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Caspar David Friedrich: Das Kreuz im Gebirge (1807/08); Dresden, Gemäldegalerie
(für die Großansicht einfach anklicken) |
Melancholisch-ruhige Stimmungslandschaften mit
faszinierenden Sonnenuntergängen, grandiose Wolkenschauspiele, erhebende
Ausblicke ins Hochgebirge oder auf die Weite des Meeres – Caspar David
Friedrichs romantische Naturdarstellungen erfreuen sich ungebrochener
Beliebtheit. Sein bekanntestes Gemälde – Das Kreuz im Gebirge – muss als
„gemalte Andacht“ verstanden werden, in der sich die tiefe Frömmigkeit dieses
Künstlers ausdrückt.
Das Kreuz im Gebirge, um 1807/08 entstanden,
gehört zu den ersten Bildern, die Caspar David Friedrich (1774–1840) in Öl
ausgeführt hat. Es machte den Künstler damals mit einem Schlag berühmt. Zuvor hatte sich Friedrich, der seit 1798 in Dresden lebte und arbeitete, durch Sepiazeichnungen einen Namen gemacht. Unter diesen Blättern findet sich auch eines von 1806/07, das dem späteren Gemälde motivisch schon sehr nahe kommt.
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Caspar David Friedrich: Kreuz im Gebirge (1806/07); Berlin, Kupferstichkabinett |
Das Kreuz im Gebirge gilt als Schlüsselwerk für die religiöse
Landschaftsmalerei des Künstlers. Friedrichs schriftliche Ausführungen zu
dem auch Tetschener Altar genannten Bild sind für das Verständnis seiner
Kunst von großer Bedeutung. Zugleich ist diese eigene Deutung, regelrecht im „Predigerton“ (Busch 1998, S. 274) abgefasst, auch das
wichtigste Dokument für seine religiöse Einstellung. Sie zeigt, dass Friedrich
fest an Christus als den Sohn Gottes und den Heiland der Menschen glaubte:
„Wohl ist es beabsichtigt, das Jesus Christus,
ans Holz geheftet, hier der sinkenden Sonne zugekehrt ist, als das Bild des
ewigen allbelebenden Vaters. Es starb mit Jesu Lehre eine alte Welt, die Zeit,
wo Gott der Vater unmittelbar wandelte auf Erden; wo er sprach zu Cain: Warum
ergrimmest du, und warum verstellen sich deine Gebärden? Wo er unter Donner und
Blitz die Gesetzestafeln gab; wo er sprach zu Abrahm: Zeuch deine Schuhe aus,
denn es ist heilig Land, wo auf du stehest! Diese Sonne sank, und die Erde
vermochte nicht mehr zu fassen das scheidende Licht. Da leuchtet, vom reinsten
edelsten Metall, der Heiland am Kreuz, im Golde des Abendroths, und
wiederstrahlet so im gemilderten Glanz auf Erden. Auf einem Felsen steht
aufgerichtet das Kreuz, unerschütterlich fest, wie unser Glaube an Jesum
Christum. Immergrün durch alle Zeiten während stehen die Tannen ums Kreuz,
gleich unserer Hoffnung auf ihn, den Gekreuzigten“ (Friedrich 2006, S. 53).
Friedrich gibt in seinem Bild keinen
Natureindruck wieder, sondern zeigt eine „komponierte“ Landschaft, die so in der
Realität nicht vorkommt. Vor uns ragt eine mit Gras bewachsene, von Bäumen bestandene und mit Felsbrocken besetzte Bergkuppe auf. Friedrich hat ihr die Grundform eines gleichschenkligen Dreieicks verliehen, dessen Spitze auf die Mittelachse des Gemäldes ausgerichtet ist und dessen Seiten genau in die unteren Bildecken hineinlaufen. Diese klare Ordnung wird durch die asymmetrische Verteilung der Felsbrocken jedoch wieder aufgelockert. Die meisten Bäume werden in ihrem unteren Bereich von den Felsen angeschnitten und zeigen so an, dass es hinter der Bergspitze steil bergab geht. Davor stehen weitere Tannen, hier dann von der Bildunterkante angeschnitten.
Der Berg wirkt wie ein
unüberschreitbares Hindernis. Kein Blick dringt auf die andere Seite. Felsen, Erdreich, Fichtenzweige, Tannenschößlinge sind
detailgetreu dargestellt. Hier ist unser Bereich,
hier unsere Grenze. Die Welt dahinter bleibt dem leiblichen Auge verschlossen.
Aber von dort drüben kommt das Licht: Die Sonne sendet ihre gelblichen Strahlen wie die
fünf Finger einer Hand in den Himmel. Rechts von der Mittelachse erhebt sich auf dem Gipfel ein schlankes Holzkreuz mit einem bronzenes Kruzifix, das alle umgebenden Tannen überragt. Friedrich hat es nach dem Goldenen Schnitt im Bild positioniert und in schräger Untersicht dargestellt, wobei der Corpus des Gekreuzigten vom Betrachter ab- und der untergehenden Sonne zugewendet ist. Efeu rankt am Fuß des vertikalen Kreuzbalkens empor. Bergkuppe, Felsen und Tannen schließen sich zu einer dunklen, braungrünen, im Gegenlicht stehenden Silhouette zusammen. Der in Rot- und Violetttönen gehaltene Himmel darüber ist nach oben hin abgedunkelt; er wird von Wolkenstreifen gebildet, die zur Mitte hin ansteigen und sich über dem Kruzifix verzahnen.
Wie an der Scheide von Altem und Neuem Testament
steht das Kreuz auf der Spitze des Berges. Dabei versinnbildlicht die untergehende
Sonne die der Vergangenheit angehörende
Welt des alten Bundes. Der Gekreuzigte reflektiert ihren Schein und wirft ihn
auf die dunkle Erde. Christus wird von Friedrich als das Bindeglied zwischen
den beiden Epochen der Heilsgeschichte ins Bild gesetzt, als der große
„Mittler“ (Hebräer 9,15; LUT) zwischen dem Licht des Vaters und der Finsternis
unseres Diesseits. Mit den Tannen sind die Gläubigen gemeint, die auf ihn
vertrauen. Ihnen verkündet der Gottessohn das Heil, das auf sie wartet.
Der direkte Kontakt zu Gott selbst ist nicht mehr möglich. „Statt eine Anwesenheit Gottes zu suggerieren, wie es die barocke Deckenmalerei mit illusionistischen Mitteln nochmals versuchte, macht Friedrich die Unsichtbarkeit Gottes sichtbar“ (Dickel 2006, S. 63). Es bleibt das Kreuz als Hoffnungszeichen. Zum Thema gerade eines Bildes zu machen, dass wir Gott nicht mehr anschauen können, lässt sich durchaus paradox nennen. Friedrichs Gemälde gelingt es jedoch auf diese Weise, ein Christuswort aus dem Johannes-Evangelium umzusetzen: ,,Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Johannes 20,29; LUT).
Friedrich hat auch den Rahmen seines Bildes
entworfen. Er unterstützt und verstärkt die Aussage des Gemäldes. Das Dreieck
als Symbol der Dreieinigkeit mit dem allsehenden Auge Gottes und dem
Strahlenkranz steht in Beziehung zu dem Felsgipfel und den Strahlen der
untergehenden Sonne. Die Wolken nehmen die Form der Palmzweige auf, die ein
Sinnbild des Friedens und der Versöhnung sind. Zum Abendhimmel gehört der
versilberte Abendstern, der zugleich der Morgenstern ist und als solcher an die
Auferstehung erinnert. Das Gold des übrigen Rahmens antwortet dem gemalten Gold
des Kruzifixes. Die fünf geflügelten, radial angeordneten Engelsköpfe entsprechen den fünf Strahlen der Sonne.
Ähren und Weintrauben sind Abendmahlssymbole – sie verweisen darauf, dass
Friedrichs Bild als Altargemälde gedacht war.
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Caspar David Friedrich: Selbstbildnis (um 1818), Kreidezeichnung; Berlin, Kupferstichkabinett |
Friedrich wollte Das Kreuz im Gebirge
ursprünglich dem schwedischen König Gustav Adolf IV. widmen. Pommern, wo
Friedrich 1774 geboren wurde, gehörte bis 1815 zu Schweden. Gustav Adolf IV.
war ein erbitterter Gegner Napoleons, was ihn 1809 seinen Thron kostete. Als
Untertan des schwedischen Königs beabsichtigte Friedrich offenbar, dem
Herrscher mit diesem Geschenk seine Sympathie und Bewunderung auszudrücken und
ihn auf das Zentrum der lutherischen Glaubenszuversicht hinzuweisen. Vermutlich wollte er sich zugleich auch für weitere Dienste empfehlen. Hans Dickel vermutet vor diesem Hintergrund, dass Friedrich zunächst einen Sonnenaufgang dargestellt hat, ,,denn in der politischen Allegorik war das Sonnenlicht so eindeutig auf Gustav IV. Adolph bezogen, daß ein Sonnenuntergang als Majestätsbeleidigung hätte verstanden werden können“ (Dickel 2006, S. 62/63). 1808 wurde
das ausgeführte Gemälde dann jedoch vom Grafen Anton von Thun-Hohenstein
gekauft. Es sollte als Altarbild die Kapelle von Schloss Tetschen (Böhmen)
schmücken – deswegen änderte Friedrich, so Dickel, die Morgen- in eine Abenddämmerung. Das Gemälde wurde jedoch nie in einer Kapelle aufgestellt, sondern bekam vielmehr – ohne Wissen des Künstlers – seinen
Platz im Schlafgemach der Gräfin.
In der Kunstkritik löste Friedrichs Werk eine
ungewöhnlich heftige Kontroverse aus. Schärfster Kritiker des Bildes war der
Kammerherr Wilhelm Basilius von Ramdohr, der sehr hellsichtig das Neuartige an
Friedrichs Kunst erkannte – und heftig zurückwies. Er verteidigte vehement die
klassische Landschaftsmalerei und lehnte es entschieden ab, so wie Friedrich
,,die Landschaft zur Allegorisierung einer bestimmten religiösen Idee oder auch
nur zur Erweckung der Andacht anzuwenden“ (Friedrich 1968, S. 138). Dass ein Landschaftsgemälde als
Altarbild dienen sollte, war in der vorhergehenden Kunstgeschichte ohne
Vorbild. Auch hieran entzündete sich die scharfe Kritik des Kunstkenners von
Ramdohr: ,,In der Tat, es ist eine wahre Anmaßung, wenn die Landschaftsmalerei
sich in die Kirche schleichen und auf die Altäre kriechen will“ (Friedrich 1968, S. 162).
Literaturhinweise
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Prestel-Verlag, München 41987, S. 90;
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Dickel, Hans: Caspar David Friedrich: Das Bild der Berge. Gottessymbol, Geologie und künstlerische Anschauung der Natur. In: Hans Dickel, Kunst als zweite Natur. Studien zum Naturverständnis in der modernen Kunst. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2006, S. 55-85;
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Koerner, Joseph Leo: Caspar David Friedrich and the Subject of Landscape. Reaktion Books, London 1990, S. 47-68 und 97-148;
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LUT = Lutherbibel, revidierter Text 1984,
durchgesehene Ausgabe, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
(zuletzt bearbeitet am 1. Juli 2023)