Petrus Christus: Bildnis eines jungen Mädchens (um 1465/70); Berlin, Gemäldegalerie (für die Großansicht einfach anklicken) |
Petrus
Christus, 1410–1472:
Bildnis
einer jungen Frau
Von allen gemalten Frauen
die geheimnisvollste,
der leprose Firnis
krank über deiner Haut ohne Falten,
ungleiche Muscheln deine Augen,
Augenbrauen: keine, Wimpern: keine,
Mund Mißtrauen, Augenaufschlag Argwohn,
das samtene Band um deinen Hals
die innigste Würgschnur,
das flüchtige Kettchen darunter
der ideale Ort
fürs Beil.
Hexe oder Königin, was würdest du sagen,
wenn du jemals sprechen würdest? Und ich,
falls ich dürfte?
Für dich beiße ich mich durch die Zeit,
Ratte Wiesel Fuchs,
durch die Därme von Kriegen und Frieden,
den Abfall von Konzilen, Katastern, ich
verbrenne mich
durch die Asche verglommener Zeiten,
um vor dir zu stehen, Zauberer, Ketzer
aus einem späteren Millennium,
doch du, vor dem Ende von jeweils
einer anderen Welt,
gewährst kein Quartier,
meine Unsichtbarkeit steht in der Kälte
deiner Augen,
in meiner nicht vorhandenen Zukunft,
beschmutzt und hinter dem Zeitwall
gefangen,
bettle ich an deinem Fenster
um Licht.
Cees
Nooteboom
(übersetzt von Ard Posthuma)
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