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Jacques-Louis David: Tod des Marat (1793); Brüssel, Königliche Museen der Schönen Künste (für die Großansicht einfach anklicken)
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Jacques-Louis David
(1748–1825) war 1789 ein entschiedener Parteigänger der französischen
Revolution, und zwar des kleinbürgerlich-radikalen Flügels der Jakobiner. Er
stand an der Seite Robespierres, wurde darum nach dessen Hinrichtung 1794
verhaftet, dann aber wieder freigelassen. Fortan war er der bevorzugte Maler
des Generals Bonaparte und wurde nach dessen Ausrufung zum Kaiser der Franzosen
als Napoleon I. (1804) sein Hofmaler.
Als Jakobiner hatte Jacques-Louis
David engen Kontakt zu Jean-Paul Marat, der als führendes Mitglied des Konvents
mit größter Entschiedenheit den Tod Ludwig XVI. forderte. 1744 in Boudry bei
Neuchâtel geboren und in protestantischem Geist erzogen, hatte Marat Medizin
studiert, sich danach aber vorwiegend publizistisch betätigt. Marat war ein vehementer
Verfechter der Volkssouveränität; mit seinen Blättern Publiciste Parisien (das seit dem 12. Dezember 1789 erschien) und L’Ami du peuple erreichte er die
revolutionären Massen, die ihn über alles verehrten. Er galt als Haupturheber
der Septembermorde, bei denen 1792 über 1200 inhaftierte Revolutionsgegner und
auch andere Gefängnisinsassen massakriert wurden. Deswegen beschloss der
Nationalkonvent in seiner ersten Sitzung auf Betreiben der Girondisten, der
großbürgerlich-gemäßigten Revolutionspartei, Marat vor das Revolutionstribunal
zu stellen. Am 24. April 1793 erschien Marat vor Gericht, trat aber nicht wie
ein Beschuldigter, sondern als Ankläger auf – und wurde freigesprochen. Die Volksmassen
bejubelten ihn; triumphal kehrte er in den Nationalkonvent zurück.
In dieser Situation
glaubte eine junge Aristokratin aus der Normandie, Charlotte Corday, die
Vorherrschaft der Jakobiner nur durch ein Attentat auf Marat brechen zu können.
Zunächst wurde sie zu Marat, der unter einem Hautausschlag litt und
deswegen stundenlang in einer Sitzbadewanne lag, um sich Linderung zu
verschaffen, nicht vorgelassen. Schließlich erlangte sie am 13. Juli 1793 durch
einen ihm zuvor zugestellten Brief, in dem sie um eine Unterredung bat, doch
noch Zutritt zu Marat. Charlotte Corday berichtete ihm von einer Verschwörung
und nannte ihm die Namen – dann zückte sie einen Dolch und erstach ihn.
Der Mord löste größte
Empörung aus; Marat galt sofort als Märtyrer der Revolution. Man ordnete eine
pompöse Leichenfeier an, und David, der schon im Konvent eng an der Seite
Marats gestanden hatte und zu diesem Zeitpunkt gerade Präsident der Jakobiner
war, wurde mit der Ausrichtung der Aufbahrungszeremonie beauftragt. Außerdem
erklärte sich David bereit, ein Bild des toten Marat zu malen. Bereits drei
Monate danach war die Arbeit abgeschlossen. Die Massen strömten in sein
Atelier, um das Gemälde zu sehen, wo es neben dem Bildnis des zuvor ermordeten
Le Peletier ausgestellt war. Dann wurden beide Bilder in den Louvre überführt,
wo das Volk an ihnen vorbeidefilierte. Danach gelangte es in den Konvent, dem
David es übereignet hatte. Doch dort blieb es nur bis zum Februar 1795: Die
Revolution war in eine neue Phase übergegangen; man hatte dem jakobinischen Terreur unter Robespierre Einhalt
geboten und Davids Bild wieder aus dem Konvent entfernt.
Jacques-Louis David rückt
den sterbenden Marat (er selbst hat sein Bild Marat à son dernier soupir
genannt) nah an den Betrachter heran. Nicht den Anschlag zeigt er, sondern
dessen Resultat, zusammen mit Indizien, durch die sich die Tat rekonstruieren
lässt. Die Attentäterin tritt nicht auf. Alles ist auf den Märtyrer der Revolution
konzentriert; die melodramatischen Einzelheiten des Geschehens sind „zugunsten
einer ebenso feierlichen wie eisigen Stille verbannt“ (Sauerländer 1983, S.
69). Die Wanne, in der Marat liegt, ist als solche kaum erkennbar; streng
parallel zu den horizontalen Bildrändern eingefügt, erinnert sie viel eher an
einen Sarkophag. Auf der Wanne liegt eine mit grünem Filz bedeckte Holzplatte,
die Marat als Schreibunterlage diente. Auch die aus einfachem Holz gezimmerte
Kiste, auf der das bleierne Tintenfass steht sowie Feder, Papier und eine
Assignate liegen, „ist durch diese rektanguläre Struktur bestimmt“
(Schneider 2010, S. 175). David hat sie mit der Maserung der Bretter, mit
Rissen und Nägeln täuschend echt wie auf einem Trompe-l’œil-Bild wiedergegeben;
sie steht „gleich einem Opferaltar vor der Wanne“ (Sauerländer 1983, S. 69).
Und als ob diese ärmliche Kiste tatsächlich eine Art Denk- oder Grabstein wäre,
sind in das Brett die lakonischen Worte „À MARAT. DAVID. L’AN
DEUX“ eingeschnitzt.
Die Raumsituation
selbst ist äußerst unbestimmt: Von der Fachwerkgliederung der hohen Wände des
Zimmers und der Holzdecke, die auf vielen Stichen ausführlich wiedergegeben
wird, ist nichts zu sehen. Stattdessen erscheint der in vibrierenden Flecken
gemalte Hintergrund, der mehr als die Hälfte des Bildes einnimmt, gänzlich
neutral. David will zeigen, in welch ärmlich-spartanischer Umgebung sich der unermüdliche Ami du peuple für die Revolution eingesetzt hat. Das Licht fällt von schräg oben ins Bild, erhellt Teile der Wand, die
Wanne, die Kiste und vor allem Gestalt und Antlitz Marats. Der Betrachter
blickt von unten zu dem Sterbenden auf. „So ungeschönt, so reportagehaft genau
die Situation widergespiegelt scheint, eine überlegte Inszenierung arbeitet im
Gegensinne an der Erhöhung und Verklärung des sterbenden Märtyrers der
Revolution. Das Gemälde ist so beides: Reportage und Epitaph“ (Sauerländer
1983, S. 70). Marat scheint in dem Moment wiedergegeben zu sein, in dem der Tod eintritt, und wirkt gleichzeitig wie schon aufgebahrt und dem Betrachter dargeboten. Eine stilisierende Absicht ist sicherlich auch darin zu sehen, dass David seinen Marat entgegen der historischen Wahrheit nackt in der Badewanne zeigt: Laut Kriminladossier war er bei seiner Ermordung mit einem „peignoir“ bekleidet, einer Art Bademantel. Das blutbefleckte Hemd befand sich dann auch unter den Reliquien, die bei Marats Aufbahrung zur Schau gestellt wurden.
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Gegenübergestellt: die Waffe der Mörderin und die Feder Marats |
Der Sterbende, der in der Linken noch den Brief Charlotte Cordays hält und in
der herabgefallenen Rechten den Federkiel, mit der er soeben noch geschrieben
hatte, ist auf ein weißes Leinentuch zurückgesunken. Das horizontal liegende Haupt
ist von einer turbanähnlichen Kompresse umhüllt, mit der Marat in der damaligen
unerträglichen Julihitze seine Kopfschmerzen zu lindern versuchte. Auf den Mord
weist, zunächst nicht ins Auge springend, der am Boden liegende, blutbeschmierte
Dolch hin, von dem nur der Griff beleuchtet ist, während die Klinge im Schatten
verschwindet. Die Waffe der Mörderin bildet das Gegenstück zur Feder Marats, der mit ihr allein dem Wohl der Menschheit dienen wollte – so die unmissverständliche Botschaft dieser Gegenüberstellung.
Auch die unterhalb des Schlüsselbeins liegende
Stichwunde liegt im Schatten; das ausgetretene Blut ist nur sparsam angedeutet.
Einige Tropfen rinnen aus der Wunde, das über die Wanne gelegte Tuch ist nur im
oberen Bereich von Blut befleckt. Das rot gefärbte Wasser in der Wanne wird nur
in einem kleinen Ausschnitt zwischen der Brust Marats und dem Schreibbrett
sichtbar. David hat alles vermieden, was dieser in sich zusammensinkenden Gestalt,
„diesem lautlosen und lächelnden Pathos des Sichopferns“ (Sauerländer 1983, S.
72) die Würde hätte nehmen können, an Stelle von verehrendem Mitgefühl die
krude Neugier für die sensationelle Seite des grausigen Geschehens hätte aufkommen
lassen.
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Marats letzter Atemzug |
Entkräftet ist der
Sterbende gegen den vorderen Rand der Wanne gesunken, das Haupt dem Betrachter
entgegengewandt und auf die Kante des schuhförmigen Beckens gelegt. Ein paar
Haarbüschel hängen in die breite, kräftige Stirn. Müde sind die Lider gesenkt,
die Augen noch eben geöffnet. Noch ist der Blick nicht gebrochen; noch atmet
der tödlich Verwundete, wie die Stellung des Mundes verrät. Es ist tatsächlich Marat à son dernier soupir. Der linke
Arm Marats liegt ermattet auf dem Schreibbrett über der Wanne; die linke
Schulter ist wie die rechte vom Licht getroffen, der verkürzte linke Oberarm
verschattet; der Unterarm und die Gegenstände in seiner Nähe sind allerdings hell
beleuchtet: die Schreibbögen, die sich unter der Last des fast ganz
bildparallel aufruhenden Unterarms wellen, und die Hand mit dem großen
beschriebenen Blatt, das noch zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten wird.
Die Schriftzüge lassen sich deutlich lesen: „Du 13 juillet 1793. Marie Anne
Charlotte Corday au citoyen Marat. Il suffit que je sois bien malheureuse pour
avoir droit à votre bienveillance“.
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Das Schreiben der Charlotte Corday, das sie gar nicht übergeben hatte |
David weicht hier
gleich zweifach von der Wahrheit ab: Nicht nur der Text des Schreibens von Charlotte
Corday ist verändert, sondern wir wissen auch, dass dieses Billet von der Attentäterin zwar verfasst, aber gar nicht übergeben wurde. Der Künstler hat diese
Bittschrift in die Hand des Sterbenden gelegt, weil auf diese Weise die Legende
vom Ami du peuple als dem Beschützer
der Armen und Unglücklichen propagiert werden konnte. Andererseits betont David
damit die hinterhältige Infamie des konterrevolutionäres Mordanschlages, der die
sprichwörtliche Hilfsbereitschaft des Volksfreundes schmählich ausnutzte. „Hier schlägt
die Bildreportage in die sentimentale Agitation um, die Aufdringlichkeit der
parteiischen Hagiographie“ (Sauerländer 1983, S. 71). Darüber hinaus ist das
Billet auch bildökonomisch bedeutsam, denn David kann durch die erfundene
Übergabe die Ruchlosigkeit der Tat sichtbar machen, ohne die Täterin zeigen zu
müssen.
Vorne auf der Kiste
liegt unter einer Assignate, dem während der Französischen Revolution
verwendeten Papiergeld, ein zweites Schriftstück. Es wellt sich in einem
weiteren Trompe-l’œil-Effekt
dem Betrachter entgegen und wirft dabei einen Schatten auf das Holz. Wieder ist
die Schrift so angebracht, dass sie Neugier wecken muss und zur Entzifferung
einlädt. Zu lesen ist: „Vous donnerez cet assignat à la mère de cinq enfants,
dont le mari est mort pour la défense de la patrie“. Nun ist nirgends in den Nachrichten über das
Attentat eine Erwähnung dieser mildtätigen Anweisung des Ami du peuple zu finden. Es scheint sich um eine freie Erfindung
Davids zu handeln. Sie entspricht allerdings einem bezeugten politischen
Kontext: Am 4. Juni – etwa einen Monat vor seiner Ermordung – hatte Marat vom
Wohlfahrtsausschuss Hilfsmaßnahmen für die Familien der Combattants, der Kämpfer für das Vaterland, gefordert. So folgt
diese zweite Zugabe Davids, die Assignate und die Anweisung zu ihrer Auszahlung
an die Kriegerwitwe, belegten Fakten und ist nicht einfach willkürliche oder
wahrheitswidrige Erfindung. „Umso mehr macht dieses freie Zitat noch einmal
sichtbar, daß David unter dem täuschenden Anschein der bloßen Tatortreportage
eine gefühlsbeladene Ikone für den Ami
du peuple aufgerichtet hat“ (Sauerländer 1983, S. 71). Die Waffe der Feder
für das Glück des Volkes einsetzend, betrogen in seiner Hilfsbereitschaft für
die Notleidenden, stirbt Marat als Opfer des konterrevolutionären Meuchelmordes
– so will der Maler den zum Märtyrer gewordenen Publizisten der Nachwelt
überliefern.
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Michelangelo: Pietà (1498/99); Rom, St. Peter
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Raffael: Grabtragung Christi (1507); Rom, Galleria Borghese |
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Jacopo Pontormo: Grabtragung Christi (1526-28); Florenz, Santa Felicità
(für die Großansicht einfach anklicken) |
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Caravaggio: Grablegung Christi (1603/04); Rom, Pinacoteca Vaticana |
Immer schon ist gesehen
worden, dass David sich bei seinem Tod des Marat am Typus der Pietà
anlehnt, etwa der von Michelangelo, bei der Christi Arm ebenfalls
schlaff herabgesunken ist (1498/99; siehe meinen Post „Tief schlafend oder tot?“), oder auch Raffalels Grablegung Christi (1507; siehe meinen Post „Zu Tode betrübt“), Jacopo Pontormos Grabtragung Christi (um 1528; siehe meinen Post „Grazie im Angesicht des Todes“) und Caravaggios Grablegung Christi (1603/04; siehe meinen Post „Dies ist mein Leib“). Willibald Sauerländer betont vor
allem, dass Marat in einer Pose wiedergegeben wird, die sich seit dem
griechischen Altertum für die Wiedergabe von toten Helden eingebürgert hatte
und die mit dem antiken Erbe auch ins christliche Bildgut eingegangen war: „Mit anderen Worten, so kann der
gefallene Patroklos, so kann aber auch der tote christliche Heiland im Schoß
seiner Mutter dargestellt werden“ (Sauerländer 1983, S. 74). David hatte
früher schon ein Gemälde mit antiker Thematik geschaffen, bei dem der erschlagene Held
Hektor bildparallel aufgebahrt ist und von Andromache beklagt wird (1783).
Sauerländer schließt aber eine unterschwellige christliche Aussage des Marat-Bildes
aus.
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Jacques-Louis David: Andromache beweint Hektor (1783); Paris, Louvre |
Dem widerspricht
Klaus Herding: David gehe es sowohl um Antikenannäherung als auch um das
Wachrufen christlicher Tradition; er ziele „auf ein volkstümliches und ein
bildungsgesättigtes Publikum, auf ein in antikischen und eine in christlichen
Denkbahnen verankerte Wahrnehmung ab“ (Herding 1983, S. 92). Der Ami du peuple sei wie der ein egalitäres
Christentum propagierende Jesus eine Identifikationsfigur der Armen: Erlöser
und Ami du peuple verschmelzen in
Davids Bildargumentation. Marat war im Herbst 1793 die bedeutsamste
Symbolfigur, so Herding, „welche Regierung und Volk, dem Anspruch nach
revolutionäre Humanisten und revolutionäre Christen, zusammenhalten konnte. So
gab David dem Volk, was des Volkes war, seinen Jesus-Marat, und dem Konvent, was des Konvents war, seinen Patroklus-Marat. (...) Indem David
seinen Marat beiden Denkmodellen
anverwandelte, wahrte er eine imaginäre Balance zwischen Antike und Christentum
just zu dem Zeitpunkt, wo die Revolution zu scheitern drohte. Für den
Moderantisten David war dieses Bild der letzte Versuch vor dem herannahenden
Terror, mit der bindenden Gestalt des Marat das Volk und seine Repräsentanten
zur Einheit zu rufen“ (Herding 1983, S. 105/106).
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Paul Baudry: Charlotte Corday (1860/61); Nantes, Musée des Beaux-Arts
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1861 erregte im Pariser Salon ein Gemälde des französischen Malers Paul Baudry (1828–1886) großes Aufsehen, das als Gegenentwurf zu Davids Komposition gelten kann: Es stellt die Mörderin Charlotte Corday in den Mittelpunkt und verherrlicht sie als Heroine, sozusagen als „neue Judith“. Zum Bildmotiv macht Baudry den kurzen Augenblick nach der Tat – das Messer steckt noch in der Brust des mit dem Tod ringenden Marat – und vor der Festnahme der Corday. Dabei nutze der Maler den formalen Kunstgriff des perspektivisch verkürzt dargestellten Opfers in seiner Wanne, so Gabriele Sprigarth, um einen Rollentausch vorzunehmen. Denn durch diese Verzerrung und Entstellung zum „Ungeheuer“ werde das Verbrechen gerechtfertigt und „die Metamorphose der Mörderin zur Heldin bewerkstelligt“ (Sprigath 1975, S. 212). Baudrys Gemälde erhält auf diese Weise eine unverhüllt konterrevolutionäre Aussage. |
Jacques-Louis David (Werkstatt): Tod des Marat (1800); Paris, Louvre
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Jacques-Louis David ließ übrigens unter seiner Aufsicht im eigenen Atelier insgesamt vier Repliken seines Marat anfertigen; sie befinden sich heute im Schloss von Versailles, im Louvre sowie in den Kunstmuseen von Reims und Dijon. |
Edvard Munch: Der Tod des Marat I (1907); Oslo, Munchmuseet
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Edvard Munch: Der Tod des Marat II (1907); Oslo, Munchmuseet
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Der norwegische Maler und Grafiker Edvard Munch (1863–1944) schuf 1907 zwei Gemälde mit dem Titel Der Tod des Marat. Beide Werke greifen die Thematik von Davids Bild auf, zeigen aber neben dem Erstochenen auch die Mörderin und beide Figuren gänzlich nackt. Munch interessiert sich jedoch weder für die damaligen politischen Hintergründe noch für die Details des Verbrechens. Beide Gemälde spiegeln vielmehr die äußerst spannungsvolle Beziehung zwischen dem Künstler und seiner Verlobten Tulla Larsen, die 1902 dazu geführt hatte, dass Munch sich im Zustand heftiger Erregung mit einem Revolver in die linke Hand geschossen hatte. Entscheidend scheint für Munch zu sein, dass auch hier eine Frau einen Mann vernichtet; dokumentiert werden soll die unüberwindbare Gegensätzlichkeit der Geschlechter und die Unmöglichkeit echter Nähe zwischen ihnen. |
Edvard Munch: Marat und Charlotte Corday (um 1930); Olso, Munchmuseet
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Viele Jahre später kommt Munch noch einmal auf das Marat-Thema zurück. Um 1930 stellt er den nackten Mann in der Badewanne dar, während die bekleidete Frau, uns frontal zugewandt, eine Waffe unter einem Blumenstrauß verbirgt. Nun ist es die Rekonstruktion des historischen Geschehens, die Munch beschäftigt und die er in neuer Farbigkeit und entspannter Pinselschrift wiedergibt.
Literaturhinweise
Brötje, Michael: J.L. David „Der Tod des Marat“. Zur Transzendierungsqualität des Kunstwerks. In: Daniel Hees/Gundolf Winter (Hrsg.), Kreativität und Werkerfahrung. Festschrift für Ilse Krahl zum 65. Geburtstag. Gilles & Francke Verlag, Duisburg 1988, S. 25-40;
Busch, Werner: Das sentimentalische Bild. Die
Krise der Kunst im 18. Jahrhundert und die Geburt der Moderne. Verlag C.H.
Beck, München 1993, S. 80-91;
Gaethgens, Thomas W.: Davids Marat (1793) oder
die Dialektik des Opfers. In: Alexander Demandt (Hrsg.), Das Attentat in der Geschichte.
Böhlau Verlag, Köln 1996, S. 187-213;
Herding, Klaus: Davids »Marat« als dernier appel à
l’unité révolutionnaire. In: IDEA II (1983), S. 89-112;
Kruft, Hanno-Walter: An antique model for David’s »Death
of Marat«. In: The Burlington Magazine CXXV (1983), S. 605-607;
Lankheit, Klaus: Jacques-Louis David. Der Tod des
Marat. Phillip Reclam Verlag, Stuttgart 1962;
Müller-Westermann, Iris: Edvard Munch, Marats Tod, 1902-1930. In: Dietmar Elger (Hrsg.), Die Metamorphosen der Bilder. Sprengel Museum, Hannover 1992, S. 224-233;
Sauerländer, Willibald: Davids »Marat à son
dernier soupir« oder Malerei und Terreur. In: IDEA II (1983), S. 49-88;
Schneider, Norbert: Historienmalerei. Vom Spätmittelalter
bis zum 19. Jahrhundert. Böhlau Verlag, Köln 2010, S. 172-177;
Sprigath, Gabriele: Paul Baudrys
›Charlotte Corday‹
im Pariser Salon von 1861. In: Städel-Jahrbuch 5 (1975), S. 201-226;
Traeger, Jörg: Der Tod des Marat. Revolution des
Menschenbildes. Prestel Verlag, München 1986.
(zuletzt bearbeitet am 1. August 2024)