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Paolo Veronese: Das Gastmahl im Haus des Levi (1573); Venedig, Accademia (für die Großansicht anklicken)
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Am 14. Februar 1571 brach
in dem venezianischen Kloster SS. Giovanni e Paolo ein Feuer aus, das
erheblichen Schaden verursachte: So ging u.a. mit dem Refektorium eine
Darstellung des Letzten Abendmahls von Tizian (1488–1576) in Flammen
auf. Die zerstörten Gebäudeteile konnten rasch wieder aufgebaut werden, und
auch ein Ersatz für das Abendmahlsbild wurde in Auftrag gegeben – jedoch nicht
erneut bei Tizian, sondern bei Paolo Veronese (1528–1588), der mit Werken wie Die
Hochzeit zu Kana und verschiedenen Fassungen des Gastmahls im Haus des
Simon im Veneto zu Ruhm gelangt war. Die riesige, für die Rückwand des
Refektoriums bestimmte Leinwand (5550 x 1280 cm) wurde am 20. April 1573
fertiggestellt (so jedenfalls lautet die Datierung auf dem Gemälde) – und rief
alsbald die Inquisition auf den Plan.
Nicht der Künstler, sondern
der Prior von SS. Giovanni e Paolo wurde zunächst vor die Inquisition zitiert.
Er übermittelte Veronese, dass dieser grundlegende Änderungen an dem Gemälde
vorzunehmen habe. Erst als deutlich wurde, dass der Künstler offenbar wenig
geneigt war, diesen gleichermaßen als Rat und Warnung zu begreifenden Wünschen
zu entsprechen, musste er sich selbst vor der Inquisition verantworten. Im Juli
1573 fand sich Veronese zum Verhör ein; Grund der Vernehmung war, dass man
zahlreiche der lebensgroßen Gestalten auf der vielfigurigen Leinwand als
„unpassend“ empfand. Der Maler hatte in den Augen der Inquisition das Bildthema
in geradezu blasphemischer Weise „entstellt“, und zwar durch weitere
Tischgenossen neben den Aposteln: durch den Zeremonienmeister und Bediente,
durch Mohren, einen Mann, der sich mit einem Zahnstocher die Zähne reinigt,
eine Gestalt mit blutender Nase, einen Narren mit Papagei, einen Hund, deutsche
Landsknechte und anderes mehr, das Ganze in einer prunkvollen dreiteiligen Loggia
mit Ausblick auf eine Stadtarchitektur der Renaissance. Dabei mussten deutsche
Landsknechte, ganz abgesehen von ihrer Deplatziertheit beim Letzten Abendmahl,
auch die Befürchtung lutherischer Unterwanderung heraufbeschwören …
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Lutherische Unterwanderung durch deutsche Landsknechte?
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Der Künstler wurde mit der
Auflage entlassen, das Gemälde in einer Frist von drei Monaten zu überarbeiten.
Doch Veronese änderte an den kritisierten Personen auf dem Bild nichts. Er ließ
alles so, wie es war – und gab dem Bild lediglich einen neuen Titel: Aus dem Letzten
Abendmahl wurde Das Gastmahl im Haus des Levi. Sicherheitshalber
wurde die Bibelstelle gleich mit angegeben: „LUCAE CAP(ITULUM) V“. Die
beanstandeten Figuren konnten dem Maler nun nicht mehr als Verstoß gegen das decorum
angekreidet werden; sie waren vielmehr mit vollem Recht abgebildet, hatte sich
Christus doch, wie im Lukas-Evangelium nachzulesen ist, mit Sündern zu Tisch
begeben (Lukas 5,27-32). Das riesige Format und der grandiose künstlerische
Luxus Veroneses standen scheinbar in umgekehrtem Verhältnis zum religiösen
Gewicht des Bildthemas, mehr noch: Die biblische Erzählung schien regelrecht
zum bloßen Vorwand degradiert worden zu sein. Doch die Inquisitoren waren mit
dieser Lösung offensichtlich zufrieden, denn es wurden keine weiteren Schritte
gegen Veronese unternommen.
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Hier spielt die Musik: die drei Männer im Zentrum des Bildes
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Dennoch bleibt die Frage,
wie ein solches inhaltliches „Umtaufen“ möglich war, denn zum Letzten Abendmahl
gehören traditionell Handlungselemente wie die Einsetzung der Eucharistie und
oder die Verratsankündigung. Davon ist auf Veroneses Bild nichts zu erkennen:
Die Apostel sind zu gelassen, die Atmosphäre wirkt entspannt, Christus befindet
sich im Gespräch mit Johannes, das er in seinem Evangelium als Abschiedsreden
Jesu überliefert. Johannes weicht in der Schilderung des Abendmahls von den
Synoptikern ab. Er berichtet, dass Judas, nachdem er von Jesus als Verräter
gekennzeichnet worden ist, aufsteht und den Raum verlässt. Danach hält Christus
seine Abschiedsreden an die Jünger (Johannes 13,1-17,26). In Veroneses
Darstellung hat Judas seinen Platz noch nicht verlassen, doch er dreht sich zu
einem Pagen um, dessen Geste in diesem Zusammenhang erst verständlich wird: Der
Junge zeigt in die Richtung, in der Judas den Ausgang finden wird. Dass Judas
noch anwesend ist, verweist wiederum auf das Geschehen, das seinem Abtritt
vorausgeht: Das eigentliche Thema des Bildes sind die Abschiedsreden.
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Albrecht Dürer: Abendmahl (1523); Holzschnitt
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Die Abschiedsreden Jesu sind
als Bildmotiv so selten aufgegriffen worden, dass von einer nennenswerten
Darstellungstradition nicht gesprochen werden kann. Was durchaus
nachvollziehbar ist: Eine Rede, ohne sichtbare äußere Handlung, ist im Prinzip
kein dankbares Thema für einen Maler. Erst in Albrecht Dürers Holzschnitt von
1523, dass ein Letztes Abendmahl zeigt, rückt das Thema erkennbar in den
Mittelpunkt: Es besteht kein Zweifel, dass Dürer die Abschiedsreden Jesu
illustrieren wollte, denn es sind nur noch elf Apostel anwesend; Judas hat die
Gemeinschaft bereits verlassen (siehe meinen Post „Schmuckloses Abendmahl“).
Im Gastmahl im Haus des Levi fällt Christus nicht durch Aktion oder
Gestik auf, wir sehen keinen deklamierenden Redner, wortgewaltigen Prediger
oder Lehrer. Veronese hebt ihn allein durch die Komposition hervor. Sein
wichtigstes Instrument ist die Symmetrie, der die Gesamtanlage des Bildes
unterworfen wird. Das gleiche Kompositionsprinzip hatte Veronese bereits in
seiner Hochzeit zu Kana (1592/93; heute im Louvre) verwendet. Die
Symmetrie beherrscht im Levi-Gastmahl aber auch gesondert den
Mittelteil. Hier nimmt Christus den Ehrenplatz in der Mitte der Arkade ein. Die
sehr stabile Ordnung spiegelt die erhabene und gelöste Ruhe, die von Christus
ausgeht. „Die Atmosphäre, die durch die gestalterischen Mittel erzeugt wird,
veranschaulicht geradezu die Worte, die Christus unmittelbar nach dem Weggang
des Judas spricht: ,Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist
verherrlicht in ihm‘ (Joh. 13,31)“ (Gottdang 2000, S. 210). Diesen Moment zeigt
uns Veronese; er hebt Christus hervor, aber ohne ihn zu entrücken oder gar zu
isolieren.
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Paolo Veronese: Die Hochzeit zu Kana (15..); Paris, Louvre (für die Großansicht einfach anklicken)
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Christus neigt sich
Johannes, seinem Lieblingsjünger und hier Stellvertreter aller Zuhörenden. In
vielen Abendmahlsdarstellungen ist Johannes an die Brust Christi gesunken, oder
er schläft, den Kopf auf die Arme gelegt, am Tisch. Veronese zeigt uns Johannes
hellwach. Die kaum wahrnehmbare Bewegung seiner rechten Hand lässt darauf
schließen, dass er nicht passiv zuhört: Er will begreifen und verinnerlichen,
was er gehört hat. Ein Zwiegespräch, wie Veronese es darstellt, wird im
Johannes-Evangelium allerdings nicht erwähnt. Wahrscheinlich fällt die Rolle
des besonders aufmerksamen Zuhörers Johannes zu, weil er die langen
Abschiedsreden für die Nachwelt aufschreiben wird.
Abschied nehmend,
verspricht Jesus seine baldige Wiederkehr. Für die Zwischenzeit kündigt er das
Kommen eines Helfers an, den der Vater schicken wird. Der Heilige Geist wird
die Jünger leiten. Vom Hass der Welt erfahren die Apostel, von der Nachfolge
Petri und seiner dreimaligen Verleugnung Christi. Immer wieder richtet Christus
seine Zuhörer mit tröstenden Worten auf. Neben Johannes ist vor allem den
Aposteln an den Schmalseiten der Tafel das Bemühen um ein Verstehen der
Botschaft anzumerken. Der links außen sitzende Jünger horcht mit konzentriertem
Blick, der am entgegengesetzten Ende der Tafel ist in sich gekehrt. Alle
Teilnehmer lassen erkennen, dass die versöhnlichen Worte Christi ihre Wirkung
nicht verfehlen. Die Apostel sind ernst, aber nicht traurig oder gar
erschüttert, denn der Tod Jesu wird ihnen als Notwendigkeit erklärt: Nur durch
die Passion Christi ist die Menschheit vom ewigen Tod zu erlösen.
Es gibt noch einen weiteren
Grund für die Gelassenheit der Apostel: Rückt beim Verrat des Judas die Untat
einen Einzelnen in den Mittelpunkt, wird nun die Gemeinschaft der Jünger beschworen.
Der Kern der Abschiedsreden liegt in dem neuen Gebot, das Christus seinen
Jüngern aufträgt: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander
liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird
jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander
habt“ (Johannes 13,34-35). „Ihr Sinngehalt macht die Abschiedsreden Jesu zu
einem überaus geeigneten Thema für ein Gemälde, das den Raum schmücken sollte,
in dem die Mönche zum gemeinsamen Mahl zusammenkamen. Dort konnten sie
Veroneses Bild betrachten, das ihnen die Gemeinschaft der Apostel als Vorbild
anbot“ (Gottdang 2000, S. 212).
Insgesamt sitzen fünfzehn
Personen an der Tafel. Einer von ihnen ist der reich gekleidete Gastgeber. Der
distinguiert aussehende Herr mit dem gedankenverlorenen Blick in der Mitte der
rechten Arkade dürfte wohl ebenfalls kein Apostel sein. Die Apostel werden
traditionell als Männer im fortgeschrittenen oder besten Alter dargestellt, die
nachlässig gepflegte Bärte tragen und ansatzweise oder ausgeprägte Stirnglatzen
haben. Der dickleibige Gast, der am linken Tafelende sitzt, wird als Typus
gerne von Veronese eingesetzt – er begegnet uns im Bild selbst nochmals als
Koch –, aber nie als Apostel. Der gepflegte und sorgfältig frisierte Gast, der
ein Stück weiter rechts zwischen den Architekturelementen sichtbar wird,
entspricht in Aussehen und Verhalten (er bearbeitet seine Zähne mit einem
Zahnstocher) gleichfalls nicht dem Bild eines Apostels. Wenn der korpulente
Herr und sein Nachbar nur Gäste sind, fehlen jedoch zwei Apostel – die sich
aber finden lassen: Links haben wir in dem stehenden Mann, der den Jünger mit
dem Pilgerhut auf Christus verweist, eine typische Apostelgestalt vor uns. Der
zweite gesuchte Apostel reicht, unter der rechten Arkade stehend, einem Mädchen
ein Stück Brot über die Balustrade hinunter.
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Einer hat verstanden und gibt das Brot weiter
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Ist die Identifikation der
Apostel aber richtig, sitzen nicht nur zwei, sondern sogar vier Personen zu
viel am Tisch. Die Erweiterung der Tischgemeinschaft könnte darauf verweisen,
dass die Apostel das Liebesgebot ihres Herrn bereits umgesetzt haben, indem weitere
Gäste zur Tafel Platz eingeladen wurden – denn auch sie sollen Christ Worte hören,
und zwar von ihm selbst. Veronese mischt allerdings keine Bettler, Bedienstete
oder Handwerker unter die Gäste. Ihnen an der Tafel Platz einzuräumen, wäre im
16. Jahrhundert ein Verstoß gegen das „decorum“ gewesen. Daher wählte der Maler
Gäste aus, die in die festliche Umgebung passen und gab ihnen einen reichen
Pharisäer als Gastgeber. Trotzdem werden diejenigen, die an der Tafel fehlen,
nicht vergessen: Rechts im Bild übt der bereits erwähnte ältere Apostel, der
Brot verteilt, die in den Abschiedsreden von Jesus gepredigte Mildtätigkeit und
Nächstenliebe. Das Weiterreichen des Brotes stellt die einzige deutliche
Verknüpfung zwischen den Gästen des Abendmahles und den Statisten auf der
Treppe dar; nichts sonst legt dem Betrachter nahe, eine inhaltliche Verbindung
zwischen diesen Figuren und dem Geschehen bei Tisch herzustellen. Veronese hat
sorgfältig darauf geachtet, dass keine skurrile Gestalt in den mittleren
Bereich vordringt, den Christus dominiert.
Links von Christus sitzt
Petrus, der ein Stück Lamm aus der Schüssel hebt, die vor der Dreiergruppe
steht. Viele Zeitgenossen Veroneses gingen davon aus, dass das Letzte Abendmahl
ein Passahmahl war. Als solches bezeichnen es übereinstimmend die Evangelisten
Matthäus (26,17), Markus (14,12) und Lukas (22,8). Zum Passahmahl gehört
traditionell das Passahlamm, das an den Auszug des Volkes Israels aus Ägypten
erinnern soll. Diese Erzählung aus dem Alten Testament (2. Mose 12) wurde in
einen typologischen Zusammenhang mit dem Abendmahl gesetzt: Das Passahmahl ist
das Zeichen, das im wahren Lamm Gottes, nämlich Christus, seine Erfüllung
gefunden hat. Petrus hält ein Messer in der Hand, um das Lamm zu zerschneiden –
er hat daher den „Vorsitz“ an der Tafel, was als Vorwegnahme der besonderen Rolle
gedeutet werden kann, die dem Apostel von Jesus zugewiesen wird: „Du bist
Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten
der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des
Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden
sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein“ (Matthäus
16,18-19).
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Nichts außer Lamm, Brot und Wein wird serviert – ein Passahmahl
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Gleichzeitig gehört das
Zerteilen des Lammes auch auf die profane Ebene der wirklichkeitsnahen,
detailfreudigen und lebendigen Darstellung des Festgeschehens. Mit den
zahlreichen Bediensteten „dürfte Veronese die Erwartungen seiner Zeitgenossen
an ein Festbankett und einen perfekt organisierten, reichen Haushalt erfüllt
haben“ (Gottdang 2000, S. 214). Die Gäste sind gut versorgt; der Landsknecht
ist zwar der Einzige, der wirklich etwas zu sich nimmt, aber einige Gesten
signalisieren, dass bei diesem Mahl gegessen und getrunken wird: Den Gästen
wird Wein angeboten, Petrus teilt das Lamm auf, der Apostel an der linken
Schmalseite des Tisches hält ein Weinglas, ein anderer Gast benutzt den bereits
erwähnten Zahnstocher. Allerdings servieren Veroneses Pagen nur Lamm, Brot und
Wein. Die Gemeinschaft hat alles, was sie für das Abendmahl braucht, mehr
nicht. Der Aufwand, der betrieben wird, steht in keinem Verhältnis zur
Bescheidenheit des Menüs. Die Betriebsamkeit, die festliche Pracht und die
farblichen Reize, die Veronese auf seinem Gemälde entfaltet, haben immer wieder
Irritationen ausgelöst. Erklärungen wurden primär im soziokulturellen Umfeld
gesucht – viele Dominikaner von SS. Giovanni e Paolo stammten aus reichen
Familien und waren an einen hohen Lebensstandard gewöhnt.
In den Evangelien ist nichts gesagt über die gesellschaftliche Stellung
des Mannes, der Christus und den Jüngern das Abendmahl bereitete. Wir erfahren
lediglich, dass Jesus zwei von ihnen zur Vorbereitung in die Stadt schickt.
Nach Lukas sind es Petrus und Johannes, also die beiden, die an Veroneses Tafel
die Plätze an der Seite Christi einnehmen. Das geschäftige und abwechslungsreiche,
aber nicht hektische Treiben und die brillante Farbigkeit verleihen dem
Geschehen eine überaus festliche, ja heitere Stimmung – sie passt zur
majestätischen Gelassenheit Christi und seiner tröstlichen, ja frohen und
feierlichen Botschaft und dem neuen Liebesgebot, die er seinen Jüngern
verkündet.
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Der Künstler findet sich und sein Bild offensichtlich ganz großartig
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Apoll vom Belvedere (1489 aufgefunden); Rom, Vatikanische Mussen
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Übrigens, der ganz in Grün
gewandete Zeremonienmeister, zwischen der ersten und zweiten Arkade platziert,
gilt als Selbstbildnis Veroneses: Im vollen Bewusstsein seines herausragenden
Könnens schreitet der Künstler in der Pose des Apoll vom Belvedere von
dannen … (siehe meinen Post „Vollkommenheit
schlechthin“).
Literaturhinweise
Fehl, Philipp: Veronese and the Inquisition. A study of the
subject matter of the so-called ›Feast in the House of Levi‹. In:
Gazette des Beaux-Arts 58 (1961), S. 325-354;
Gottdang, Andrea: Paolo Veroneses
„Gastmahl im Haus des Levi“. Die Revision eines Falls. In. Das Münster 3
(2000), S. 202-217;
Grasman, Edward: On Closer Inspection –the Interrogation of
Paolo Veronese. In: artibus et historiae 59 (2009), S. 125-134;
Priever, Andreas: Paolo Valiari,
genannt Veronese 1528–1599. Könemann Verlagsgesellschaft, Köln 2000, S. 102-111;
Traeger, Jörg: Renaissance und
Religion. Die Kunst des Glaubens im Zeitalter Raphaels. Verlag C.H. Beck,
München 1997, S. 403-407.
LUT = Die
Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche
Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Material
Abendmahl. Venezianisch, 16. Jahrhundert
I
Als ich mein Letztes Abendmahl beendet hatte,
fünfeinhalb mal knapp
dreizehn Meter,
eine Heidenarbeit, aber ganz
gut bezahlt,
kamen die üblichen Fragen.
Was haben diese Ausländer zu
bedeuten
mit ihren Hellebarden? Wie
Ketzer
sind sie gekleidet, oder wie
Deutsche.
Finden Sie es wohl
schicklich,
dem heiligen Lukas
einen Zahnstocher in die Hand
zu geben?
Wer hat Sie dazu angestiftet,
Mohren, Säufer und Clowns
an den Tisch Unseres Herrn zu
laden?
Was soll dieser Zwerg mit dem
Papagei,
was soll der schnüffelnde
Hund,
und warum blutet der Mameluck
aus der Nase?
Meine Herren, sprach ich,
dies alles
habe ich frei erfunden zu
meinem Vergnügen.
Aber die Sieben Richter der
Heiligen Inquisition
raschelten mit ihren Roben
und murmelten: Überzeugt uns
nicht.
II
Oh, ich habe bessere Bilder
gemalt;
aber jener Himmel zeigt
Farben,
die ihr auf keinem Himmel
findet,
der nicht von mir gemalt ist;
und es gefallen mir diese
Köche
mit ihren riesigen
Metzgersmessern,
diese Leute mit Diademen, mit
Reiherbüschen,
pelzverbrämten, gezaddelten
Hauben
und perlenbestickten
Turbanen;
auch jene Vermummten gehören
dazu,
die auf die entferntesten
Dächer
meiner Alabaster-Paläste
geklettert sind
und sich über die höchsten
Brüstungen beugen.
Wonach sie Ausschau halten,
das weiß ich nicht. Aber
weder euch
noch den Heiligen schenken
sie einen Blick.
III
Wie oft soll ich es euch noch
sagen!
Es gibt keine Kunst ohne das
Vergnügen.
Das gilt auch für die
endlosen Kreuzigungen,
Sintfluten und
Bethlehemitischen Kindermorde,
die ihr, ich weiß nicht
warum,
bei mir bestellt.
Als die Seufzer der Kritiker,
die Spitzfindigkeiten der
Inquisitoren
und die Schnüffeleien der
Schriftgelehrten
mir endlich zu dumm wurden,
taufte ich das Letzte Abendmahl um
und nannte es
Ein Dîner bei Herrn Levi.
IV
Wir werden ja sehen, wer den
längeren Atem hat.
Zum Beispiel meine Heilige Anna selbdritt.
Kein sehr amüsantes Sujet.
Doch unter den Thron,
auf den herrlich gemusterten
Marmorboden
in Sandrosa, Schwarz und
Malachit,
malte ich, um das Ganze zu
retten,
eine Suppenschildkröte mit
rollenden Augen,
zierlichen Füßen und einem
Panzer
aus halb durchsichtigem
Schildpatt:
eine wunderbare Idee.
Wie ein riesiger, kunstvoll
gewölbter Kamm,
topasfarben, glühte sie in
der Sonne.
V
Als ich sie kriechen sah,
fielen mir meine Feinde ein.
Ich hörte das Gebrabbel der
Galeristen,
das Zischeln der Zeichenlehrer
und das Rülpsen der
Besserwisser.
Ich nahm meinen Pinsel zur
Hand
und begrub das Geschöpf,
bevor die Schmarotzer
anfangen konnten,
mir zu erklären, was es
bedeute,
unter sorgfältig gemalten
Fliesen
aus schwarzen, grünem und
rosa Marmor.
Die Heilige Anna ist
nicht mein berühmtestes,
aber vielleicht mein bestes
Bild.
Keiner außer mir weiß, warum.
Hans Magnus Enzensberger
(aus: Hans
Magnus Enzensberger: Der Untergang der Titanic. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am
Main 1978)