Gustav Klimt: Bildnis Emilie Flöge (1902/03); Wien, Wien Museum (für die Großansicht anklicken) |
Unter Gustav Klimts
(1862–1918) zahlreichen Frauenbildnissen stellt das Bildnis seiner Schwägerin
und langjährigen Freundin Emilie Flöge eine Ausnahme dar, weil es sich nicht um
eine Auftragsarbeit handelt. Immer wieder wird behauptet, Emilie Flöge sei von
ihrem lebensgroßen, ganzfigurigen Porträt nicht angetan gewesen. Dafür fehlt
jedoch ein eindeutiger Beleg. Klimt signierte und datierte das Bild 1902, obwohl
er es erst nach 1904 vollendete. 1908 wurde es von ihm, offenbar mit Emilie
Flöges Einverständnis, an das Niederösterreichische Landesmuseum verkauft.
Die hochgewachsene,
schlanke Frau steht aufrecht vor uns, die volle Höhe des Bildformats füllend. Die linke Hand hat sie in die Seite gestützt, der rechte Arm hängt herab, das Haar umrahmt in dunklen Locken den Kopf. Ihr Körper ist nach links gedreht, der
Kopf aber so zur Seite gewandt, dass sie den Betrachter direkt anblickt. Der
Raum, in dem sie sich befindet, lässt sich nicht näher bestimmen. Emilie Flöge präsentiert
sich in einem frei fließenden Kleid, das kleinteilige Wellen-, Kreis-, Quadrat-
und Spiralornamente überziehen. Der blau-grün changierende Stoff ist zwar nicht
tailliert, liegt aber dennoch relativ eng am Körper und fällt ihr bis über die
Füße. Aus der abstrakten Ornamentik tauchen nur Gesicht, Dekolleté und Hände
hell hervor. Als Anhängerin der Reformbewegung entwarf und verkaufte Emilie
Flöge in dem florierenden Modesalon, den sie mit ihren Schwestern Pauline und
Helene seit 1904 führte, Damenkleider dieses Typs. Sie waren, den weiblichen
Körper endgültig vom Korsett befreiend, kurz vor der Jahrhundertwende in Mode
gekommen.
„Kopf und Schultern
der Portraitierten sind von einer fächerartig aufgespannten Ornamentaura
umgeben, die – vage mit der Kleidung verbunden – wirkt, als bringe Emilie Flöge
ihren eigenen Hintergrund mit“ (Petz 1995, S. 66). Die „Aureole“ nimmt die
Farben des Stoffs auf, ist aber geometrischer gestaltet und scheint aus einem
festen Material zu bestehen. Die Betonung des Kopfes mittels floraler Motive
findet sich bereits im Bildnis Sonja
Knips durch die Blumen (siehe meinen Post „Eine Flut von Tüll“) und setzt
sich fort z. B. in den Porträts der Margaret
Stonborough-Wittgenstein und Fritza
Riedler.
Gustav Kimt: Bildnis Sonja Knips (1898); Wien, Belvedere |
Gustav Klimt: Bildnis Margaret Stonborough-Wittgenstein (1905); München, Neue Pinakothek |
Gustav Klimt: Bildnis Fitza Riedler (1906); Wien, Belvedere |
Auffallend ist der
Kontrast zwischen dem minutiös ausgeführten Gewand, das wie eine körperlose
Hülle wirkt, und der leeren, malerisch kaum ausgeführten Umgebung. Die
vertikale, fließende Form des Porträts erinnert einerseits an frühere
Darstellungen Klimts von Wasserwesen und Nixen. Andererseits besitzt das
Bildnis durchaus jenen Repräsentationscharakter, der die Damenporträts
Klimts auszeichnet. Auf jeden Fall ist das Gemälde ein Beispiel für die Tendenz
des Künstlers, die Körperlichkeit und Individualität der von ihm dargestellten
Frauen im Ornament beinahe verschwinden zu lassen, sie in ein dekoratives
Element zu verwandeln.
Gustav Klimt: Nixen (Silberfische), um 1902/03; Wien, Kunstsammlung Bank Austria |
Weltgewandt, erfolgreich und finanziell unabhängig, war die
selbstbewusste Emilie Flöge nicht darauf angewiesen, materielle Absicherung in
einer Ehe zu suchen. Über einen Zeitraum von zwanzig Jahren, von 1898 bis 1918,
war sie eine enge Vertraute Klimts und auch Förderin des Künstlers; ihre
Verbindungen schafften Kontakte zur gut betuchten Wiener Gesellschaft. Der Grad
an Zuneigung, Respekt und Liebe zwischen den beiden bleibt aber schwer
bestimmbar. Der exklusiv eingerichtete Modesalon der drei Schwestern Flöge behauptete mehr als dreißig Jahre lang seine
führende Stellung im Zentrum des Wiener Modeviertels. Mit dem „Anschluss“
Österreichs an Nazideutschland verlor Emilie Flöge einen großen Teil ihrer
Kundschaft und musste den Salon schließen.
Emilie Flöge, 1906 |
Literaturhinweise
Natter, Tobias G./Frodl, Gerbert (Hrsg.): Klimt und die Frauen. DuMont Literatur und Kunst
Verlag, Köln 2002, S. 100-103;
Natter, Tobias G.
(Hrsg.): Gustav Klimt. Sämtliche Gemälde. Taschen Verlag, Köln 2012;
Petz, Anja: Gustav
Klimt – Emilie Flöge. In: Sabine Schulze (Hrsg.), Sehnsucht nach Glück. Wiens
Aufbruch in die Moderne: Klimt, Kokoschka, Schiele. Verlag Gerd Hatje,
Ostfildern-Ruit 1995, S. 66;
Stooss, Toni/Doswald, Christoph (Hrsg.): Gustav Klimt. Verlag Gerd Hatje, Stuttgart
1992, S. 124.
(zuletzt bearbeitet am 19. November 2018)
(zuletzt bearbeitet am 19. November 2018)
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