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Hans Holbein d.J.: Henry Guildford (1527); London; Royal Collection Trust (für die Großansicht einfach anklicken)
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Die 1527
entstandenen Pendant-Bildnisse von Sir Henry Guildford (1489–1532) und seiner
zweiten Ehefrau Mary Wotton (1499–1558), die sich heute in London und St. Louis
befinden, gehören zu den frühesten Porträtaufträgen, die Hans Holbein (1497/98–1543)
während seines ersten Englandaufenthaltes (1526–1528) erhielt (siehe meinen
Post „Ein Maler empfiehlt sich“). Der Auftrag ergab sich möglicherweise aus
Holbeins Tätigkeit im Zusammenhang mit der Dekoration eines Festsaales und
eines Theaters in der Nähe des Königlichen Palais in Greenwich. Heinrich VIII.
hatte diese Gebäude speziell für den Empfang einer französischen Gesandtschaft errichten
lassen, denn es sollte ein Friedensvertrag zwischen England und Frankreich
unterzeichnet werden. Als Hofzeremonienmeister lag die Organisation dieses
Ereignisses in den Händen von Henry Guildford, während Holbein – in den Quellen
„Master Hans“ genannt – mit einem großen Teil der Ausführung beauftragt war. So
kam es während der ersten Monate des Jahres 1527 zu einer intensiven
Zusammenarbeit der beiden Männer.
Holbein hat die voluminöse Gestalt von
Sir Henry so raumgreifend groß auf der Leinwand platziert, dass dessen linker
und rechter Arm von den beiden Bildrändern beschnitten werden. Der Porträtierte
trägt ein Wams aus kostbarem Goldbrokat, den per Gesetz nur höchste Adelige und
andere hochstehende Persönlichkeiten tragen durften. Die über die Brust hängende
Kette des Hosenbandordens war ihm 1526 verliegen worden. Der weiße Stab in
seiner rechten Hand ist das Attribut des „Comptroller of the Household“ – ein
Amt, das Guildford von 1525 bis 1531 innehatte.
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Hans Holbein d.J.: Lady Guildford (1527); St. Louis, St. Louis Art Museum (für die Großansicht einfach anklicken)
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Mary Wotton war 27 Jahre alt, als
Holbein sie porträtierte. Das geht aus der Inschrift auf dem Bildnis in St.
Louis hervor, die links oben über dem Säulenkapitell angebracht ist. Sie war
die zweite Ehefrau von Henry Guildford, den sie 1525 heiratete. Auch in diesem Porträt
widmet der Maler der Kleidung große Aufmerksamkeit, wie ja überhaupt die verblüffend
naturalistische Wiedergabe von Textilien eines der hervorstechendstes
Kennzeichen von Holbeins Kunst ist. Besonders ins Auge fallen der prächtige
schwarze Pelz von Lady Guildfords Mantel und die aus Goldstoff bestehenden Unterärmel.
Quer über das Leibchen ihres Kostüms und über die Schultern herabhängend, trägt
sie sechs goldene Ketten. Ihre mit Perlen besetzte englische Haube und die
goldenen Ketten um ihren Hals, deren kürzeste mit einem von Juwelen verzierten
Anhänger versehen ist, komplettieren das Bild schier unbegrenzten Reichtums.
Sogar das Lesezeichen, das aus ihrem Buch herausragt, ist mit Perlen besetzt.
Eine bescheidenere Note in diesem
Porträt bildet der kleine Rosmarinzweig, der in ihrem Dekolleté steckt. Die
Pflanze symbolisiert seit alter Zeit Liebe und Treue und stellt damit eine Verbindung
zum Gatten her. Auf die Religiosität der Lady Guildford wiederum verweisen der
Rosenkranz und das kleine, in Leder gebundene Buch, das sie in ihren Händen
hält. Anhand der Inschrift auf dem Buchdeckel lässt sich erkennen, das es sich
hierbei um die „Vita Jesu Christi“ handelt, eine in ganz Westeuropa weit
verbreitete Erzählung des Lebens Jesu, die der Mönch Ludolf von Sachsen zwischen
1348 und 1368 verfasst hatte
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Hans Holbein d.J.: Ehepaarbildnis Jakob Meyer und Dorothea Kannengießer (1516); Basel, Kunstmuseum (für die Großansicht einfach anklicken)
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Um die beiden Bildnisse zu einer Einheit
zusammenzufassen, wenden sich die Figuren nicht nur einander zu, sondern werden
auch durch eine Gardinenstange im Hintergrund optisch miteinander verbunden. Im
Bildnis von Sir Henry ist an der Stange ein Vorhang befestigt, der allerdings
bei seinem Gegenstück fehlt. Hier befindet sich als Entsprechung die mit
Grotesken verzierte Säule am linken Bildrand. Ganz ähnlich lässt Holbein
mittels einer Architekturansicht als verbindendem Element die zwölf Jahre früher
entstandenen Pendant-Porträts von Jakob Meyer und dessen Ehefrau Dorothea
Kannengießer als zusammengehörig erscheinen. Die mit Grotesken geschmückte
Säule wiederum findet sich auch auf Holbeins Bildnis des Erasmus von Rotterdam
(siehe meinen Post „,Das bessere Bild zeigen seine Schriften‘“), hier in Form eines Pilasters. Den
Hintergrund der beiden Guildford-Porträts hat Holbein dekorativ mit Phantasie-Pflanzen
verziert; dabei kombinierte er Feigenblätter mit Weinranken – ein Motiv, dass
der Künstler auch auf anderen Bildnissen verwendet hat, z. B. dem von William
Reskimer (um 1534).
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Hans Holbein d.J.: Erasmus von Rotterdam (1523); London, National Gallery
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Hans Holbein d.J.: William Reskimer (1534); London, Royal Collection Trust
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Lady Guildfords Blässe korrespondiert
mit dem gemeißelten Säulenkapitell, das ein schreckerstarrtes Frauenantlitz zeigt.
Oskar Bätschmann und Pascal Griener sehen in diesem Kopf eine Anspielung auf
den Medusa-Mythos, deren Haupt die Macht besaß, jeden, der sie anblickte, in Stein
zu verwandeln. Holbein verweise damit auf „die magische Macht des Künstlers,
der die Natur nicht nur imitiert, sondern durch seinen Blick einfängt und
versteinert. Das Porträt seinerseits ist hypnotisch genug, um uns starr und
gefesselt vor ihm stehen zu lassen“ (Bätschmann/Griener 1997, S. 172).
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Holbeins gezeichnete Vorstudie (London, Royal Collection Trust)
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Hier lächelt sie noch ... (Basel, Kunstmuseum)
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Wie üblich fertigte Holbein vor dem
Malen der beiden Porträts erst gezeichnete Vorstudien an. Bei Lady Guildford
ist der Körper auf dem Gemälde im Vergleich zur Zeichnung in einer
Vierteldrehung nach rechts dargestellt. Außerdem blickt sie auf der Zeichnung
mit einem freundlichen Lächeln in Richtung ihres Gemahls, während sie auf dem Gemälde
mit einem neutralen, beinahe strengen Gesichtsausdruck wiedergegeben ist. Henry
Guildford hat auf der Vorstudie ein verhältnismäßig fleischiges Gesicht; im
gemalten Porträt sind die Gesichtszüge hingegen gestrafft und der Abstand
zwischen Augen, Nase und Mund etwas größer, was Absicht gewesen sein wird.
Literaturhinweise
Bätschmann, Oskar/Griener, Pascal: Hans
Holbein. DuMont Buchverlag, Köln 1997, S. 169-172;
Foister, Susan: Holbein in England. Tate Publishing,
London 2006, S. 26-28;
van der Ploeg, Peter: Mary Wotton, Lady
Guildford, 1527. In: Hans Holbein der Jüngere: 1497/98–1543. Porträtist der
Renaissance. Besler Verlag, Stutgart 2013, S. 64-67.
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