Rembrandt: Frau an einer geöffneten Tür (1656/57); Berlin, Gemäldegalerie (für die Großansicht einfach anklicken) |
Als Hendrickje 1654 ein Kind von Rembrandt
erwartet, wird sie im Juni und Juli desselben Jahres insgesamt dreimal vor den
Kirchenrat der Reformierten Kirche bestellt. Sie ist der „Hoererij“ (Hurerei)
mit dem Maler Rembrandt angeklagt und soll sich ihrer unehelichen Schwangerschaft
schuldig bekennen. Erst nach der dritten Aufforderung folgt Hendrickje der
Vorladung. Die Strafe für ihr Vergehen lautet: Ausschluss vom Abendmahl.
Rembrandt wird ebenfalls zu einer Anhörung bestellt. Aber als man feststellt,
dass er nicht mehr aktives Mitglied der Reformierten Kirche ist, werden keine
weiteren Versuche gemacht, ihn persönlich vor den Rat zu zitieren.
Sowohl Rembrandts Verhältnis zu Hendrickje als
auch sein uneheliches Zusammenleben mit Geertje sind für seine Zeit nicht
ungewöhnlich. Liebesverhältnisse mit Mägden sind alltäglich und führen in einigen
Fällen auch zur Heirat. Rembrandt selbst betrachtet Hendrickje sehr wohl als
„seine Frau“ und spricht nach ihrem Tod in einem Antrag auf einen neuen Vormund
für die gemeinsame Tochter Cornelia von Hendrickje als „seiner verstorbenen
Frau“. Dass er sie nicht ehelicht, liegt vermutlich am Testament Saskias, das
eine Klausel enthält, wonach Rembrandt bei erneuter Heirat die Hälfte seines
Erbes verlieren sollte. Das kann sich der Künstler aufgrund seiner
wirtschaftlichen Misere nicht leisten. Sie zwingt ihn, im Sommer 1656 vor
Gericht Konkurs anzumelden. Hendrickje und Titus gründen daraufhin einen
Kunsthandel, über den Bilder verkauft werden, ohne dass den Gläubigern der
Gewinn zufällt.
Obwohl es kein urkundlich belegtes Porträt
Hendrickjes gibt, gehen viele Kunsthistoriker davon aus, dass Rembrandt sie in dem Berliner
Gemälde Frau an einer geöffneten Tür
dargestellt hat. Die junge Frau ist als lebensgroße Halbfigur im Ausschnitt
einer geöffneten Obertür wiedergegeben, an deren Rahmung sie sich oben und
unten mit den Armen abstützt. Der Oberkörper ist nach links gewendet, der Kopf leicht geneigt und der Blick der großen, dunklen Augen auf den Betrachter gerichtet. Um den Hals trägt sie eine Schnur, an der ein
Ring befestigt ist. Auf dem Kopf sitzt eine orientalisch anmutende Haube, hinzu
kommt weiterer Schmuck an Handgelenk, Finger und Ohr. Ihre zwanglos-gelöste
Haltung spiegelt sich auch in ihrer Kleidung wieder, die nicht zum Ausgehen
bestimmt ist und den Brustauschnitt offen lässt. In breitflächig-pastosem Farbauftrag
treten aus dunklen Schattentiefen die glühend roten Töne des Gewandes – einem faltenreichen Hausmantel – und das
Weiß des Hemdausschnitts hervor. Malweise und Leuchtkraft der Palette offenbaren,
dass sich der späte Rembrandt an die Bilder Tizians (1485–1576) anlehnt.
Eine strahlendiagnostische Analyse des Berliner
Gemäldes hat gezeigt, dass Rembrandt die Lage der um den Hals hängenden Schnur
verändert hat. Sie ist aus der Körperachse nach rechts verschoben worden –
dadurch wird der Ring deutlicher als in der ursprünglichen Anlage hervorgehoben.
Rembrandt betont auf diese Weise Hendrickjes Status als De-facto-Ehefrau.
Fraglich bleibt allerdings, ob das Bild tatsächlich
als Porträt gemeint war – oder ob Hendrickje für die Berliner Frauengestalt nur
Modell gestanden hat. Deren Bedeutung ist man bislang jedoch nicht auf die Spur
gekommen.
Literaturhinweise
Kelch, Jan: Frau an einer geöffneten Tür. In: Christopher Brown u.a. (Hrsg.), Rembrandt. Der Meister
und seine Werkstatt. Gemälde. Schirmer/Mosel, München 1991, S. 267-271;
Lloyd Williams, Julia (Hrsg.): Rembrandt’s Women. National Gallery of Scotland, Edinburgh 2001, S. 220;
Schama, Simon: Rembrandts Augen. Siedler Verlag, Berlin 2000, S. 542-558;
Schröder, Klaus Albrecht/Bisanz-Prakken, Marian (Hrsg.): Rembrandt. Edition Minverva, Wolfratshausen 2004, S. 200.
(zuletzt bearbeitet am 15. Februar 2021)
Lloyd Williams, Julia (Hrsg.): Rembrandt’s Women. National Gallery of Scotland, Edinburgh 2001, S. 220;
Schama, Simon: Rembrandts Augen. Siedler Verlag, Berlin 2000, S. 542-558;
Schröder, Klaus Albrecht/Bisanz-Prakken, Marian (Hrsg.): Rembrandt. Edition Minverva, Wolfratshausen 2004, S. 200.
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