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Albrecht Altdorfer: Der Drachenkampf des hl. Georg (1510); München, Alte Pinakothek
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Albrecht Altdorfer (um 1480–1538) gilt
neben Albrecht Dürer (1471–1528) bis heute als einer der „Erfinder der deutschen
Landschaftsmalerei“. Besondere Bedeutung kommt hierbei seinem kleinformatigen Drachenkampf des hl. Georg zu (München,
Alte Pinakothek). Es ist ein frühes, gesichertes Werk Altdorfers, denn es trägt,
kaum sichtbar auf einem Baumstamm, sein Monogramm und die Jahreszahl 1510. Es
wurde auf Pergament gemalt und nachträglich auf Lindenholz geleimt. Das einem
DIN-A4-Blatt entsprechende Gemälde (28,2 x 22,5 cm) kann nur aus der Nähe
betrachtet werden und wurde ursprünglich wohl in einem Kasten liegend
aufbewahrt.
Das Bild wird beherrscht von üppig
aufragendem Wald und kraftvoll grünender Natur. Die Bildfläche, die eher einer
Wand als einer perspektivischen Raumbühne gleicht, ist bis zu den Rändern dicht
an dicht mit Vegetation überwuchert. „Der Rahmen schneidet ein Stück Waldwand
aus“, so Max J. Friedländer: „Das Bild hört auf, hat aber nirgends ein Ende“
(Friedländer 1923, S. 34). Man sieht das goldgrün flimmernde Blattwerk und
meint, der Künstler habe das Wogen der hohen Baumkronen und das Rauschen des
Windes festhalten wollen. Der eigentliche Bildgegenstand wurde von Altdorfer dagegen miniaturisiert, denn den hl. Georg und seinen Kontrahenten bemerkt man
erst auf den zweiten Blick: Sie befinden sich fast in der vordersten Bildebene.
Die Prinzessin, die befreit werden soll, ist gar nicht zu sehen. In voller,
schwarz glänzender Rüstung sitzt der Heilige auf seinem weißen Pferd, das, vor
dem erstaunlich kleinen, breitmauligen und insgesamt krötenähnlichen Drachen
zurückschreckend, schnaubend die Vorderbeine anhebt. Statt den ihn anfauchenden,
allerdings wenig eindrucksvollen Lindwurm anzugreifen, lässt der Ritter die
Lanze in seiner Rechten herabhängen und blickt aus geöffnetem Visier
interessiert auf das seltsame Wesen vor sich. „Die Szene erinnert eher an ein
Märchen, in dem ein Prinz in einem verwunschenen Wald eine weise Kröte nach dem
Weg fragt“ (Prater 1991, S. 159).
Der
römische Offizier Georg wurde der Legende nach um Anfang des 4.
Jahrhunderts wegen seines christlichen Glaubens zu Tode gefoltert. Die
Erzählung vom Drachentöter Georg kam dann im 11. Jahrhundert auf, fand aber
erst mit der Legenda aurea des Jacobus
de Voragine größere Verbreitung und bestimmte fortan maßgeblich das Bild des
Heiligen. Dass der hl. Georg im späten 14. Jahrhundert in die Runde der 14
Nothelfer aufgenommen wurde, verhalf seiner Verehrung in breiteren, auch
ländlichen Schichten schließlich zum Durchbruch.
Die Legenda aurea berichtet von einem blutrünstigen Drachen, der die
Stadt Silena in Libyen tyrannisierte. Zur Besänftigung mussten ihm die Bewohner
Schafe und Menschen opfern. Als das Los auf die Königstochter fiel, weigerte
sich der König zunächst, sein Kind dem Drachen auszuliefern. Er musste sich
jedoch dem Druck seiner Untertanen beugen, die dieses Opfer forderten.
Schließlich brachte er seine Tochter zu dem Drachen, der an einem See hauste.
Dort kam der hl. Georg vorbei, sah die verzweifelte Prinzessin und eilte ihr zu
Hilfe. Er ritt gegen den Drachen und machte ihn mit einem kräftigen Lanzenstoß
kampfunfähig. Auf seine Anweisung hin führte die Prinzessin den verletzten
Drachen an ihrem Halsband zurück in die Stadt. Aus Angst wollten die Bewohner
fliehen, doch der hl. Georg sagte ihnen, er sei von Gott gesandt, um die Stadt
zu erlösen. Als Bedingung für die Tötung des Drachens forderte er die Bekehrung
der Bevölkerung zum Christentum. So ließen sich der König und alle Untertanen taufen.
Wie in einem Suchbild muss der Betrachter
Ross und Reiter im Gewirr von Bäumen und Laub ausfindig machen. Es ist nicht
einmal deutlich erkennen, wo die schlanken Baumstämme wurzeln, denn immer neu
aufschießende Laubkaskaden überwuchern sie von unten her. Nahtlos geht das Unterholz
in dem Gefieder der funkelnden, sprühenden Blätterkronen auf. „Gefächerte Laubmassen
durchdringen sich mit wild zerklüfteten; fein perlende Rispen durchziehen steil
geführte dunkle Schluchten“ (Prater 1991, S. 159). Das Auge des Betrachters
tastet ein prachtvoll wimmelndes Blätterchaos ab, das sich unbegrenzt nach links
und rechts, nach oben und nach unten ausbreitet. Rechts hinter dem Drachen
öffnet sich der undurchdringlich wirkende Wald zu einer Lichtung, die den
Ausblick auf zwei Bergrücken in der Ferne und ein winziges Himmelssegment
freigibt. Leider ist diese Partie des Bildes nachträglich überarbeitet worden,
sodass offen bleiben muss, ob sich an dieser Stelle im Original tatsächlich ein
Landschaftsausblick befunden hat oder vielleicht doch die Prinzessin zu sehen
war.
In einem Laubwald wie diesem mit einem dichten,
nach oben abgeschlossenen Dach und angefüllt mit dschungelhaftem Dickicht
müsste es eigentlich dunkel sein, oder das Tageslicht sollte nur partiell, wie
etwa durch die kleine Öffnung mit dem Landschaftsausschnitt, eindringen können.
Doch Altdorfer hat das Blattgewoge mit unzähligen feinen goldgelben Lasuren und
Lichtreflexen überzogen, die mit realistischen Beleuchtungsverhältnissen nicht
in Einklang zu bringen sind. Licht, das nicht nur auf den Blattspitzen und den
Gewölbefächern der Baumkronen liegt, scheint den Laubwald auch von innen her zu
durchweben. Andreas Prater sieht in Altdorfers Vegetation deswegen „einen
Goldgrund mit anderen Mitteln, eine Transformation dieses aus der Spätantike
tradierten und im gesamten Mittelalter verwendeten, erstrangigen Bildelementes“
(Prater 1991, S. 163). Der Goldgrund wurde in diesen Jahrhunderten verwendet,
um religiösen Darstellungen eine sakrale Aura zu verleihen; er war Hinweis auf
die himmlische Sphäre und vor allem auf die Gegenwart Gottes.
Der stark verkürzte Drache, dessen
Farben dem Walddickicht angepasst sind, ist noch schwerer zu entdecken als der
hl. Georg auf seinem Pferd. Man muss ihn regelrecht im Unterholz suchen; die
bräunliche Färbung an Kopf und Bauch wirkt geradezu wie eine Tarnung. „Das
eigentlich Ungeheuere, so scheint es, ist nicht der Drache, sondern das gewaltige
grüne Labyrinth, das tief und flächig zugleich ist, wie ein Teppich, in dem
jeder Baum, jede Laubkrone ein eigenes spezifisches Muster vorweisen“ (Prater
1991, S. 159/160). Ob sich die Vegetation botanisch eindeutig bestimmen lässt,
ist umstritten: Prater ist der Ansicht, es sei „völlig unmöglich, hier irgend
eine besondere Art von Laubgehölz zu erkennen“ (Prater 1991, S. 160); Margit
Stadlober dagegen entdeckt „den so genannten Hallenwald mit langen,
säulenartigen Stammformen und dicht schließenden Laubkronen des
Buchen-Eichen-Waldtyps, der in der Ebene und im unteren Bergland Mitteleuropas
auf Sand- und auf Silikatböden wächst“ (Stadlober 2006, S. 244/245). Trotz der
Dominanz des Waldes ist die Darstellung ganz auf den Drachenkampf abgestimmt:
Die sich wild übereinander türmenden Baumformationen folgen großen Richtungsachsen,
diese fügen sich einer Diagonale von links unten nach rechts oben ein, die nach
der Neigung des Oberköpers des hl. Georg ausgerichtet ist.
Altdorfers Landschaft ist alles andere
als ein plausibler Aktionsraum für den Kampf Mann gegen Bestie – sie ist
Sinnbild für die Persönlichkeit des Heiligen, den nach der Legenda Aurea das „frische Grün der Reinheit“ auszeichnete (de Voragine
2014, S. 811). Der Demut des Ritters entsprechen dabei die Größenverhältnisse
zwischen Reiter und Kulisse. Sein Mut zeigt sich nicht im Kampf, der beinahe
wie eine freundliche Unterhaltung mit dem Drachen wirkt, sondern in seiner
gelassenen Haltung im Bodenlosen der Wildnis. Der Verzicht auf eine dramatische
Kampfhandlung deutet an, dass Altdorfer seinen hl. Georg als Tugendheld
präsentiert: „Gemäß der Legenda Aurea
bezwingt er den Drachen nicht durch physische Kraft und Waffengewalt sondern
durch Gottvertrauen, Reinheit und Bescheidenheit“ (Bonnet/Kopp-Schmidt 2010, S.
252). Deswegen haben wir hier auch keine autonome Landschaftsdarstellung nach
modernem Verständnis vor uns, sondern ein Bild, das zur religiösen Andacht
auffordert.
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Albrecht Altdorfer: Der Drachenkampf des hl. Georg (1511); Holzschnitt
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Altdorfers 1511 datierter
erster großer Holzschnitt zeigt ebenfalls den Drachenkampf des hl. Georg,
entfaltet die Szene allerdings nicht im Wald, sondern vor einer steil
aufragenden Bergkulisse. Die Prinzessin befindet sich zwar etwas außerhalb des
Zentrums am rechten Bildrand, aber sie ist anwesend: Sie hat sich hinter einen
Busch geflüchtet, wo sie für den glücklichen Ausgang des Kampfes betet. Pferd
und Reiter sind deutlich hervorgehoben, der Drache – groß und scheußlich –
windet sich auf dem kahlen Erdboden, vom Lanzenstich des Ritters bereits
tödlich verwundet. Von seiner Gefährlichkeit künden die verbrannnte Erde
ringsum und die Knochen, die er von seinern Opfern übriggelassen hat. Burg und
Stadt im Hintergrund bezeichnen die Orte, die von dem Untier bedroht werden;
die Rettungsaktion dient nicht zuletzt ihrem Schutz. Der traditionell
gestaltete Holzschnitt zeigt den Ritter als Erretter der Jungfrau und Befreier
des Landes, das mit immer neuen Opfern den Appetit des Untiers befriedigen
musste.
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Wolf Huber: Der Drachenkampf des hl. Georg (1520); Holzschnitt
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Wolf Huber (1485–1553), zusammen mit Altdorfer der wichtigste Vertreter der sogenannten „Donauschule“, hat sich sichtlich von dessen Drachenkampf inspirieren lassen: Ein 1520 entstandener Holzschnitt zeigt den mit gezücktem Langschwert auf den Drachen zureitenden Ritter Georg und dahinter die kniende Prinzessin, die beide inmitten der wildwuchernden Flora kaum zu erkennen sind.
Literaturhinweise
Bohde, Daniela: Zwischen Beobachtung und Imagination. Wälder und Bäume in der Graphik Albrecht Altdorfers und Wolf Hubers. In: Daniela Bohde/Astrid Zenkert (Hrsg.), Der Wald in der Frühen Neuzeit zwischen Erfahrung und Erfindung. Naturästhetik und Naturnutzung in interdisziplinärer Perspektive. Böhlau Verlag, Köln 2024, S. 85-119;
Bonnet, Anne-Marie/Kopp-Schmidt, Gabriele: Die Malerei der
deutschen Renaissance. Schirmer/Mosel, München 2010; S. 64-65 und 252;
Bushart, Magdalena: Sehen und
Erkennen. Albrecht Altdorfers religiöse Bilder. Deutscher Kunstverlag,
München/Berlin 2004, S. 336-344;
de Voragine, Jacobus:
Legenda aurea. Erster Teilband. Einleitung, Edition, Übersetzung und Kommentar
von Bruno W. Häuptli. Verlag Herder, Freiburg i.Br. 2014, S. 811-823;
Friedländer, Max J.:
Albrecht Altdorfer. Verlag Bruno Cassirer, Berlin 1923;
Prater, Andreas: Zur
Bedeutung der Landschaft beim frühen Altdorfer. In: Karl Möseneder/Andreas Prater (Hrsg.), Aufsätze zur Kunstgeschichte.
Festschrift für Hermann Bauer zum 60. Geburtstag. Georg Olms Verlag, Hildesheim
1991, S. 150-168;
Stadlober, Margit: Der Wald in der Malerei und der Graphik des
Donaustils. Böhlau Verlag, Wien/Köln/Weimar 2006, S. 243-248.
(zuletzt bearbeitet am 2. September 2024)