Rembrandt: Selbstbildnis als Zeuxis (um 1662); Köln, Wallraf-Richartz-Museum (für die Großansicht einfach anklicken) |
Lange Zeit hat man in
diesem Selbstbildnis ein Rollenporträt erkennen wollen: Rembrandt habe sich als
den lachenden Philosophen Demokrit dargestellt (so z. B. Schama 2000, S. 677);
mit der gemalten Person sei deswegen wahrscheinlich der dazugehörige Philosoph
Heraklit gemeint. Heute ist man sich weitgehend darin einig, dass das Kölner
Selbstbildnis eine Episode aus dem Leben des antiken Malers Zeuxis erzählt. Der
habe in hohem Alter eine alte hässliche Frau gemalt, was ihn so heftig habe lachen
lassen, dass er dabei gestorben sei. Der griechische Künstler Zeuxis, der in
Athen gegen Ende des 5. Jahrhunderts v.Chr. lebte und arbeitete, wurde von den
Kunsttheoretikern der Antike für seine außergewöhnlichen Fähigkeiten als Maler
gepriesen. Als er z. B. den Auftrag erhielt, ein Bild mit dem Thema der Helena
von Troja zu malen, ließ Zeuxis die fünf schönsten Mädchen aus der
Nachbarschaft Modell stehen. Von jeder wählte er die schönsten Körperteile und
kombinierte sie zur Darstellung einer idealen Schönheit.
Arent de Gelder: Selbstbildnis als Zeuxis (um 685); Frankfurt, StädelMuseum |
Arent de Gelder (1645–1727), ein Schüler
Rembrandts, hat die Anekdote vom kuriosen Tod des Zeuxis in einem um 1685
entstandenen Gemälde aufgegriffen und mit einem Selbstporträt verknüpft. Der
Maler sitzt an einer Staffelei und blickt breit grinsend über seine Schulter.
Ganz links posiert die runzlige alte Frau mit einem Apfel oder einer Orange in der
Hand, der in der klassischen Mythologie an Venus als der schönsten Göttin
überreicht wird. De Gelders Gemälde hat wesentlich dazu beigetragen, das tatsächliche
Thema von Rembrandts Selbstbildnis zu identifizieren, denn es gibt auffallende Übereinstimmungen
zwischen den beiden Bildern. Von keinem anderen Maler gibt es eine Darstellung der Zeuxis-Episode, nur Rembrandt und Arent
de Gelder haben sie zum Bildthema gemacht. Möglicherweise hatte de Gelder
das Gemälde seines Lehrers gesehen, als er zwischen 1662 und 1664 in dessen
Amsterdamer Atelier arbeitete, und nahm es später zum Ausgangspunkt für sein
eigenes Bild.
Dass Rembrandt nicht die alte Frau selber wiedergibt, sondern das Porträt, das Zeuxis von ihr anfertigt, wird am ehesten deutlich, wenn man vor dem Original im Kölner Wallraf-Richartz-Museum steht: Rechts von der weiblichen Figur befindet sich eine dunkle Fläche, deren Kontur sich als eine vertikale Linie gegen den etwas helleren Hintergrund abzeichnet. Damit ist wahrscheinlich der Rand der Leinwand angegeben, die vor dem Maler auf einer (unsichtbaren) Staffelei steht. Das „Rembrandt Research Project“ hat bei seiner Untersuchung des Bildes festgestellt, dass links wohl ein 10 cm breiter Streifen abgeschnitten wurde und an den anderen Seiten ebenfalls schmale Streifen fehlen. Das bedeutet, dass von der Figur links ursprünglich sehr viel mehr zu sehen war, als das heute der Fall ist.
Dass Rembrandt nicht die alte Frau selber wiedergibt, sondern das Porträt, das Zeuxis von ihr anfertigt, wird am ehesten deutlich, wenn man vor dem Original im Kölner Wallraf-Richartz-Museum steht: Rechts von der weiblichen Figur befindet sich eine dunkle Fläche, deren Kontur sich als eine vertikale Linie gegen den etwas helleren Hintergrund abzeichnet. Damit ist wahrscheinlich der Rand der Leinwand angegeben, die vor dem Maler auf einer (unsichtbaren) Staffelei steht. Das „Rembrandt Research Project“ hat bei seiner Untersuchung des Bildes festgestellt, dass links wohl ein 10 cm breiter Streifen abgeschnitten wurde und an den anderen Seiten ebenfalls schmale Streifen fehlen. Das bedeutet, dass von der Figur links ursprünglich sehr viel mehr zu sehen war, als das heute der Fall ist.
Rembrandt: Homer (1663, Fragment); Den Haag, Mauritshuis |
In seiner freien und pastosen Malweise ähnelt das Zeuxis-Selbstporträt Rembrandts Homer,
einem Gemälde, an dem er in den Jahren 1661 bis 1663 gearbeitet hat (siehe
meinen Post „Antikes Dreigestirn“). In beiden Fällen ist das goldglänzende
Tuch mit langen Strichen und dicken, mit dem Palettenmesser aufgetragenen Höhungen
gemalt. Ebenso vergleichbar ist die Wiedergabe der Köpfe, die mit kräftigen
Bewegungen in die nasse Farbe modelliert sind.
Rembrandt: Selbstbildnis als junger Mann (1629); München, Alte Pinakothek |
Literaturhinweise
Białostocki, Jan: Rembrandt’s Terminus. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 28 (1966), S. 49-60;
Blankert, Albert: Rembrandt, Zeuxis and Ideal Beauty. In: Josua Bruyn u.a. (Hrsg.), Album Amicorum J.G. Van Gelder. Den Haag 1973, S. 32-39;
Giltaij, Jeroen: Rembrandt Rembrandt. Ausstellungskatalog Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main 2003. Edition Minerva, Wolfratshausen 2003, S. 208-210;
Mai, Ekkegard: Rembrandt – Selbstbildnis als Zeuxis. Ein Werk aus dem Wallraf-Richartz-Museum – Fondation Corboud. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2002;
Müller, Jürgen: Rembrandt Harmensz van Rijn, Selbstbildnis als Zeuxis, um 1633. In: Ulrich Pfisterer/Valeska von Rosen (Hrsg.), Der Künstler als Kunstwerk. Selbstporträts vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Philipp Reclam, Stuttgart 2005, S. 92;
Blankert, Albert: Rembrandt, Zeuxis and Ideal Beauty. In: Josua Bruyn u.a. (Hrsg.), Album Amicorum J.G. Van Gelder. Den Haag 1973, S. 32-39;
Giltaij, Jeroen: Rembrandt Rembrandt. Ausstellungskatalog Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt am Main 2003. Edition Minerva, Wolfratshausen 2003, S. 208-210;
Mai, Ekkegard: Rembrandt – Selbstbildnis als Zeuxis. Ein Werk aus dem Wallraf-Richartz-Museum – Fondation Corboud. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2002;
Müller, Jürgen: Rembrandt Harmensz van Rijn, Selbstbildnis als Zeuxis, um 1633. In: Ulrich Pfisterer/Valeska von Rosen (Hrsg.), Der Künstler als Kunstwerk. Selbstporträts vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Philipp Reclam, Stuttgart 2005, S. 92;
Pächt, Otto: Rembrandt. Prestel-Verlag, München 2005, S. 77-78;
Schama, Simon: Rembrandts Augen. Siedler Verlag, Berlin 2000;Sevcik, Anja K. (Hrsg.): Inside
Rembrandt 1606 – 1669. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2019, S. 326-329;
Suthor, Nicola: Rembrandts Rauheit. Eine phänomenologische Untersuchung. Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2014, S. 173-181;
White, Christopher/Buvelot, Quentin (Hrsg.): Rembrandts Selbstbildnisse. Belser Verlag,
Stuttgart 1999, S. 216-219.Suthor, Nicola: Rembrandts Rauheit. Eine phänomenologische Untersuchung. Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2014, S. 173-181;
(zuletzt bearbeitet am 30. August 2024)
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