Mittwoch, 19. März 2025

Yusef Komunyakaa: Venus von Willendorf

 

Venus von Willendorf; (ca. 29500 Jahre alt, 1908 aufgefunden, 11 cm hoch);
Wien, Naturhistorisches Museum


Venus of Willendorf

 

She’s big as a man’s fist,
Big as a black-pepper shaker
Filled with gris-gris dust,
Like two fat gladiolus bulbs

Grown into a burst of twilight.
Lumpy & fertile, earthy
& egg-shaped, she’s pregnant
With all the bloomy hosannas

Of love-hunger. Beautiful
In a way that forces us to look
At the ground, this squat
Venus in her braided helmet

Is carved from a hunk of limestone
Shaped into a blues singer.
In her big smallness
She makes us kneel.

 

Yusef Komunyakaa

 

 

Venus von Willendorf

 

Sie ist groß wie eine Männerfaust,

Groß wie ein Schwarzpfefferstreuer,

Gefüllt mit seinem Gris-gris-Staub,

Zwei dicken Gladiolenknollen gleich,

 

Aufgelodert in ein Dämmerlicht.

Pummelig & fruchtbar, erdschwer

& eiförmig, geht sie schwanger

Mit all den blumigen Hosiannas

 

Des Liebeshungers. Schön auf eine

Weise, die uns zwingt, zu Boden

Zu blicken, wurde diese gedrungene

Venus mit ihrem betressten Helm

 

Aus einem Kalksteinbrocken gehauen

& geformt zur Blues-Sängerin.

Vor ihrer großen Kleinheit

Gehen wir auf die Knie.

 

Yusef Komunyakaa

(übersetzt von Mirko Bonné; aus: „Der Gott der Landminen“, Edition Lyrik Kabinett, München 2024)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen