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Donatello: David (um 1415/16); Florenz, Bargello (für die Großansicht einfach anklicken)
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Donatellos Marmor-Statue des David
steht, man muss es so sagen, im Schatten seines weitaus bekannteren Bronze-David,
der frühesten freistehenden Aktfigur nachantiker Zeit und sicherlich eine der
bedeutendsten Skulpturen der italienischen Renaissance (siehe meinen Post
„Androgyne Sinnlichkeit“). Beide Skulpturen befinden sich heute im Museo
Nazionale del Bargello in Florenz. Der Marmor-David, um dessen genaue Entstehungszeit
die KunsthistorikerInnen immer noch streiten, wurde 1416 von der Florentiner
Stadtregierung erworben und in der Sala dei Priori im zweiten Obergeschoss des
Palazzo Vecchio aufgestellt. Der jugendliche David als Bezwinger Goliaths war
eine Symbolfigur der florentinischen Republik: Seine Statue verkörperte den
Selbstbehauptungswillen der Florentiner und ihre Zuversicht, alle Bedrohungen
ihrer Freiheit abwehren zu können. Sie gab darüber hinaus einem „Bewußtsein
stolzer Überlegenheit und sogar der Auserwähltheit Ausdruck: „denn der
Auserwählte Gottes, das war David ja vor allem“ (Herzner 1989, S. 33). Die
Aufstellung der Statue muss daher als „Akt politischer Selbstdarstellung“
(Herzner 1978, S. 106) verstanden werden.
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Donatello: David (um 1440); Florenz, Bargello (für die Großansicht einfach anklicken)
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In ein langärmeliges Lederwams und
einen großen Mantel gehüllt, ragt der biblische Held über dem abgeschlagenen
Kopf Goliaths auf, der zwischen seinen Beinen liegt. Das durchgedrückte
Standbein steht leicht erhöht, wodurch die linke Schulter deutlich angehoben
wird. Der Kopf ist leicht nach rechts geneigt, der rechte Arm vor den Körper
geführt, das Spielbein nach rechts ausgestellt. „Da der rechte Fuß weit außen
und tiefer steht, muß sich die ganze rechte Körperseite senken, noch die
Neigung des Kopfes ist eine Folge dieser Bewegungsmechanik“ (Herzner 1978, S.
70). Volker Herzner spricht von einem „leichten Spreizschritt“ (Herzner 1978,
S. 82), wobei das Körpergewicht mit einer Drehung der linken Körperseite auf
das linke Bein verlagert ist. Unterschenkel und Füße rahmen das Haupt Goliaths.
Zugleich wird der Oberkörper gegen die Beinstellung gedreht. Der linke Arm ist
angewinkelt und die Hand in die Hüfte gestützt, wo sie mit zwei Fingern den
Mantelbausch hält. Im Rumpf und in den Armen zeigt die Figur eine lässige,
kreisende Bewegung, über der sich das hochgereckte Haupt erhebt. Der
jugendliche Held stellt seinen Sieg stolz und selbstbewusst, ja beinahe
selbstgefällig zur Schau, als sei er mit Leichtigkeit errungen. „David wirkt nicht
zuletzt aufgrund der Körperhaltung keck und heiter“ (Hubert 2013, S. 189).
Helm und Schwert Goliaths fehlen. Dafür
hält David seine Schleuder, an der ursprünglich zwei wahrscheinlich metallene
Riemen befestigt waren, gut sichtbar in seiner rechten Hand und setzt sie
demonstrativ vor Goliaths Kopf ab. Obwohl der todbringende Stein textgetreu
fest in der Stirn des Riesen sitzt (1. Samuel 17,49), liegt deutlich erkennbar
ein weiterer Stein in der Schlaufe – David ist wieder kampfbereit und blickt
mit der Selbstgewissheit des Siegers auf potentielle neue Gegner. Und:
Anschaulicher kann mit der tödlichen Wirkung seiner Waffe nicht gedroht werden.
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Der biblische Held mit Efeu im Haar und dem Mantels des Verlierers
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Davids eng anliegendes Lederwams ist
von schlichter Machart, wie sich an den Nähten erkennen lässt. Kurz geschnitten,
betont es die nackten Beine des Hirtenknaben. In auffälligem Kontrast dazu
steht der große, mit Fransen gesäumte Umhang, der die Figur von hinten umhüllt
und ihre Beine fast vollständig verdeckt. Obwohl mit der linken Hand gerafft,
ist der Mantel dennoch so lang, dass er auf der Rückseite über die Bodenplatte
herunterfällt und vorne auf dem Boden aufliegt. Der weite Umhang passt
allerdings nicht zur biblischen Erzählung, nach der David mit möglichst großer
Bewegungsfreiheit kämpfen wollte (1. Samuel 17,38-39). Hans W. Hubert sieht in
dem Mantel eine Anspielung auf das vor der Brust verknotete Löwenfell des Herkules:
„Demnach könnte es sich wie beim Fell des Nemeischen Löwen um eine Trophäe
handeln, d. h. um den Mantel des Riesen Goliath, den sich David als Zeichen
seines Sieges umgelegt hat“ (Hubert 2013, S. 191). Auch der Ehrenkranz auf Davids
Haupt ist ein Indiz dafür, dass der Umhang als Auszeichnung des Helden
verstehen werden kann. Der Kranz selbst besteht aus Efeu – eine Pflanze, die ewigen
Ruhm symbolisiert, da sie nicht welkt. Für Herzner verweist die Pflanze
allerdings ausdrücklich auf David als Psalmendichter, denn der Efeu betone „die
andere Seite im Wesen Davids: der junge Held ist sowohl ein Mann der Waffen als
auch ein Mann des Wortes und des Geistes“ (Herzner 1978, S. 108).
Neu an Donatallos Figur im Vergleich zu
noch gotisch geprägten Statuen ist die entschiedene Betonung des Körpers, wobei
die nackten und die bekleideten Partien sowie die eng anliegenden und die nur
locker umhüllenden Gewandstücke erkennbar miteinander konstrastieren. Donatello
bildet sogar die Bauchfalte mit ab, die die Brust vom seitlich eingezogenen
Unterleib und dem sich vorwölbenden Bauch absetzt. Der Leib Davids ist zwar
anatomisch durchmodelliert, weicht aber von den Vorbildern der klassischen
Antike erkennbar ab, wie Ulrich Pfisterer feststellt: Schon der Kontrapost mit
der auf der Spielbein-Seite in die Hüfte gestemmten Hand ist anders angelegt
als bei den Statuen des Altertums, bei denen das kontrahierte Bein nicht mit
dem kontrahierten Arm paralellisiert wird. „Und weder für den sich nach vorn
wölbenden Bauch des Knaben noch dessen weich-sinnliche, oft als androgyn
beschriebene Brustpartie finden sich antike Vergleichsbeispiele“ (Pfisterer
2002, S. 355). Der Marmor-David zeigt also eine durchaus antike Grundhaltung,
die aber im Detail durch eigene Naturbeobachtungen Donatellos naturalistische
Züge erhält. Die Haltung des jungen Helden sei nicht, so Herzner, aus
vorgegebenen Stilmustern abzuleiten – sondern vielmehr „die körperliche Geste
eines überschwänglichen Siegerstolzes“ (Herzner 1978, S. 82).
Darüber hinaus werden durch Nähte,
Fransen und Fältchen im Gewand Davids „mehr als sonst in der Skulptur dieser Zeit
stoffliche Valeurs zur Geltung gebracht“ (Poeschke 1990, S. 88). Das gilt
ebenso für das von feinen Fältchen durchzogene Gesicht Goliaths. Hier wird mit
Hilfe des rilievo schiacciato eine erstaunliche
Differenzierung der Gesichtszüge und Haarmassen erreicht. Die sorgfältige,
detailgenaue Ausführung, die an der gesamten Figur zu beobachten ist, spricht sehr
dafür, dass die Statue von Anfang an auf Nahsicht konzipiert war.
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Donatello: Hl. Georg (um 1416); Florenz, Bargello (für die Großansicht einfach anklicken)
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Als Vergleichsobjekt bietet sich Donatellos
Statue des Hl. Georg an (siehe meinen
Post „Immer auf dem Kiwief“), die um 1416 entstanden ist: Die Köpfe der beiden
Figuren weisen sowohl im Profil als auch in der Frontalansicht eine erkennbare
Verwandtschaft auf, nicht zuletzt in der Gestaltung des Mundes. Die
Sichellocken auf beiden Köpfen sind einander sehr ähnlich, die Haarkalotte ist
jeweils nur in flachstem Relief wiedergegeben. Auch der schlanke Hals, der sich
aus dem vom Umhang freigelassenen Schulteransatz erhebt, ist gut vergleichbar,
ebenso der über die Schultern und einen Oberarm gelegte, vor der Brust
geknotete Umhang. Herzner plädiert deswegen für eine Entstehung des
Marmor-David in den Jahren 1415/16 – entgegen der weit verbreiteteten Ansicht
der Kunsthistoriker, die Statue sei bereits 1408 in Auftrag gegeben worden.
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Erkennbare Ähnlichkeit der Köpfe
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Donatello: Kopf des Evangelisten Johannes (um 1412/15); Florenz, Museo dell’Opera del Duomo
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Auch diesen Kopf hat Donatello recycelt
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Allerdings ist das Gesicht des Hl. Georg deutlich individualisierter: Die
Augenbrauen sind in angespannter Konzentration zusammengezogen, der Blick sucht
ein Ziel in einer Richtung, dem die Kopfwendung noch nicht folgt – Ausdruck einer
wachen, reaktionsschnellen Kampfbereitschaft. Der Kopf des Goliath wiederum
ähnelt wiederum dem des Evangelisten Johannes, dessen Statue um 1415 vollendet
hatte und die sich heute im Museo dell’Opera del Duomo in Florenz befindet.
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Michelangelo: David (1501-04); Florenz, Galleria dell’Accademia (für die Großansicht einfach anklicken)
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Die politische Akzentuierung und
Aktualisierung, die Donatellos Marmor-David prägt, bestimmt auch Michelangelos
1504 aufgestellten David. Folgerichtig
verzichtet er gänzlich auf das Haupt Goliaths; die Einzelfigur personifiziert auch
knapp hundert Jahre später die Wehrhaftigkeit und Kampfbereitschaft einer Stadt,
die sich, Gottes Beistand gewiss, jedem Feind selbstbewusst entgegenstellen
wird.
Unter rilievo schiacciato (ital. „gedrängtes,
gequetschtes, plattes Relief“) versteht man eine von Donatello entwickelte
künstlerische Technik: Es handelt sich um eine minutiöse Oberflächenbehandlung
im Relief, durch die in besonderem Maß zeichnerisch-malerische Effekte und
tiefenräumliche Illusion erzielt werden.
Literaturhinweise
Caglioti, Francesco u.a.: Reconsidering the
Young Donatello. In: Jahrbuch der Berliner Museen 57 (2015), S. 15-45;
Donato, Maria Monica: Hercules and David
in the Early Decoration of the Palazzo Vecchio: Manuscript Evidence. In:
Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 54 (1991), S. 83-98;
Herzner, Volker: David Florentinus. I. Zum
Marmordavid Donatellos im Bargello. In: Jahrbuch der Berliner Museen 20 (1978),
S. 43-115;
Hubert, Hans W.: Gestaltungen des
Heroischen in den Florentiner David-Plastiken. In: Achim Aurnhammer/Manfred
Pfister (Hrsg.), Heroen und Heroisierungen in der Renaissance. Harrassowitz
Verlag, Wiesbaden 2013, S. 181-218;
Lisner, Margit: Josua und David – Nannis
und Donatellos Statuen für den Tribuna-Zyklus des Florentiner Doms. In:
Pantheon 32 (1974), S. 232-243;
Poeschke, Joachim: Die Skulptur der Renaissance in Italien. Band
1: Donatello und seine Zeit. Hirmer Verlag, München 1990, S. 87-88;
Pope-Hennessy, John: Donatello: Sculptor.
Abbeville Press, New York 1993, S. 40-46.
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