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Bernwardtür (1015); Hildesheim, Dom (für die Großansicht anklicken)
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Im Jahr 1015
gab Bischof Bernward (Amtszeit 933–1022) zwei große bronzene Türflügel in
Auftrag – umstritten ist, ob für seine Hildesheimer Grabeskirche St. Michael
(siehe meinen Post „Schlüsselwerke mittelalterlicher Baukunst“) oder von Anfang
an für den westlichen Eingang des Hildesheimer Doms. Das monumentale Bronzewerk
ist nach seinem Stifter benannt und nimmt unter den mittelalterlichen Türen
einen besonderen Rang ein: Die Höhe der Bernwardtür beträgt 4,72 Meter – damit ist
sie die größte ihrer Epoche. Sie ist die älteste figürlich geschmückte
Bronzetür des Mittelalters mit einem der wahrscheinlich frühesten plastischen
Groß-Bildzyklen nördlich der Alpen. Darüber hinaus gilt sie als eines der
kühnsten Stücke mittelalterlichen Erzgusses überhaupt: Jeder ihrer Flügel wurde
in einem Stück aus Bronze gegossen.
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Wolfstür am Aachener Dom (um 800)
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Holzportal in Sta. Sabina, Rom (um 430)
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In einem
Stück gegossene Bronzetüren ohne figürlichen Schmuck hatte um 800 Karl der
Große in Aachen anfertigen lassen, um 1009 dann Erzbischof Willigis für den
Mainzer Dom. Die Bernwardtür jedoch übertraf sie nicht nur durch ihre gewaltige
Höhe, sondern auch durch die Reliefs, die die Hildesheimer Bronzetür zu einem
monumentalen Bildwerk machen. Sowohl die Aachener wie die Mainzer Türen dürften
Bernward bekannt gewesen sein, möglicherweise auch die spätantiken Holztüren in
S. Ambrogio in Mailand aus dem 4. Jahrhundert und in Sta. Sabina auf dem
Aventin in Rom aus den Jahren um 430 mit geschnitzten figürlichen Bildfeldern,
wobei auf der römischen Tür sogar Ereignisse aus dem Alten und dem Neuen Testament
gegenübergestellt waren.
In ungewöhnlicher Plastizität wird in 16 Feldern die
biblische Heilsgeschichte vor Augen geführt. Das Hochrechteck des äußeren
Flügelrahmens ist jeweils in acht querrechteckige Bildfelder unterteilt, die
durch eine breite Mittelleiste nochmals in Vierergruppen gegliedert werden. Im
zweiten und dritten Feld überschneiden Löwenköpfe mit Zugringen die
Trennungsleisten. Sie sind zum Schließen der Türen gedacht und wurden zusammen
mit den Türflügeln gegossen. Die Bildfolge des linken, alttestamentarischen
Flügels erzählt, von oben nach unten gelesen, die Erschaffung des Menschen, die
Zusammenführung von Adam und Eva, den Sündenfall, die Verurteilung und
Vertreibung aus dem Paradies, das Erdenleben, das Opfer von Kain und Abel und
den Brudermord. Der rechte Flügel sind, von unten aufsteigend, neutestamentliche
Szenen mit dem Erlösungswerk Christi dargestellt: die Verkündigung an Maria, die
Geburt Christi, die Anbetung der Könige, die Darbringung im Tempel,
Verurteilung und Kreuzigung Christi, das leere Grab und die Erscheinung des
Auferstandenen vor Maria Magdalena. Inhaltliche und kompositionelle Entsprechungen
sind deutlich: Neben dem Sündenfall steht die Erlösung durch den Kreuzestod
Christi im dritten Feld von oben. Dem Verhör der sündig gewordenen Stammeltern
entspricht die Szene „Christus vor Pilatus“. Der ihre erstgeborenen Sohn
nährenden Eva auf der linken Tür wird rechts die Gottesmutter mit dem Jesuskind
auf dem Schoß aus der „Anbetung der Könige“ entgegengesetzt.
Wenn die Türflügel zunächst für St. Michael vorgesehen
waren, dann ließ sie in den dreißiger Jahren des 11. Jahrhunderts Bernwards
Nachfolger, Bischof Godeward, von dort in den Dom überführen und in eine glatte
Wand einfügen. Dort überstand die Tür den Dom-Brand von 1046 unbeschadet. Dem
Bombenangriff auf Hildesheim am 22. März 1945 entgingen die Türflügel nur, weil
sie bereits knapp drei Jahre zuvor zusammen mit zahlreichen anderen Kunstwerken
der Ausstattung ausgelagert worden waren. Um die kostbaren bronzenen Türen vor
Umwelteinflüssen zu schützen, wurden beide Flügel im Zuge des Dom-Wiederaufbaus
nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Bildflächen nach innen gedreht. Nach
Abschluss der Sanierungsarbeiten hat die Bernwardtür wieder ihren
ursprünglichen Standort eingenommen: am Eingang zum Inneren des Doms. Eine
Vorhalle im Westwerk sorgt dafür, dass die nach außen zeigenden Bildwerke nicht
der Witterung ausgesetzt sind.
Die einzelnen Figuren auf den 16 Bildfeldern weisen
unterschiedliche Relieftiefen auf: Einmal verschmelzen sie fast mit dem
Hintergrund und wirken dann wieder wie auf die Bildfläche aufgesetzt. Aber alle
greifen mit Schultern und Kopf in den Raum hinein, heben sich mit diesen
Körperteilen weit vom Reliefgrund ab und werden zu vollplastischen Gestalten.
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Die Erschaffung Adams
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Im ersten Relief
mit der Erschaffung Adams (1. Mose 2,4-25) führen diagonal entwickelte Rankengewächse
auf die Hauptgruppe zu: Nach dem Bibeltext ist es Gottvater, der Adam seinen
Odem einhaucht. Sein Kreuznimbus lässt allerdings vermuten, dass nicht Gottvater
als Schöpfer gezeigt werden soll, sondern der göttliche Logos, das in Christus
menschgewordene Wort des Vaters, von dem der Prolog des Johannes-Evangeliums
sagt, dass alles durch dieses Wort gemacht geworden ist (Johannes 1,1-3).
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Zuführung Evas
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Schon auf dem ersten Bildfeld, stärker noch in der nach
rechts versetzten, Haupt- und Nebenszene trennenden Blütenpflanze, wird
deutlich, wie Ornamentales in die Darstellung einbezogen ist. Bei der Figur am
rechten Rand des Bildfeldes handelt es sich ebenfalls um Adam, der in
Adorantenhaltung Gottvater bzw. Christus als Logos und seinem Schöpfungswerk huldigt.
In der „Zuführung Evas“ im zweiten Bildfeld ist Gottvater/Christus durch seine
menschliches Maß überragende Größe ausgezeichnet. Behutsam die Rechte auf Evas
Schulter legend, geleitet er sie zu Adam. Die beiden Urmenschen wiederum
scheinen nur Augen für ihr Gegenüber zu haben und von ihrem Schöpfer gar keine
Notiz zu nehmen.
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Der Sündenfall
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Der „Sündenfall“ (1. Mose 3) im dritten Bildfeld muss von
rechts nach links gelesen werden. Am rechten Rand steht der mit Äpfeln behangene
Baum der Erkenntnis. Die Schlange hat sich um dessen Stamm geschlungen und
einen Apfel mit dem Maul gepackt, um ihn Eva anzubieten. Eva, mit Beinen und
Unterkörper dem Reptil zugewandt, kehrt Kopf und Arme Adam zu und reicht ihm
gleich mit beiden Händen Früchte vom verbotenen Baum. Der Apfel „vervielfältigt“
sich sozusagen, wandert von der Schlange zu Eva und weiter zu Adam; die Stadien
des Sündenfalls werden also synchron dargestellt. Außer der Schlange im rechten
Baum beobachtet im Baum hinter dem Rücken Adams ein Drachen das Geschehen – ein
in der Bildtradition nicht bekanntes Motiv.
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Gericht über Adam und Eva
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Dem Sündenfall folgen im nächsten Relief Verhör und
Verurteilung der Stammeltern durch Gottvater. Seine Figur ist nach rechts
geneigt, der ausgestreckte Zeigefinger der linken Hand richtet sich zürnend auf
den schuldbewusst und ängstlich gebeugten Adam. Der wiederum weist mit zwei
Fingern seiner unter dem linken Arm durchgeschobenen rechten Hand auf Eva, um
von der eigenen Verfehlung abzulenken und sie als die eigentlich Sünderin
hinzustellen. Eva schließlich, noch stärker zusammengekrümmt als Adam, zeigt
mit ihrer linken Hand auf den am Boden sitzenden Teufel, der hier nicht als
Schlange, sondern als Mischwesen mit Drachenkopf und Flügeln dargestellt ist.
Unmittelbare Folge des Sündenfalls ist, dass die Ureltern sich als nackt
erkennen und mit einem großen Blatt ihre Scham bedecken, Adam mit der linken,
Eva mit der rechten Hand.
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Vertreibung aus dem Paradies
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In der Vertreibungsszene dominiert der Engel mit seinem
(heute teilweise abgebrochenen) Schwert die linke Bildhälfte, die durch Rankengewächse
als Garten Eden gekennzeichnet ist. In Haltung und Gebärde hat der Engel die
Rolle Gottvaters übernommen. Auf sein „Hinaus!“ reagiert die sich
zurückwendende Eva mit der unausgesprochenen Frage, ob dieser Richtspruch
wirklich endgültig sei, während Adam schicksalsergeben aus dem Paradies
schleicht. „Spätestens bei diesem Bild wird ablesbar, wie sehr auch die
Pflanzen, deren Blattspitzen sich welk zu Boden wenden, der Intensivierung und
Ausdeutung des szenischen Gehalts nutzbar gemacht werden“ (Kahsnitz 1993, S.
507). Erstmals wird auf der rechten Seite nun Architektur ins Relief
eingeführt, die aber ganz flächenhaft bleibt.
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Das Erdenleben der Stammeltern
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In das sechste Bildfeld ragt fast mit seiner ganzen
Kreisform das Rund eines Löwenkopfes hinein; geschildert das Erdenleben der ersten
Menschen. Adam, am linken Bildrand platziert, blickt in gebeugter Haltung und mit
erhobener Hacke zu einem Engel empor, der ihn anweist, wie er das Feld zu
bebauen hat. An die Stelle der reich sich entfaltenden Paradiesbäume ist ein
kleiner, in sich geschlossener, abweisender Strauch getreten. Die rechte Seite des
Reliefs wird von Eva eingenommen, die unter einer laubenartigen, an zwei Bäumen
befestigten Stoffdrapierung sitzt und dem Kind auf ihrem Schoß die Brust gibt. In
strenger Frontalität wölben sich Kopf und Oberkörper der Urmutter nach vorne. In
dieser Figurengruppe scheinen geradezu alle späteren plastischen Sitzmadonnen
vorgeformt zu sein.
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Das Opfer der Söhne
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Der Brudermord Kains
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Es folgen nun auf dem linken Türflügel noch das „Opfer der
Söhne“ und der „Brudermord Kains“ (1. Mose 4,1-16). Zwischen Abel, der auf
verhüllten Armen sein Opferlamm heranträgt, und dem seine Ährengabe in den
Händen haltenden Kain erscheint in bildbeherrschender Ellipse die Hand Gottes.
Während der jüngere Sohn zu der göttlichen Erscheinung aufblickt, wirkt Kain
unbeteiligt. „Wie ein weites Segel umfängt ihn der im Wind auffliegende Mantel“
(Grimme 1985, S. 29). Die Richtung der Gotteshand und die sich ihr öffnende
Pflanze vor Abel, der zusammenschrumpfende, sich schließende Strauch vor Kain
deuten an, wessen Gabe angenommen und wessen verworfen wird. Ranken mit
ornamentalisierendem Blattwerk füllen die verbleibenden Bildflächen. Im letzten
Feld des Türflügels fehlen sie hingegen völlig. „Die Mordszene vertrug kein
schmückendes Beiwerk mehr“ (Grimme 1985, S. 29). Rechts sehen wir Kain, der mit
seiner erhobenen Keule auf den zu Boden stürzenden Bruder einschlägt – der
hinter ihm flatternde Mantel verdeutlicht die Wildheit seines Anschlags. Auf
der linken Seite steht Kain abermals, jetzt mit gesenktem Mordwerkzeug und mit
der Rechten seinen Mantel um sich hüllend, als wollte er sich gegen die aus den
Wolken herabfahrende Hand Gottes schützen.
Der Türflügel rechts mit den Szenen aus dem Neuen Testament
muss in umgekehrter Reihenfolge betrachtet werden. Hier wird die Erlösungsgeschichte
dem Sündenfall und seinen Folgen für die Menschheit gegenübergestellt. Anders
als auf dem linken Flügel sind die Felder stärker gefüllt. „Die leere Fläche
als eines der wichtigsten Kompositionselemente verliert an Bedeutung“ (Kahsnitz
1993, S. 507). Mehr Figuren als links, gelegentlich ganze Gruppen, treten
plastisch aus dem Grund heraus. Dabei stehen sie nicht mehr auf den unteren
Rahmenleisten, sondern auf flachen Bodenwellen oder auf kleinen Hügeln, die
sich unter den einzelnen Gestalten aufwerfen. Architektur, die im linken Flügel
nur in der Vertreibungsszene als Randmotiv vorkommt, taucht nun deutlich
häufiger und umfangreicher auf, besonders auffallend in den unteren drei
Rechtecken.
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Verkündigung an Maria
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Im untersten Feld bildet Architektur in flacher Reliefebene
die Kulisse, vor der Maria die Botschaft des Engels empfängt (Lukas 1,26-38). Gabriel
tritt von rechts heran; seine Linke hält einen Kreuzstab, der ausgestreckte
rechte Zeigefinger veranschaulicht als Redegestus sein Sprechen. Flach bleibt
der antikisch in Tunika und Pallium gehüllte Köper der Fläche verbunden, ebenso
die sich hinter dem Rücken nach links und rechts ausbreitenden Flügel. Nur der
Kopf steht frei vor dem Grund. Eine geöffnete Tür gibt Einblick in das Gemach
der Jungfrau. Maria ist von dem Faltstuhl, auf dem sie gesessen hat,
aufgestanden und kommt dem Engel entgegen. Wie in leiser Abwehr hat sie den linken
Arm mit der ausgebreiteten Hand vor den Körper erhoben. Die Rechte hält – sehr
ungewöhnlich – einen Palmzweig. Dieses Attribut, sonst das der Märtyrer, „muß
als Jungfräulichkeitssymbol verstanden werden, wobei die Wortähnlichkeit von virgo und virga auslösendes Element für solche Deutung gewesen sein dürfte“
(Kahsnitz 1993, S. 510).
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Geburt Christi
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Für die „Geburt Christi“ hat der Künstler ein stadtähnliches
architektonisches Szenarium mit Mauerumwallung, Säulenarkaden, Bogenstellungen
und Giebelbauten geschaffen. Maria ist in Aufsicht wiedergegeben und ruht auf
einem Lager. Blick und Handgebärden sind auf eine am Bettrand stehende Frau
bezogen, die angstvoll das Haupt auf ihre Rechte stützt, während sie die Linke
offensichtlich hilfesuchend Maria entgegenstreckt. Es ist vermutlich die
Hebamme Salome, von der die Legende berichtet, dass ihr wegen ihrer Zweifel an
Mariens Jungfräulichkeit die Hand verdorrt sei. Ihre Heilung galt als erstes
von Christus gewirktes Wunder. Die Krippe in der rechten Bildhäfte ist auf
Dachfirsthöhe der mehrgeschossigen Häuser im Hintergrund platziert. Christus
liegt kreuzförmig gewickelt in dem Trog (ein Verweis auf seinen späteren
Opfertod), an dessen Fußende ragen die Köpfe von Ochs und Esel aus dem
Reliefgrund auf. Christi Haupt ist von einem Kreuznimbus hinterfangen, die
rechte Hand weit geöffnet und auf Salome bezogen, die durch diese Geste geheilt
wird. Josef wiederum sitzt mit aufgestütztem Kinn in „Denkerpose“ auf einer
Thronbank.
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Anbetung der Könige
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Für die „Anbetung der Könige“ wird durch säulengestützte
Bogenläufe ein Raum angedeutet, in dem sich, von rechts heranschreitend, die
Weisen aus dem Morgenland der Mutter mit ihrem Kind nähern. Es sind
feingliedrige Gestalten, die mit ausgestreckten Händen ihre Gaben darreichen.
Der Mittlere weist mit seiner Rechten auf den Stern, der im Himmel über dem
Christuskind leuchtet, Maria ist den Königen zugewandt: „In kühner Bewegung
wachsen der Oberkörper und das Kind auf dem Schoß aus der Relieffläche heraus
und gewinnen plastisches Eigengewicht“ (Grimme 1985, S. 331). In den Schollen-
und Rankengrund des Bodens greift die Mähnenscheibe des Löwenkopfs mit dem
Türgriff ein und verdeckt die Beinpartie des ersten Königs.
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Darbringung Christi im Tempel
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Die „Darbringung Christi“ deutet den Tempel durch eine
Giebelarchitektur an, um deren tragende Säulen sich Vorhänge schlingen. In der
Mitte steht ein Altarblock, der den Ort der handlung angibt, an dem sich
Beschneidung und Opferung vollziehen. doch der eigentliche Vorgang ist in die
Bildmitte gerückt: Hier begegnen sich Maria und Simeon (Lukas 2,21-40), die das
Kind zwischen sich halten. Am rechten Bildrand verharrt Josef, der in seinen
ausgestreckten Armen die Opfertauben hält.
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Christus vor Herodes/Pilatus
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Die Bilderzählung wechselt nun von der Verehrung des Kindes
zur Verspottung Christi durch den gekrönten Herodes. Doch scheinen hier der
Vierfürst von Judäa und der römische Landpfleger Pontius Pilatus in einer Figur
dargestellt zu sein, um den Lukastext (23,9-11) illustrieren zu können. Von links
wird Jesus herangeführt. Der durch seine Größe bedeutungsmäßig herausgehobene Erlöser
hat das Haupt gesenkt. Rechts thront die „Doppelfigur“ Pilatus-Herodes unter
einer Bogenstellung des Palastes, im Profil gezeigt und der herankommenden
Dreiergruppe zugewandt. Zugeordnet ist ihm der Teufel in Gestalt eines Dämons
mit Schuppenpanzer und Klauenfüßen. Die Palastarchitektur in der rechten
Bildhälfte bildet einen lebhaften Kontrast zu der leeren Fläche, vor der
Christus und die beiden Schergen erscheinen. Als Mitte der Komposition scheidet
der linke Turm „die von Christus bestimmte Hälfte von der dem Bösen
zugewiesenen rechten“ (Grimme 1985, S. 32).
Die „Kreuzigung“ ist als strenge Zentralkomposition angelegt.
Ihre Mitte bildet das Kreuz als Lebensbaum, vor dem Christus mit geneigtem, vom
Kreuznimbus hinterfangenen Haupt steht, die Füße nebeneinander auf dem
Suppedaneum. Den ans Kreuz gehefteten erhobenen Armen antworten die Lanze und
die ein kelchförmiges Gefäß tragende Stange, die der Legende nach Longinus und
Stephaton auf Christus gerichtet haben. Maria und Johannes begrenzen die durch
ihre feierliche Symmetrie gekennzeichnete Darstellung. Das herabgeneigte, im
Tod friedvoll entspannte Antlitz mit den kugeligen, geschlossenen Augen sowie
der stilisierten Haar- und Bartracht verweist in seiner Hoheit und Würde voraus
auf den um 1060 entstandenen Essen-Werdener Bronzekruzifixus (siehe meinen Post
„Der korrodierte Christus“).
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Kreuzigung Christi (unten); Die drei Frauen am Grabe (oben)
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Kopf des Essen-Werdener Bronzekruzifix (um 1060)
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Ähnlich dem Zug der drei Könige nähern sich im vorletzten
Feld drei Frauen mit ihren Salbgefäßen dem Grab Jesu (Lukas 23,50-24,1-9), die
Köpfe geneigt. Der Engel, der ihnen verkündet: „Er ist nicht hier, er ist
auferstanden“ (Lukas 24,6; LUT), sitzt auf einem Pfostenthron und hat im
Redegestus die Linke erhoben. Das Grab ist als kirchenartiger Bau dargestellt;
zwischen den giebeltragenden Säulen hängt ein geknotetes Velum. Das letzte
Bildrechteck zeigt das „Noli me tangere“ (Johannes 20,11-18). Maria Magdalena
ist unter einem großen Baum in die Knie gegangen, die Arme nach Christus
ausgestreckt, der die Mitte der Komposition beherrscht. Den linken Fuß bereits
in Schrittstellung, sind sein Haupt und die rechte Hand noch Maria Magdalena zugewandt.
Christi Arm nimmt gleichsam ihre Rückenlinie auf und verlängert sie zu seinem
Haupt mit dem großen Tellernimbus. In seiner Linken hält Christus ein großes
griechisches Kreuz als Tropaion empor.
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Noli me tangere
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Es ist mit dieser Szene wohl nicht nur die Begegnung
zwischen Jesus und Maria Magdalena gemeint, sondern auch die Rückkehr des
Auferstandenen zu seinem himmlischen Vater. Drei Vögel, einer zur Erde gewandt
im Baum über Maria Magdalena, zwei andere in der rechten Bildhälfte, die sich
mit geöffneten Flügeln aus den Zweigen von Rebstöcken emporschwingen, können
als ungewöhnlicher Hinweis auf die Himmelfahrt Christi gedeutet werden. Die
Architektur neben Christus ist wohl als Grabturm zu verstehen, dessen
verschlossene Tür der Auferstandene überwunden hat.
In der älteren kunstwisschenschaftlichen Forschung bestand
Einigkeit darüber, dass die unterschiedliche Ausarbeitung der Figuren auf den
16 Bildfeldern die Beteiligung mehrerer Künstler voraussetzt. Rudolf Wesenberg
hat 1955 versucht, die verschiedenen Meister zu charakterisieren und ihren
Anteil am Gesamtwerk aufzuzeigen; dabei ermittelte er sechs nebeneinander im
Hildesheimer Werkstattbetrieb arbeitende Meister. Rainer Kahsnitz hat diese
Zuschreibungen allerdings 1993 in Zweifel gezogen, da die Unterschiede in der
Bearbeitung der Reliefs so geringfügig seien, dass sie eher technischen
Notwendigkeiten als unterschiedlichen künstlerischen Auffassungen zu verdanken
seien. „Versuche, verschiedene Meisterhände zu scheiden, erscheinen verfehlt –
was nicht heißen muß, daß nicht mehrere Personen an dem Werk beteiligt sein
können“ (Kahsnitz 1993, S. 512).
Einen Hinweis auf die Entstehung der Berndwardtür gibt die
auf der mittleren Querleiste des Rahmens eingegrabene lateinische Inschrift.
Sie lautet in Übersetzung: „Im Jahre nach der Menschwerdung des Herrn 1015 ließ
Bischof Bernward göttlichen Angedenkens diese gegossenen Türflügel an der
Fassade des Engeltempels zu seinem Gedächtnis aufhängen“. Die Inschrift ist
nicht mitgegossen, sondern nachträglich eingemeißelt worden. Die Formulierung
„göttlichen Angedenkens“ zeigt an, dass dies erst nach dem Tod Bernwards 1022
geschehen sein kann. Unter dem Engeltempel hat man lange Zeit die Kirche St.
Michael verstanden, obwohl sie der Jungfrau Maria und dem Erzengel Michael und
nicht generell den Engeln geweiht war und auch niemals als Engelkirche bezeichnet
worden ist. Kahsnitz hält es deswegen für wahrscheinlicher, dass die Türen von
Anfang an für das Westwerk des Domes bestimmt waren, das wie oft dem Erzengel
Michael und allen Engeln geweiht gewesen sein dürfte.
Literaturhinweise
Grimme,
Ernst Günther: Bronzebildwerke des Mittelalters. Wissenschaftliche
Buchgesellschaft, Darmstadt 1985, S. 24-35;
Hoffmann, Rainer: Im Paradies. Adam und Eva und der Sündenfall –
Albrecht Dürers Darstellungen. Böhlau Verlag, Wien/Köln, 2021, S. 75-84;
Kahsnitz, Rainer: Bronzetüren im Dom. In: Michael Brandt/Arne
Eggebrecht (Hrsg.), Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen. Katalog
der Ausstellung Hildesheim 1993. Band 2. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1993,
S. 503-512;
Klotz,
Heinrich: Geschichte der deutschen Kunst. Erster Band: Mittelalter 600 – 1400. Verlag
C.H. Beck, München 1998, S. 128-132;
Schütz, Bernhard: Zum ursprünglichen Anbringungsort der Bronzetür Bischof Bernwards von Hildesheim. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 57 (1994), S. 569-599;
Wesenberg, Rudolf: Bernwardinische Plastik. Zur ottonischen Kunst
unter Bischof Bernward von Hildesheim. Deutscher Verein für Kunstwissenschaft, Berlin
1955;
LUT = Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung,
revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.