Albrecht Dürer: Apoll und Diana (1503/04); Kupferstich (für die Großansicht einfach anklicken) |
Monumental, das Format des kleinen Kupferstichs (11,6 x 7,3 cm) fast sprengend, steht der griechische Sonnengott Apoll mit erhobenem Bogen im Vordergrund. Mit seinen muskulösen Armen spannt er die Waffe, um einen seiner gefürchteten Pestpfeile zu verschießen (so im Trojanischen Krieg ins Lager der Griechen). Hinter ihm sitzt auf einem kleinen Erdhügel seine Zwillingsschwester, die keusche Jagd- und Mondgöttin Diana. Ist ihr lorbeerbekränzter Bruder an seinen wallenden Locken, dem Bogen und dem umgehängten Pfeilköcher zu erkennen, so kennzeichnet sie das Attribut des Hirschen, der hinter Apoll lagert.
Mit diesem Kupferstich präsentiert Albrecht Dürer (1471–1528) zum ersten Mal ein antikes Tema mit antikisierenden Aktfiguren, ohne ihnen eine moralisierende Botschaft zu unterlegen (wie er dies noch in seiner Grafik Der Traum des Doktors von 1498 getan hatte). Allerdings sind die beiden Figuren, ähnlich wie die etwas frühere Nemesis (siehe meinen Post „Gunst oder Züchtigung“), einem „akribischen Naturalismus“ (Sonnabend 2007, S. 104) verpflichtet und nicht einem vorbildlichen Körperideal.
Albrecht Dürer: Adam und Eva (1504); Kupferstich (für die Großansicht einfach anklicken) |
Im Gegensatz dazu stehen Dürers Adam und Eva, 1504 und damit etwa gleichzeitig entstanden (siehe meinen Post „Aus Göttern werden Menschen“): Hier sind die Figuren nach den Vorgaben eines klassischen Proportionskanons gestaltet. Ihr gemeinsamer Ausgangsgpunkt ist eine Zeichnung des Apoll, die Dürer etwa 1501 schuf. Um diese Zeit muss er einen Kupferstich des italienischen Künstlers Jacopo de’ Barbari (1450–1516) gesehen haben, der in einer Gegenüberstellung der Gestirne den Sonnengott Apoll bogenspannend und strahlend auf einem Sphärenbogen neben seiner versinkenden Schwester zeigt. Nach einem halbherzigen Versuch, aus seiner Apoll-Zeichnung eine ähnliche Szene zu entwickeln, wandelte Dürer seinen idealtypischen Apoll in den Adam auf seinem Kupferstich von 1504 um und stach außerdem eine eigene, die hier vorgestellte Komposition mit Apoll und Diana. Er verzichtete dabei auf den kosmischen Aspekt de’ Barbaris und stützte sich bei den Körperformen auf eigene Aktstudien nach der Natur.
Albrecht Dürer: Apoll (1501, Zeichnung); London, British Museum |
Jacopo de’ Barbari: Apoll und Diana (1502/03); Kupferstich |
Offensichtlich ist für Dürer vor allem die Darstellung des sehnigen, angespannten männlichen Körpers wichtig gegenüber der ruhigen, entspannten Sitzhaltung Dianas. Apoll beansprucht die gesamte Höhe des Formates: Sein Oberkörper ist nach hinten gelehnt, um seinen Bogen möglichst weit spannen zu können; der energische Blick folgt konzentriert den horizontal ausgestreckten Armen. Pfeil und Bogen sind auf ein Ziel außerhalb des Blattes gerichtet und sprengen sogar – wie bei de’ Barbari – die Bildfläche. Das muskulöse Standbein ist fest durchgedrückt, das Spielbein locker ausgestellt. Die wehenden Locken und ein flatternder Gewandzipfel begleiten seine pathetische Bewegung. Dabei ist sein athletischer, in einer komplizierten Drehung aufragender Körper „selbst wie ein Bogen in den engen Bildausschnitt gespannt“ (Schoch 2000, S. 108).
Albrecht Dürer: Das kleine Glück (1495/96); Kupferstich |
Albrecht Dürer: Der Marktbauer und sein Weib (1519); Kupferstich |
Lucas Cranach d.Ä.: Apoll und Diana (um 1526); London, Royal Collection |
Literaturhinweise
Brinkmann, Bodo (Hrsg.): Cranach der Ältere. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2007, S. 342;
Schauerte, Thomas: Albrecht Dürer – Das große
Glück. Kunst im Zeichen des geistigen Aufbruchs. Rasch Verlag, Bramsche 2003,
S. 136-137;
Schneider, Erich (Hrsg.): Dürer – Himmel und Erde. Gottes- und Menschenbild in Dürers druckgraphischem Werk. Holzschnitte, Kupferstiche und Radierungen aus der Sammlung-Otto–Schäfer-II. Schweinfurt 1999, S. 144;
Schneider, Erich (Hrsg.): Dürer – Himmel und Erde. Gottes- und Menschenbild in Dürers druckgraphischem Werk. Holzschnitte, Kupferstiche und Radierungen aus der Sammlung-Otto–Schäfer-II. Schweinfurt 1999, S. 144;
Schoch, Rainer: Apollo und Diana. In: Matthias Mende u.a.
(Hrsg.), Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk. Band I: Kupferstiche und
Eisenradierungen. Prestel Verlag, München 2000, S. 108-109;
Sonnabend,
Martin (Hrsg.): Albrecht Dürer. Die Druckgraphiken im Städel Museum. Städel
Museum, Frankfurt am Main 2007, S. 104.
(zuletzt bearbeitet am 25. März 2021)
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