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Donatello: Hl. Georg (um 1416); Florenz, Museo Nazionale del Bargello (für die Großansicht einfach anklicken)
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Donatellos Statue des Hl. Georg gilt heute als „Auftakt der
italienischen Renaissance-Skulptur“ (Schneider 2018, S. 43) und wurde bereits
im 15. und 16. Jahrhundert vielfach gerühmt. Über die Entstehung des Standbilds
liegen allerdings keine Quellen vor. Bevor es im 19. Jahrhundert in das Museo
Nazionale del Bargello von Florenz gelangte, schmückte es die Nische der Arte
dei Corazzai e Spadai an der Nordfassade von Orsanmichele. Der sowohl sakral
als auch – in seiner Funktion als Getreidespeicher – profan genutzte Bau aus
dem 14. Jahrhundert wurde als Gemeinschaftsprojekt von Stadt, Campagnia di
Laudesi, einer Laienbruderschaft, und Zünften errichtet. Die Ausstattung der 14
Nischen an der Außenfassade von Orsanmichele, die kurz nach 1400 einsetzte und
sich bis 1562 hinzog, gestaltete sich erkennbar als Konkurrenz zwischen den
Florentiner Zünften, sowohl was die Auswahl der Künstler wie auch den
finanziellen Aufwand insgesamt betraf. Schutzpatron der Harnischmacher- und
Schwertfegerzunft war der hl. Georg. Donatellos Relief am Nischensockel, auf
dem der Kampf des Heiligen mit dem Drachen dargestellt ist, lässt sich mit
Hilfe eines Dokuments in die Zeit um 1417 datieren. Die überlebensgroße Statue
selbst (209 cm) wird von den meisten Forscher*innen in den Zeitraum zwischen
1415 und 1417 datiert.
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Ein Blick, dem nichts entgeht
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Der jugendliche, ebenso entschlossen
wie besonnen wirkende Ritter steht aufrecht und breitbeinig mit beiden Füßen
auf einer rechteckigen Plinthe; der Rumpf ist betont gereckt, die muskulöse Brust
vorgewölbt. Vor dem Unterkörper hat er seinen schmalen Schild aufgepflanzt. Mit
dem rechten Arm, der auf der mehr in das Nischeninnere zurückgezogenen
Körperseite vertikal herabhängt, kontrastiert auf der anderen Seite die vor die
Körpermitte geführte linke Unterarm, dessen Hand den Schild stützt. Donatello
hat der Figur eine leichte Kontraposthaltung verliehen: Das linke Bein
fungiert, was durch den Schild etwas verdeckt wird, als Standbein. Nur
geringfügig ist das Spielbein zurückgesetzt; dadurch entsteht eine minimale
Drehung des Körpers nach rechts. Im Gegenzug ist der Kopf des jugendlichen
Helden nach links gewendet. Das aufrechte Stehen des Hl. Georg wird betont durch die Vertikale des Kreuzzeichens auf dem
Schild und den an der rechten Seite gerade herabhängenden Arm, die den Blick
nach oben zu Hals und Kopf führen.
Bekleidet ist der Hl. Georg mit einer antikisierenden Rüstung und einem über der
rechten Schulter zusammengeknoteten Mantel. Donatello hat den Kopf des Ritters mit
gelocktem Haar versehen, sein Blick ist zielgerichtet spähend in die Ferne
gerichtet, der Mund leicht geöffnet. Die gefurchte Stirn verrät innere
Anspannung. Dennoch ist die Figur in keinen narrativen Kontext eingebettet, ein
eindeutiger Handlungszusammenhang lässt sich nicht erkennen. Die Rechte
umfasste einst den Griff eines verlorenen Schwertes oder den Schaft einer Lanze.
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Der edle Ritter in der kompletten Originalnische (für die Großansicht einfach anklicken)
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Die Statue ist freistehend in eine
Nische gestellt, die noch gotischen Charakter hat mit ihrem wimpergähnlichen
Giebel und den fialenförmigen Ädikulen sowie dem einem Spitzbogen
eingeschriebenen Dreipass mit fischblasenförmigen Aushöhlungen. Das
hinterfangende Konchenrund ist mit Lochmustern ornamentiert. „Der an die
Trinität gemahnende dreieckige Giebel umschließt die Halbfigur Gottvaters mit
dem Dekalog in der Linken, während die segnende Rechte Georg Legitimation
zuspricht“ (Schneider 2018, S. 45).
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Michelangelo: David (1501-1504); Florenz, Galleria dell’Academia (für die Großansicht einfach anklicken)
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Gerühmt wurde Donatellos Skulptur in
der Renaissance besonders wegen ihrer „Prontezza“, d. h. wegen ihrer die ganze
Figur durchdringenden Wachheit und gespannten Körperhaltung: Sie
vergegenwärtigen ein „Bereitsein und Sichbereitzeigen“ (Poeschke 2001, S. 31),
im Vertrauen auf die eigene Stärke rasch und resolut zu handeln. Auch
bedeutende italienische Bildhauer haben Donatellos Statue geschätzt und als Inspiration
genutzt. Hier ist zuerst Michelangelos David
zu nennen, der 1504 vor dem Palazzo Vecchio in Florenz aufgestellt wurde und
wie Donatellos Statue einen jugendlichen Krieger zeigt. Michelangelo scheint
sich vor allem an der Physiognomie des Hl.
Georg mit seinen kräftigen Locken und dem konzentriert in die Ferne
gerichteten Blick orientiert zu haben. Was die Körperhaltung betrifft,
übernimmt der David aber nur den nach
unten hängenden rechten Arm. Die beim Hl.
Georg nur leicht angedeutete Torsion mit der leicht nach vorne geschobenen
linken Schulter und dem entsprechend versetzten linken Bein verändert
Michelangelo ganz im Sinne des klassischen Kontrapost. Außerdem steigert er die
leichte Kopfdrehung des Hl. Georg zu
einer kräftigen Wendung, die das Gesicht ins Profil rückt.
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Baccio Bandinelli: Herkules und Cacus (1533/34); Florenz, Piazza della Signoria
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1534 wurde als Pendant zu Michelangelos
David die Statuengruppe Herkules und Cacus von Baccio Bandinelli
(1488–1560) auf der Piazza della Signoria aufgestellt – auch sie orientiert
sich erkennbar an Donatellos Hl. Georg.
Gemeinsam ist beiden Skulpturen das Standmotiv mit leicht gegrätschter
Beinstellung. Auch die Haltung der Arme ist vergleichbar: Mit der Hand des
rechten herunterhängendes Arms hält Herkules seine Keule wie auch der Hl. Georg ursprünglich eine Waffe; an
die Stelle des Ritterschilds ist der besiegte Viehdieb Cacus getreten, dessen
Haarschopf Herkules mit seiner Linken gepackt hat. Deutlich unterschieden sind
jedoch die übertrieben wirkende Muskulatur bei Herkules, seine hässlich erscheinende
Physiognomie wie auch die heftige Kopfwendung.
Literaturhinweise
Gampp, Axel Christoph: «Diletto e maraviglia, piacere
e stupore». Donatellos hl. Georg aus der Sicht des Francesco Bocchi oder: Die
Wiedergeburt der Ethos-Figur aus dem Geist der Gegenreformation. In: Christine
Göttler u.a. (Hrsg.), Diletto e Maraviglia. Ausdruck und Wirkung in der Kunst
von der Renaissance bis zum Barock. Edition Imorde, Emsdetten 1998, S. 253-271;
Herzner, Volker:
Donatello und die »rinascita del arti«. In: Donatello-Studien.
F. Bruckmann A.-G., München 1989, S. 28-41;
Kummer, Stefan: Beobachtungen an Donatellos
Georgssstatue. Zu einer ›legendären‹ These Herbert Siebenhüners. In: Johannes Myssok/Jürgen Wiener (Hrsg.), Docta Manus.
Studien zur italienischen Skulptur für Joachim Poeschke. Rhema-Verlag, Münster
2007, S. 183-190;
Poeschke, Joachim:
Die Skulptur der Renaissance in Italien. Band 1: Donatello und seine Zeit.
Hirmer Verlag, München 1990, S.
19-20 und 91-92;
Poeschke, Joachim: „Prontezza“. Zu Donatellos
Georgsstatue und Albertis mutmaßlichem Selbstbildnis. In: Damian Dombrowski (Hrsg.), Zwischen den Welten.
Beiträge zur Kunstgeschichte für Jürg Meyer zur Capellen. VDG, Weimar 2001, S.
28-38;
Pope-Hennessy, John: Donatello. Sculptor.
Abbeville Press Inc., New York 1993, S. 46-48;
Schneider, Norbert: Kunst der Frührenaissance in Italien. Exemplarische
Interpretationen. Band 1: Skulptur. LIT Verlag, Karlsruhe 2017, S. 42-45;
Schröder, Gerald: »Ein
jeder folge seiner Phantasie« – Zu den Funktionsweisen der Imagination bei der
Betrachtung von Kunstwerken im 16. Jahrhundert am Beispiel der Statue des
heiligen Georg von Donatello. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 67 (2004), S.
25-54.
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