Jacopo da Pontormo: Bildnis eines jungen Mannes mit roter Kappe (um 1530); London, National Gallery |
Ein fest angezogener, ebenfalls schwarzer Schwertgürtel betont die Wespentaille des bis an den oberen Bildrand aufragenden jungen Mannes. In der rechten Hand hält er einen Brief, der allerdings keinen näheren Hinweis auf den Dargestellten oder die Funktion des Porträts bietet, zu lesen ist nur „Domi [...] ni / ul e [...] eli“. Seine Linke hat er auf die Hüfte gelegt – eine Pose, die Pontormo auch für das Porträt eines Hellebardiers im kalifornischen J. Paul Getty Museum verwendet. Die selbstbewusst-stolze Haltung des jungen Mannes wird noch verstärkt durch den niedrigen Blickpunkt des Betrachters, der uns zu ihm aufschauen lässt. Bei dem Modell dürfte es sich um den etwa achtzehnjährigen Carlo Neroni handeln; der mehr als Künstlerbiograf denn als Maler bekannte Giorigio Vasari erwähnt in seinen Vite (Erstauflage 1550), dass Pontormo ein Porträt von ihm geschaffen habe. Das schwarze Lederwams könnte daher, so der Vorschlag von Francis Russell, auf den Namen des jungen Mannes anspielen (ital. nero = schwarz). Auch der Name des Hellebardiers findet sich bei Vasari: Es handelt sich wahrscheinlich um Francesco Guardi, dessen Bildnis Pontormo ebenfalls um 1529/30 anfertigte, als die Florentiner Republik durch die Truppen Karls V. belagert wurde.
Jacopo da Pontormo: Bildnis eines Hellebardiers (um 1529/30); Los Angeles, J. Paul Getty Museum |
Der Oberkörper des schlanken Jünglings ist in einen hellen giubbone gekleidet, ein geknöpftes, weitärmeliges Wams aus schwerer Seide. Darunter wird an den Handgelenken, am Stehkragen sowie zwischen Jacke und Hose ein weißes Seidenhemd sichtbar, dessen Schnüre am Hals offen geblieben sind. Um die Schultern trägt er eine lange goldene Gliederkette; die schmale Hüfte umfasst wie bei dem Porträt Guardis ein schmaler lederner Schwertgürtel.
Die wertvolle Kleidung kontrastiert mit der Hellebarde, deren schlichten hölzernen Schaft der junge Mann mit seiner Rechten umfasst und die vom oberen Bildrand angeschnitten wird. Überhaupt macht der Jüngling nicht wirklich den Anschein, für einen echten Kampf gerüstet zu sein. „Alles ist Pose, Schmuck und Programm“ (Beyer 2002, S. 174): Auf der Brosche ist der Kampf aus dem Herkules-Mythos dargestellt, bei dem der Heros seinen Gegner Antäus tötet. Da der Tugendheld zu den „Patronen“ der Stadt Florenz zählte, kann die leicht zu übersehende Szene als symbolhafter Hinweis auf ein wehrhaftes Florenz verstanden werden.
Die Figur ist vor einem Gebäude oder einer massiven Mauer platziert, die wohl als Wehrarchitektur gedeutet werden kann. Solche Befestigungen existierten in Florenz tatsächlich – sie wurden zur Verteidigung des Monte San Miniato und der Republik errichtet. Hellebardenträger treten in Kunst und militärischer Wirklichkeit meist in Wachfunktionen auf. Überzeugend ist deshalb der Vorschlag gemacht worden, dass Francesco, der einzige Erbe der Familie Guardi del Monte, hier in Form eines Namensbildes erscheint: die Wache am Berg, guardia al monte.
Donatello: David (1408/09); Florenz, Museo Nazionale del Bargello (für die Großansicht einfach anklicken) |
Donatello: Hl. Georg (um 1417); Florenz, Orsanmichele (für die Großansicht einfach anklicken) |
Andrea del Verrocchio: David (um 1475); Florenz, Museo Nazionale del Bargello |
Agnolo Bronzino: Bildnis eines jungen Mannes (um 1540); New York, Metropolitan Museum of Art |
Literaturhinweise
Beyer, Andreas: Das Porträt in der Malerei. Hirmer Verlag, München 2002, S. 171-175;
Campbell, Lorne u.a. (Hrsg.): Die Porträtkunst der Renaissance. Van Dyck, Dürer, Tizian ... Chr. Belser AG, Stuttgart 2009, S. 224-227;
Russell, Francis: A portrait of a young man in black by Pontormo. In: The Burlington Magazine 150 (2008), S. 675-677.
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