Freitag, 18. August 2023

Porträt-Kunst der italienischen Spätrenaissance (2): Agnolo Bronzinos „Bildnis einer Dame in Grün“

Agnolo Bronzino: Bildnis einer Dame in Grün (um 1530/32); Windsor,
Windsor Castle/Royal Collection (für die Großansicht einfach anklicken)
Vor einem dunkelroten Hintergrund zeigt dieses Bildnis, gemalt von Agnolo Bronzino (1503–1572), entstanden um 1530/32 und heute in Windsor Castle aufbewahrt, eine junge Dame in Halbfigur, die ihre Hände vor dem Leib übereinandergelegt hat und den linken Arm auf ein nur angedeutetes Möbel stützt. Fast frontal präsentiert, scheint sie den Betrachter sehr aufmerksam, beinahe durchdringend zu mustern. Sie trägt ein fein plissiertes Untergewand, das am Kragen, an der mittleren Leiste und am Saum des Ärmels mit eleganten Stickereien in Schwarz verziert ist, darüber ein grünes Kleid mit grau-beigen Streifenapplikationen und gerüschten Puffärmeln, an die engere Unterärmel aus geschlitztem Leder angenäht sind. Der Ausschnitt des Kleides wird von zwei aufgesetzten Zierstreifen umrahmt; ein dritter in Blau verdeckt den Übergang vom Oberteil, dem Mieder, zum ausgestellten Faltenrock.

Ihr braunes Haar hat die Frau unter einer ebenfalls grünen, mit Goldfäden reich gemusterten Wulsthaube (balzo) zusammengesteckt. Dort findet sich das Grün des Kleides wieder. Mit der linken Hand hält sie ein halb transparentes Stück Stoff, bei dem es sich vermutlich um einen Handschuh handelt. Den Zeigefinger an der marmorhaft blassen Linken ziert ein Ring.

Charakteristisch für das Porträt des Manierismus (also etwa der Zeitspanne zwischen 1520 und 1600) sind verzerrte Körperproportionen: Hals und Finger werden überlängt, während der Kopf verkleinert erscheint. Der Oberkörper ist oft in sich gedreht, was eine beinahe schraubenförmige Körperhaltung zur Folge haben kann. Bei der Dame in Grün sind diese Kennzeichen manieristischer Bildnisse etwas zurückhaltender eingesetzt und dafür umso raffinierter komponiert: Arm und Schulter bilden eine Raute, mit der die Figur fest in das Bildgeviert eingespannt ist. Die beigefarbenen Streifen der Ärmel führen den Blick des Betrachters von den Händen zum Kopf der Porträtierten und wieder zurück. Die rechte Schulter ist leicht nach vorne gedreht, das Haupt kaum merklich aus der En-face-Ansicht gewendet und leicht geneigt.

Agnolo Bronzino: Bildnis einer Dame in Rot (um 1533), Frankfurt,
Städel Museum (für die Großansicht einfach anklicken)

Unmittelbar fortgeführt hat Bronzino diesen Porträttypus in seinem Frankfurter Bildnis einer Dame in Rot. Gerade in den Detailformen der physiognomisch durchaus unterschiedlichen Gesichter sind die Parallelen frappierend, etwa bei der Form des Mundes mit der schmalen Oberlippe, den deutlich betonten Mundwinkeln und der prononcierten Unterlippe. „In der Plissierung des Untergewandes hat der Maler im Städel-Bild aber einen noch virtuoseren Grad an Differenzierung erreicht“ (Eclercy 2016, S. 166).

Bronzino zählt, auch wenn sein Aktionsradius sich auf Florenz und das Großherzogtum Toskana beschränkte, neben dem europaweit agierenden Tizian (um 1488–1576) zu den führenden italienischen Porträtmalern des Cinquecento. 1530 wurde die Republik Florenz elf Monate lang von einem kaiserlich-päpstlichen Heer belagert, denn Karl V. hatte dem Medici-Papst Clemens versprochen, die Herrschaft seiner Familie in deren Heimatstadt wiederherzustellen. Die Florentiner mussten sich schließlich, durch Hungersnöte und Epidemien gezwungen, dem kaiserlichen Willen beugen: Allesandro de‘ Medici (1510–1537) wurde neuer Herzog von Florenz. Nach Ende der Belagerung ging Bronzino 1530 für zwei Jahre nach Pesaro an den Hof des Herzogs von Urbino, Francesco Maria I. della Rovere. Dort entwickelte er seinen stupenden, bis heute bewunderungswürdigen Detailrealismus, der sich durch ein beinahe obsessives Interesse für die Oberflächen-Texturen unterschiedlichster Stoffe und Materialien auszeichnet.

 

Literaturhinweise

Eclercy, Bastian: Agnolo Bronzino, Bildnis einer Dame in Grün, um 1530/32. In: Bastian Eclercy (Hrsg.), Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici. Prestel Verlag, München 2016, S. 166;

Falciani, Carlo/Natali, Antonio (Hrsg.): Bronzino. Artist and Peot at the Court of the Medici. Mandragora, Firenze 2010, S. 256.

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