städel Museum, Frankfurt
am Main 2007, S. 84;
Sonnabend, Martin: Vor Dürer. Kupferstich wird Kunst. Deutsche und niederländische Kupferstiche des 15. Jahrhunderts aus der Graphischen Sammlung des Städel Museums. Sandstein Verlag, Dresden 2022, S. 272-276.
(zuletzt bearbeitet am 11. März 2023)
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