Albrecht Dürer: Bildnis der Elsbeth Tucher (1499); Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister (für die Großansicht einfach anklicken) |
Elsbeth Tucher gehörte im ausgehenden 15. Jahrhundert zu einer der mächtigsten und angesehensten Familien Nürnbergs. Dass Albrecht Dürer (1471–1528) mehrere Mitglieder dieses wohlhabenden Patriziergeschlechts porträtierte, belegt den künstlerischen Ruf, den er sich damals in seiner Heimatstadt bereits erworben hatte. Sein Bildnis der Elsbeth Tucher gehört zu den bekanntesten Porträts der deutschen Renaissance – denn von 1961 bis 1992 zierte ihr Kopf den 20-DM-Schein der Bundesrepublik Deutschland. Die grafische Version gibt Dürers malerische Vorlage recht originalgetreu wieder; künstlerische Freiheiten erlaubte sich der Grafiker allein in dem beiseitig über die Schultern herabfallenden Tuch und der plastischen Stickerei des Haubenornaments.
Weder der Name des Künstlers noch der der Porträtierten wurde auf der Banknote erwähnt |
Dürer konzentriert sein Porträt der Elsbeth Tucher in einem engen Bildausschnitt auf Kopf und Büste, die rechts von einem Brokatvorhang mit Granatapfelmuster und links von einem Landschaftsausblick hinterfangen werden. Die Räumlichkeit ist wenig definiert: Wo in vergleichbaren Bildkompositionen ein Wandvorsprung oder eine Steinkante den Übergang zwischen einer Fensteröffnung und einer stoffbespannten Fläche im Inneraum anzeigen, bricht das Textilmuster des Kasseler Porträts abrupt ab. „Es bleibt somit ungewiss, ob es sich hierbei um eine textilverhüllte Wand oder eine heabhängende, womöglich einen Teil der Fensteröffnung verhüllende Stoffbahn handelt“ (Carrasco 2018, S. 35).
Trotz des relativ kleinen Bildformats (29 x 23 cm) entwickelt Elsbeth eine fast monumentale Präsenz: „Über dem sockelartigen Dreieck aus Hals und herabfallenden Schultern erhebt sich der durch die mächtige Haube groß wirkende Kopf geradezu statuarisch und nimmt, alle Aufmerksamkeit auf sich ziehend, ein Drittel des Bildes ein“ (Bonnet/Kopp-Schmidt 2010, S. 86). Da eine grenzstiftende Brüstung fehlt, wirkt die Figur unmittelbar an den Betrachter herangerückt. Das schmal zulaufende Gesicht, das von einem energischen, knochig hervortretenden Kinn mit Grübchen abgeschlossen wird, und die ausgeprägten, hohen Wangenknochen „legen in ihrer Eigenart ebenso wie der lange, schmale Hals und die stark abfallenden Schultern eine präzise Beobachtung und Erfassung des Modells durch den Künstler nahe“ (Carrasco 2018, S. 33). Den Namen der Dargestellten hat Dürer rechts oben auf dem Vorhang platziert: „ELSPET NICLAS TUCHERIN 26 ALT 1499“.
Gesicht und Blick sind
nach links gerichtet. Die 26-jährige Elsbeth wendet sich nämlich ihrem Ehemann
Nikolaus Tucher zu, der auf dem verschollenen linken Flügel des
Ehepaar-Diptychons zu sehen war. Vom unteren Bildrand überschnitten, sind nur
die Spitze ihres Daumens, des Mittel- und Ringfingers der rechten Hand
sichtbar, die einen Goldring mit rot-schwarzen Steinen hochhalten. Vermutlich
handelt es sich um den Trauring, der auf den Hochzeitstag verweist. Elsbeth
trägt ein grünes Kleid mit Goldbordüre, darunter ein kostbares weißes
Untergewand mit schlangenförmigen Stickereien, dem die Buchstaben „WW“ eingewebt sind. Eine breite goldene Kordel oder Kette verschwindet an den Schultern unter dem
Ziersaum des reich gefältelten Hemdes. Das Kleid wird von einer
Goldbrosche mit den Buchstaben N und T gehalten, den Initialen ihres Mannes. „Das hierfür verwendete Blattgold reflektiert auf der technischen Ebene die Kostbarkeit des dargestellten Schmuckes“ (Carrasco 2018, S. 34).
Albrecht Dürer: Bildnis des Hans Tucher (1499); Weimar, Kunstsammlungen |
Albrecht Dürer: Bildnis der Felicitas Tucher (1499); Weimar, Kunstsammlungen |
Wolfgang Beurer: Porträt eines Mannes (1487); Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza |
Michael Wolgemut: Bildnis Levinus Memminger (um 1485); Madrid, Museo Thyssen-Bornemisza |
Literaturhinweise
Bonnet, Anne-Marie/Kopp-Schmidt, Gabriele: Die Malerei der deutschen Renaissance. Schirmer/Mosel, München 2010;
Carrasco, Julia: Albrecht Dürers Bildnis der Elsbeth Tucher. Gedächtnis, Tradition und Identität im deutschen Porträt vor 1500. Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2018;
Hirschfelder, Dagmar: Dürers frühe Privat- und
Auftragsbildnisse zwischen Tradition und Innovation. In: Daniel Hess/Thomas
Eser, Der frühe Dürer. Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2012,
S. 101-116;
Kemperdick, Stephan: „Nach mir selbst kunterfeit“. Bildnisse und
Selbstbildnisse. In: Jochen Sander (Hrsg.), Dürer. Kunst – Künstler – Kontext.
Städel Museum, Frankfurt am Main 2013, S. 92-100;
(zuletzt bearbeitet am 4. November 2024)
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