Rembrandt: Bathseba (1654); Paris, Louvre |
Rembrandt zeigt Bathseba als tragische Figur: Sie ist gezwungen, zwischen dem Ungehorsam gegenüber ihrem König und der Untreue gegenüber ihrem Ehemann Uria zu wählen. Ihr melancholisches Sinnen drückt sich nicht nur durch das geneigte Haupt aus, sondern ebenso durch die leicht hochgezogenen Brauen und vor allem durch die gesenkten, abgedunkelten Augen und den auf diese Weise „inszenierten verlorenen Blick“ (Hammer-Tugendhat 2009, S.24).
Ihre Schönheit wird ihr zum Verhängnis – und sie weiß es bereits |
Im emotionalen wie kompositorischen Zentrum des Gemäldes (142 x 142 cm) befindet sich der Brief, in dem nicht nur Bathsebas, sondern auch Davids Schicksal geschrieben zu stehen scheint. Diesem Brief als Dreh- und Angelpunkt der Katastrophe – der allerdings in der biblischen Erzählung gar nicht vorkommt – hat Rembrandt größte Aufmerksamkeit geschenkt. „Der Brief ist in der Tat fast im Mittelpunkt des Bildes angebracht, am Schnittpunkt der beiden Beine und der darüber gelegten Hand, auf gleicher Höhe wie Bathsebas Schoß, dem seine beschriebene Seite zugewandt ist“ (Hammer-Tugendhat 2009, S. 23). Eine Ecke ist umgeknickt, um die Handschrift des Königs erkennen zu lassen (auch wenn sie sich nicht entziffern lässt). Aber Rembrandt zeigt Bathseba nicht lesend – sie hat den Brief bereits gelesen oder sofort erfasst, worum es dem König geht. Der rote Siegellack an einer anderen Ecke des Briefes (im Original sehr deutlich zu sehen) mag vorausweisen darauf, dass die Geschichte dieses Ehebruchs auch mit Blut geschrieben wird: König David schickt den Soldaten Uria ganz bewusst in die vorderste Kampflinie – wo er auch umkommt.
An diesem Brief klebt Blut |
Aber der Voyeurismus des Betrachters stößt schnell an Grenzen – denn Bathseba verweigert jeden Blickkontakt, und ihre erotische Ausstrahlung tritt zurück hinter der Melancholie und dem schmerzlichen Verlust, die sich in ihrem Antlitz spiegeln. „Not only does her expression suggest an extended period of deep thought, the huge undifferentiatedly dark pupil that catches no light, the heavy shadow under the eye, as well as the eyebrow and the accentuated shadow above the upper eyelid which both slightly slope down, signal the tragic nature of her thoughts“ (Sluijter 2006, S. 363).
In der linken unteren Bildecke zeigt Rembrandt eine bekleidete Dienerin, die Bathseba die Füße wäscht. Zwar wird auch die Magd wie der Brief Brief in der biblischen Erzählung nicht erwähnt – dennoch verweist dieses scheinbar anekdotische Element bereits auf den weiteren Verlauf der Geschichte hin. Die Bibel berichtet nämlich, dass David mit Bathseba schlief, nachdem sie sich „gerade von ihrer Unreinheit gereinigt hatte“ (2. Samuel 11,4), also nach ihrer postmenstruellen, rituellen Waschung. Simon Schama meint, dass Bathseba dabei zusehe, wie ein Akt der Reinigung zu einem Akt der Beschmutzung wird „und wie sich die Versicherung der ehelichen Reinheit in die Vorbereitung ihres Ehebruchs verwandelt“ (Schama 2000, S. 554). Auch der Kontrast zwischen der goldenen Robe aus reich gemustertem Brokat und dem weißen Hemd ist in diesem Zusammenhang bedeutsam: Der kostbare Stoff verweist auf Bathsebas Zukunft als Königin an Davids Seite; das weiße Hemd, Zeichen ihrer Unschuld, wird sie zurücklassen, wenn sie nach der Waschung aufbricht, um ihren König aufzusuchen. Die Dienerin hat noch eine weitere Funktion: Rembrandt betont mit ihr den Gegensatz von Jugend und greisem Alter und spielt so auch auf die Vergänglichkeit weiblicher Schönheit an.
Je mehr man sich in Rembrandts Bild vertieft, desto spürbarer werden Bathsebas Verlorenheit und Trauer. Wie einsam die zukünftige Königin sich fühlt, lässt die Kommunikationslosigkeit zwischen den beiden Figuren erkennen: Schweigsam und mit gesenktem Kopf vollzieht die Dienerin die Waschung, ebenso wortlos lässt Bathseba, ins Leere blickend, die Prozedur über sich ergehen.
Je mehr man sich in Rembrandts Bild vertieft, desto spürbarer werden Bathsebas Verlorenheit und Trauer. Wie einsam die zukünftige Königin sich fühlt, lässt die Kommunikationslosigkeit zwischen den beiden Figuren erkennen: Schweigsam und mit gesenktem Kopf vollzieht die Dienerin die Waschung, ebenso wortlos lässt Bathseba, ins Leere blickend, die Prozedur über sich ergehen.
Svetlana Alpers deutet Rembrandts Gemälde biografisch – sie sieht in Hendrickje Stoffels das Modell für die abgebildete Bathseba. Hendrickje war seit 1649 Rembrandts Geliebte und lebte bis zu dessen Tod 1669 mit ihm unverheiratet zusammen. Als sie 1654 ein Kind von Rembrandt
erwartete, wurde sie im Juni und Juli desselben Jahres insgesamt dreimal vor den
Kirchenrat der Reformierten Kirche bestellt. Man klagte Hendrickje der „Hoererij“ (Hurerei)
mit dem Maler an – sie sollte sich ihrer unehelichen Schwangerschaft
schuldig bekennen. Erst nach der dritten Aufforderung folgte Hendrickje der
Vorladung. Die Strafe für ihr Vergehen lautete: Ausschluss vom Abendmahl (siehe auch meinen Post „Rembrandts ,huysvrouw‘“). „In celebrating Hendrickje as his nude model, Rembrandt can be described as at once defining and defying the accusation against her brought by the church authorities“ (Alpers 2005, S. 54).
Im Vergleich mit den übrigen, eher naturalistisch angelegten Aktdarstellungen Rembrandts, vor allem in seiner Grafik, wirkt die Figur der Bathseba wesentlich „klassischer“: Sie hat einen längeren Hals, breitere, grundete Schultern und eine akzentuierte Taille, während die sonst so genau beobachteten Hautfalten verschwunden sind. Sabine Poeschel geht davon aus, dass der Körper nicht nach einem lebenden Modell gearbeitet ist, „denn der Abstand zwischen Brust und Nabel ist zu lang, ebenso der linke Arm, dessen Drehung zudem anatomisch unmöglich wäre“ (Poeschel 2014, S. 106).
Rembrandt: Nackte Frau auf einem Erdhügel sitzend (1631); Kupferstich |
Lovis Corinth: Fußwaschung (1910); Mannheim, Kunsthalle |
Lovis Corinth: Bathseba (1908); Dresden, Galerie Neue Meister |
Edward Hopper: Hotelzimmer (1921); Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza |
Literaturhinweise
Adams, Ann Jensen (Hrsg.): Rembrandt’s Bathsheba Reading King David’s Letter. Cambridge University Press, New York 1998;
Alpers, Svetlana: Not Bathsheba. In: Svetlana Alpers, The Vexations of Art. Velázquez and Others. Yale University Press. New Haven and London 2005, S. 47-62;
Eisler, Colin: Rembrandt and Bathseba. In: Anne-Marie Logan (Hrsg.), Essays in Northern European Art Presented to Egbert Haverkamp-Begemann on His Sixtieth Birthday. Davaco Publishers, Doornspijk 1983, S. 84-88;
Hammer-Tugendhat, Daniela: Das Sichtbare und das Unsichtbare. Zur holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2009, S. 15-28;
Jagfeld, Monika: Der unbestimmbare Moment. Rembrandts Bathseba (1654). In: Kirsten Fitzke/Zita Ágota Pataki (Hrsg.), Kritische Wege zur Moderne. Festschrift für Dietrich Schubert. ibidem-Verlag, Stuttgart 2012, S. 86-109;
Poeschel, Sabine: Starke Männer, schöne Frauen. Die Geschichte des Aktes. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014, S. 105-106;
Schama, Simon: Rembrandts Augen. Siedler Verlag, Berlin 2000;
Sluijter, Eric Jan: Rembrandt and the Female Nude. Amsterdam University Press, Amsterdam 2006, S. 333-368;
Welzel, Petra: Rembrandts Bathseba – Metapher des Begehrens oder Sinnbild zur Selbsterkenntnis? Eine Bildmonographie. Peter Lang, Frankfurt am Main 1994.
Welzel, Petra: Rembrandts Bathseba – Metapher des Begehrens oder Sinnbild zur Selbsterkenntnis? Eine Bildmonographie. Peter Lang, Frankfurt am Main 1994.
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