Francisco de Goya: Karl IV. und seine Familie (1800); Madrid, Museo del Prado (für die Großansicht einfach anklicken) |
Stolz und selbstbewusst
posiert die königliche Familie, von Goya in Lebensgröße abgebildet. Der 52-jährige Karl IV.,
in Galauniform, macht einen Schritt nach vorn; auf seiner gewölbten Brust
finden sich die höchsten Orden des Landes, beinahe wie Sterne funkelnd. Die
49-jährige Königin María Luisa ist an zentraler Stelle im Bild postiert – Goya würdigt auf
diese Weise ihre Rolle als Prinzenmutter und Schoß der Dynastie. Dennoch nimmt
die Königin im Verhältnis zum Vordergrund erkennbar zurückgezogen Aufstellung.
Nicht sie, sondern ihr 16-jähriger Sohn links im Vordergrund, der Fürst von Asturien und künftige Ferdinand
VII., wird nach dem König an hervorgehobener Position
gezeigt. Zur Hälfte im Schatten stehend, korrespondiert sein Schritt nach vorn
mit dem des Vaters und „bezeichnet seinen zweiten Platz im komplizierten
Ballett der Etikette und der dynastischen Abfolge, welche das Gemälde in Szene
setzt“ (Stoichita 2001, S. 147).
Hinter Don Ferdinand
befindet sich der Infant Don Carlos María Isidro, damals zwölfjährig. Goya
präsentiert ihn als „drittes Glied“ in der strengen Linie des Blutrechts (nach
dem König und dem Prinz von Asturien). Zwischen seinem Vater und seiner Mutter
wird der sechsjährige Francisco de Paula sozusagen als „dynastische Reserve“
(falls benötigt) vorgeführt. Goya lässt also durch die Positionierung der
Figuren die Rangordnung des Hofes und der Thronfolge anschaulich werden. Im
Vordergrund, der Bildebene des Königs, sind die drei Söhne dargestellt, während
der Bruder des Königs, der Infant Don Antonio Pascual, hinter den aufgereihten
Töchtern seinen Platz findet. „Demnach illustriert die königliche Parade die
alte kastilische Ordung der successio
promiscua, nach der die Söhne und deren männliche Nachkommenschaft den
ersten Anspruch auf den Thron anmeldeten, vor den Töchtern, die ihrerseits samt
Nachkommen wiederum vor den Brüdern des Königs rangierten“ (Beyer 2002, S.
284).
Velázquez: Las Meninas (1656); Madrid, Museo del Prado |
Zur Rechten der
Königin ist die elfjährige Infantin Doña María Isabel zu sehen, die 1802 Franz I., König beider Sizilien, heiraten sollte. Im verschatteten linken
Bildhintergrund wiederum hat sich der Maler selbst dargestellt; er arbeitet an einer Staffelei, die
– wie in Velázquez’ Las Meninas – nur
im Ausschnitt und nur von hinten dargestellt wird. Vor der Staffelei stehen
neben den schon genannten Infanten Don Carlos María Isidro und Don Ferndinand
eine zunächst nicht weiter identifizierbare Prinzessin mit abgewandtem Gesicht
sowie dazwischen die 56-jährige Schwester des Königs, Infantin Doña María Josefa. Dass von
Don Antonio Pascual nur der Kopf hinter der Schulter des Königs zum Vorschein
kommt, verdeutlicht, dass er den letzten Rang in der Repräsentation der
Königsfamilie einnimmt, dass er „nichts weiter ist als ein komischer Kopf auf
einem unsichtbaren Körper“ (Stoichita 2001, S. 150). Rechts neben dem Bruder des
Königs ist der Profilkopf der Infantin Doña Carlota Joaquina zu erkennen,
älteste Tochter des Königspaares, seitlich davon der 27-jährige Don Luis de Borbón, Fürst von Parma und späterer König von Etrurien, und seine Frau, die 18-jährige Infantin Doña María Luisa
Josefina mit ihrem nur wenige Monate alten Sohn Carlos Luis. Alle männlichen Familienmitglieder, einschließlich des Säuglings, tragen die Schärpe des Ordens Karls III., alle weiblichen die mit dem Orden der María Luisa.
In der Prinzessin,
die den Kopf abwendet und auf diese Weise unerkannt bleibt, ist die zwei Jahre
zuvor verstorbene Infantin María Amalia vermutet worden, „deren postume Abbildung
sie gemäß dem monarchischen Bildnis-Brauch im Sinne der lückenlosen bildlichen Repräsentation
hier unter den Hinterbliebenen einreiht“ (Beyer 2002, S. 284). Werner Hofmann
deutet die Prinzessin mit verlorenem Profil allerdings anders: „Sie ist gleichsam
die Hohlform der noch nicht gewählten zukünftigen Gattin eines Infanten“
(Hofmann 2003, S. 170).
Goyas Selbstporträt
im Bild verdeutlicht, dass der Künstler als Mitglied der Hoffamilie betrachtet
wurde. Dass der Akt des Malens dargestellt wird, verweist auf die Bedeutung der
Kunst im Dienst der höfischen Repräsentation. Ohne Zweifel ist die Gruppe wie
bei Las Meninas vor einem Spiegel
aufgereiht worden, was erklärt, warum der Maler hinter den Personen steht, die
er von vorne wiedergibt. Und es gibt noch weitere Bildzitate aus den Meninas: Nicht nur im Selbstporträt, sondern
etwa auch in den Bildern an der Rückwand oder in der sehr vergleichbaren
Kopfwendung von Infantin und Königin weist Goya explizit auf sein Vorbild hin.
Literaturhinweise
Beyer, Andreas: Das Porträt in der Malerei.
Hirmer Verlag, München 2002, S. 282-284;
Hofmann, Werner: Goya.
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle. Verlag C.H. Beck, München 2003;
Olszewski, Edward J.: Exorcising Goya ’s The Family of Charles IV. In: artibus et historiae 40 (1999), S. 169-185;
Stoichita, Victor I.:
Goya: Die Familie Karls IV. In: Reinhard Brandt (Hrsg.), Meisterwerke der
Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Andy Warhol. Reclam Verlag, Leipzig
2001, S. 141-170;
Traeger, Jörg: Goyas
Königliche Familie. Hofkunst und Bürgerblick. In: Münchner Jahrbuch der
bildenden Kunst XLI (1990), S. 147-181;
Traeger, Jörg: Goya. Die Kunst der Freiheit. Verlag C.H. Beck, München 2000, S. 85-91.
(zuletzt bearbeitet am 4. Mai 2020)
Traeger, Jörg: Goya. Die Kunst der Freiheit. Verlag C.H. Beck, München 2000, S. 85-91.
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