Rogier van der Weyden: Braque-Triptychon, Mitteltafel (um 1452/53); Paris Louvre (für die Großansicht einfach anklicken) |
Fünf Halbfiguren in Isokephalie nebeneinander aufgereiht |
Johannes der Täufer, linker Seitenflügel |
Rogier van der Weyden: Medici-Madonna (1453/60); Frankfurt, Städel Museum (für die Großansicht einfach anklicken) |
Kopie nach Jan van Eyck: Christusporträt (um 1500); München, Alte Pinakothek |
Rogier van der Weyden: Pietà (um 1441); Brüssel, Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique |
Johannes der Täufer ist von Rogier allerdings durch den gleichnamigen Evangelisten ersetzt worden. Er vollzieht seinerseits eine segnende Geste über einem Kelch, den er in der linken Hand hält. Eines seiner Attribute ist ein solcher Kelch, in dem sich eine Schlange windet, da Johannes der Legenda aurea nach aus einem Giftbecher trank, ohne Schaden zu nehmen. Da bei Rogier jedoch die Giftschlange fehlt, geht Dirk de Vos davon aus, dass hier der Messkelch gemeint ist. „Der Text, den Christus spricht, gestattet die Annahme, daß er hier das Brot repräsentiert und der Kelch des Johannes den Wein.“ (De Vos 1999, S. 268). Rogier verschmilzt auf der Mitteltafel also eine Deesis mit dem Eucharistie-Gedanken.
Maria Magdalena, rechter Seitenflügel |
Auf dem rechten Flügel ist die weinende Maria Magdalena mit einem Salbgefäß dargestellt. Während über den Köpfen aller anderen Figuren und in der Höhe ihrer Münder geschwungene Sprechtexte schweben, ist der Bibelvers über Magdalena als gerade Zeile wiedergegeben, weil er von ihr handelt und sie ihn nicht selbst ausspricht: „Da nahm Maria [Magdalena] ein Pfund Salböl von unverfälschter, kostbarer Narde und salbte die Füße Jesu“ (Johannes 12,3; LUT). Auf ihrer orientalisch gemeinten runden Kopfbedeckung stehen weiß auf Weiß gestickte hebräische Lettern, die noch nicht überzeugend entziffert werden konnten. Auch ihre Funktion innerhalb des Triptychons ist nicht ganz eindeutig: Möglicherweise vertritt sie als bekehrte Sünderin die Menschheit, die nach den Worten Johannes des Täufers durch Christus von ihren Sünden befreit wird. Vielleicht ist sie als Büßerin aber auch das weibliche Gegenstück zum Bußheiligen Johannes der Täufer. Ihre Tränen in Verbindung mit dem Salbgefäß verweisen darauf, dass sie Christus die Füße salbte, nachdem sie diese mit ihren Füßen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet hatte (Johannes 12,1-3). Gerühmt wird an der Figur immer wieder, mit welcher Meisterschaft Rogier die Textur ihres langen Haars wiedergibt und den linken Brokatärmel mit farblicher Leuchtkraft versieht.
Die Rückseiten der beiden Seitenflügel |
Das geschlossene Triptychon zeigt als Memento mori links einen Schädel auf einem von der Zeit zerfressenen Ziegelstein, rechts ist ein verwittertes Steinkreuz abgebildet. In der rechten und linken oberen Ecke befinden sich jeweils ein Wappen, mit deren Hilfe es gelang, das Stifterpaar zu identifizieren. Es handelt sich um Jean Braque aus Tournai und seine Ehefrau Katharina von Brabant, die 1450 geheiratet hatten. Jean Braque starb am 25. Juni 1452; wahrscheinlich ist, dass seine Frau das Triptychon als eine Art Epitaph oder Gedenkbild in Auftrag gegeben hat. Denn es gibt einige Hinweise auf die Person ihres Mannes und seinen Tod: Dass die beiden Johannes dargestellt sind, hängt sicherlich mit seinem Vornamen zusammen. Außerdem liegt der Schädel unter seinem Wappen und ruht auf einem Ziegel, was als Verbildlichung seines Familiennamens verstanden werden kann (Braque, brique). Rechts neben dem Steinkreuz steht ein Text aus dem apokryphen Buch Jesus Sirach (41,1), der auf den bitteren Geschmack des Todes anspielt, wenn dieser einen glücklichen Mann trifft. In der Weltkugel Christi spiegelt sich sehr deutlich ein Zimmerfenster – für De Vos ein Hinweis darauf, dass das Triptychon wahrscheinlich in einem häuslichen Kontext aufgestellt war.
Piero della Francesca: Battista Sforza und Federigo da Monefeltro (um 1472/73); Florenz, Uffizien |
Die durchgehende, sich über alle drei Tafeln erstreckende und naturalistisch wirkende Landschaftsdarstellung im Hintergrund war zur damaligen Zeit für ein religiöses Thema einzigartig. In der italienischen Malerei kam sie erst um 1465/70 auf und entstand zweifellos unter flämischen Einfluss. Als berühmtes Beispiel sei Piero della Francescas Doppel-Profilbildnis des Federigo da Montefeltro und seiner Ehefrau Battista Sforza angeführt. Bei Rogier hat der Ausblick in eine weite, lichtüberflutete Landschaft aber religiös-symbolische Bedeutung: Sie meint die ganze Welt, über die Christus herrscht und in die er mit seiner Menschwerdung hinabgestiegen ist. Darauf bezieht sich der Spruch des Evangelisten Johannes neben Christus: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“ (Johannes 1,14; LUT). „Mahnte die düstere Außenseite an den unausweichlichen Tod, eröffnete die weite, strahlende Innenseite mit den heiligen Gestalten dem gläubigen Betrachter die Hoffnung auf Erlösung“ (Kemperdick 1999, S. 77). Der Todesgedanke wird von dem lebendigen Christus im Bildzentrum verdrängt.
Rogier van der Weyden: Weltgericht (um 1443-1453; Ausschnitt aus der Mitteltafel); Beaune, Hotel-Dieu |
Künstlerisch steht das symmetrisch angelegte Braque-Triptychon dem Weltgerichtsaltar in Beaune sehr nahe (siehe meinen Post „Die zur Linken, die zur Rechten“). Der Kopf Mariens und insbesondere derjenige Christi sind den entsprechenden Häuptern auf dem Weltgericht so ähnlich, dass sie nach derselben Vorlage angefertigt sein müssen.
Literaturhinweise
Belting, Hans/Kruse, Christian: Die Erfindung des Gemäldes. Das erste Jahrhundert der niederländischen Malerei. Hirmer Verlag, München 1994, S. 187-188;
De Vos, Dirk: Rogier van der Weyden. Das Gesamtwerk. Hirmer Verlag, München 1999, S. 268-273;
Kemperdick, Stephan: Rogier van der Weyden 1399/1400–1464. Könemann Verlagsgesellschaft, Köln 1999, S. 71-77;
Pächt, Otto: Altniederländische Malerei. Von Rogier van der Weyden bis Gerard David. Prestel-Verlag, München 1994, S. 50-52;
LUT = Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
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