Caspar David Friedrich: Abtei im Eichwald (1809/10); Berlin, Alte Nationalgalerie (für die Großansicht einfach anklicken) |
Caspar David Friedrich: Mönch am Meer (1809/10); Berlin, Alte Nationalgalerie |
Sechs Mönche tragen einen Sarg durch das auffällig große Portal einer gotischen Kirchenruine, in das ein Kruzifix eingesetzt ist. Hinter ihnen folgen weitere acht Mönche in Zweiergruppen; der Zug bewegt sich an einem offenen Grab vorbei, das zu einem alten und verfallenen Friedhof gehört. Links und rechts des Kruzifixes nimmt man das Leuchten von Altarkerzen wahr. Eine feierliche Symmetrie bestimmt den Bildaufbau, trotz des bizarren Astwerks der kahlen Eichen. Diese bilden mit der Architektur eine Art Schranke, die den Vordergrund geradezu abschließt. Dahinter steigt eine geheimnisvolle, grau-braune Nebelwand auf; am darüber liegenden Himmel, vom Abendglanz erleuchtet, ist ein zunehmender Mond sichtbar.
Friedrich hat sich in einem Brief selbst zu seinem Bild geäußert: „Jezt arbeite ich an einem grossen Bilde, worin ich das Geheimnis des Grabes, und der Zukunft darzustellen gedenke. Was nur im Glauben gesehn, und erkannt werden kann, und dem endlichen Wissen des Menschen ewig ein Rätsel bleiben wird: (mir selbst ist was ich darstellen will, und wie ich es darstellen will, auf gewisse Weise ein Räthsel) Unter, mit Schnee bedekten Grabmälern, und Grabhügeln, stehen die Überreste, einer gothischen Kirche, umgeben von uralten Eichen. Die Sonne ist untergegangen, und in der Dämmerung leuchtet über den Trümmern stehent, der Abendstern und des Mondes Viertel. Diker Nebel dekt die Erde, und wärent man den obern Theil des Gemäuers noch deutlich sieht, werden nach unten, immer ungewisser, und unbestimmter die Formen, bis endlich sich alles, je näher der Erde, im Nebel Verliehrt. Die Eichen streken nach oben die Arme aus dem Nebel, währent sie unten schon ganz verschwunden“ (Scholl 2004, S. 90).
Auf der Mittelachse des Bildes sind unmittelbar übereinander das leere Grab, das Portal mit dem Kruzifix, der durch die Tür getragene Sarg, die Altarleuchter sowie das pfeilartig nach oben weisende Kirchenfenster angeordnet. Dabei markiert das Kruzifix in zweifacher Hinsicht einen Durchgang: Unter den ausgebreiteten Armen des Gekreuzigten wird der Sarg in die Kirche hineingetragen. Offensichtlich wird im Innenraum eine Trauerfeier abgehalten werden, während das eigentliche Grab vor der Kirche liegt – es ist offensichtlich nicht die endgültige Ruhestätte des Verstorbenen. Durch die Zentrierung der wesentlichen Bildgegenstände ergibt sich eine Blickpassage, die sich vom Grab im Vordergrund über das Kruzifix und das Fenster in den Himmel erstreckt, obwohl sich jedes dieser Elemente räumlich auf einer anderen Ebene befindet. Der Weg in den Himmel führt über das Kreuz, so lässt sich die Bildaussage zusammenfassen. „Dem christlichen Glauben des Künstlers entsprechend ist der im Kruzifix repräsentierte Erlösungstod Christi der Garant für ein Leben nach dem Tode“, folgert Christian Scholl (Scholl 2004, S. 92) und schließt sich damit der Sicht des Friedrich-Forschers Helmut Börsch-Supan an. Im Zusammenhang mit der Abtei im Eichwald wird daher auch oft ein Gedicht des Künstlers zitiert, in dem sich dessen gläubige Jenseitshoffnung unmissverständlich ausdrückt:
„Dunkelheit decket die Erde
Ungewiß ist aller Wissen doch nur
Es leuchtet im Abend der Himmel
Klarheit strahlt von oben.
Sinnet und grübelt, wie ihr auch wollt
Geheimnis bleibt auch ewig der Tod,
Aber Glaube und Liebe sieht
Freude und Licht jenseits dem Grabe.“
(Hinz 1984, S. 79)
Friedrich hat wie so oft in seinen Gemälden auch in der Abtei im Eichwald zwei Bildschichten streng voneinander getrennt. Der Vordergrund erweist sich als einheitlich düstere Grenzzone der Vergänglichkeit und des Todes: eine dunkle frostige Winterlandschaft, die mit Vanitas-Symbolen wie Grabsteinen und -kreuzen, abgestorbenen Sträuchern und verkrüppelten Bäumen besetzt ist. Auch der Kirchbau als Menschenwerk hat letztlich keinen Bestand. Börsch-Supan hat die Eichen als Sinnbilder einer heidnischen Götterwelt und Lebensauffassung gedeutet, die angesichts des Todes in Verzweiflung erstarrt. Eichen erscheinen in Friedrichs Bildern oft in Verbindung mit Hünengräbern, so z. B. im Dresdener Hünengrab im Schnee. Ebenso steht die gotische Ruine für die mittelalterliche, endgültig vergangene Frömmigkeit: Sie muss ersetzt werden durch eine neue Art der Jenseitserwartung, die auf das vertraut, was „nur im Glauben gesehn, und erkannt werden kann“.
Caspar David Friedrich: Hünengrab im Schnee (1807), Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister |
Caspar David Friedrich: Ruine Eldena mit Begräbnis (1801); Dresden, Kupferstich-Kabinett |
Jacob van Ruisdael: Der Judenfriedhof (um 1660); Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister |
Literaturhinweise
Börsch-Supan, Helmut: Caspar David Friedrich. Prestel-Verlag, München 41987, S. 82-87;
Grave, Johannes: Caspar David Friedrich. Prestel Verlag, München 2012, S. 162-169;
Hinz, Sigrid (Hrsg.): Caspar David Friedrich in Briefen und Bekenntnissen. Henschel Verlag, Berlin 1984
Scholl, Christian: Bildobjekt und Allegorie – Caspar David Friedrichs Selbstdeutungen zu „Mönch am Meer“, „Abtei im Eichwald“ und „Tetschener Altar“. In: Susanne H. Kolter u.a. (Hrsg.), Forschung 107. Kunstwissenschaftliche Studien Band 1. Herbert Utz Verlag, München 2004, S. 85-122;
Zimmermann, Reinhard: Das Geheimnis des Grabes und der Zukunft. Caspar David Friedrichs „Gedanken“ in den Bilderpaaren. In: Jahrbuch der Berliner Museen 42 (2000), S. 187-257.
(zuletzt bearbeitet am 21. März 2023)
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