Wilhelm Leibl: Drei Frauen in der Kirche (1878-81); Hamburg, Kunsthalle (für die Großansicht einfach anklicken) |
Als eines von Leibls
Hauptwerken gilt Drei Frauen in der Kirche, an dem er fast dreieinhalb Jahre
arbeitete. Das Bild, in altmeisterlicher Feinmalerei ausgeführt und in allen
Partien gleichermaßen minutiös durchgearbeitet, entstand in dem Dorf Berbling südöstlich
von München. Es zeigt drei betende Bäuerinnen, die auf einer mit
Rokoko-Ornamentik verzierten Kirchenbank sitzen. Die Frauen sind so nah
gesehen, dass nur das Kirchengestühl auf den konkreten Ort verweist.
Im Vordergrund rechts
sitzt die jüngste: Sie trägt ein blau-schwarz kariertes Kleid, eine weiße Schürze
und darüber eine bestickte weiße Bluse sowie ein Mieder, das von silbernen
Tressen geschlossen wird. Vor sich auf dem Schoß hält sie ein geöffnetes
Gebetbuch, in dem sie zu lesen scheint. Auffallend an Gesicht und Händen sind
sehr helle Hautpartien, die auf eine Pigmentstörung hinweisen. Neben sie hat
der Maler eine alte, gebeugte Bäuerin in braunem Streifenkleid und schwarzem
Kopftuch platziert. Sie liest ebenfalls in einem Gebetbuch; aufgeschlagen ist
ein Aschermittwochsgebet. Die Alte führt das großformatige Buch nicht nur wegen
ihrer Sehschwäche nah an die Augen heran, sondern weil sie – weit stärker als
die jüngere Bäuerin – innerlich beteiligt ist. Im Bildhintergrund kniet vor
einer hellgrauen Wand die dritte Bäuerin. Sie ist mittleren Alters, schwarz
gekleidet und trägt ebenfalls ein Kopftuch; sie hat ihren in strengem Profil
wiedergegebenen Kopf erhoben und blickt andächtig auf etwas, das sich außerhalb des Bildes befindet – wohl einen Altar oder ein Heiligenbild.
Leibl idealisiert die
Bäuerinnen nicht; er zeigt keine ländliche Idylle: Die drei Frauen – sie stehen
für die unterschiedlichen Lebensalter – wirken von schwerer körperlicher Arbeit
geprägt. „In dem Maße, wie Lebenskraft und Zukunftserwartung abnehmen, scheint
die religiöse Inbrunst zu wachsen“ (Gross 1983, S. 546).
Den Entstehungsprozess des Bildes (von Oktober 1878 bis Dezember 1881) beschrieb der Maler selbst als äußerst mühevoll. Die Sitzungen mit den drei Frauen, die Leibl nahezu täglich in der Dorfkirche von Berbling Platz nehmen ließ, dauerten oft stundenlang. Bei kalter Witterung, vor allem während der Wintermonate, und an den kirchlichen Feiertagen musste die Arbeit unterbrochen werden, auch erkrankten hin und wieder die Modelle. „Übereilen darf ich mich nicht u. muß es so machen wie die Bergsteiger, welchen einen recht hohen Berg ersteigen wollen. Diese müssen auch schön langsam gehen u. vermeiden es, immer nach dem Gipfel zu schauen“, schrieb Leibl nach zwei Jahren Arbeit an seine Schwester. So zog sich der Abschluss weit über den geplanten Zeitraum hinaus hin. Im März 1882 zeigte Wilhelm Leibl das endlich vollendete Bild (113 x 77 cm) zum ersten Mal in München der Öffentlichkeit – mit großem Erfolg: Zu der nur drei Tage dauernden Ausstellung kamen über 3000 Besucher.
Den Entstehungsprozess des Bildes (von Oktober 1878 bis Dezember 1881) beschrieb der Maler selbst als äußerst mühevoll. Die Sitzungen mit den drei Frauen, die Leibl nahezu täglich in der Dorfkirche von Berbling Platz nehmen ließ, dauerten oft stundenlang. Bei kalter Witterung, vor allem während der Wintermonate, und an den kirchlichen Feiertagen musste die Arbeit unterbrochen werden, auch erkrankten hin und wieder die Modelle. „Übereilen darf ich mich nicht u. muß es so machen wie die Bergsteiger, welchen einen recht hohen Berg ersteigen wollen. Diese müssen auch schön langsam gehen u. vermeiden es, immer nach dem Gipfel zu schauen“, schrieb Leibl nach zwei Jahren Arbeit an seine Schwester. So zog sich der Abschluss weit über den geplanten Zeitraum hinaus hin. Im März 1882 zeigte Wilhelm Leibl das endlich vollendete Bild (113 x 77 cm) zum ersten Mal in München der Öffentlichkeit – mit großem Erfolg: Zu der nur drei Tage dauernden Ausstellung kamen über 3000 Besucher.
Hans Holbein d.J.: Darmstädter Madonna (1526/28); Schwäbisch Hall, Sammlung Würth (für die Großansicht einfach anklicken) |
Das Vorbild, an dem Leibl sich bei seinem Bild orientierte,
war die Darmstädter Madonna von Hans Holbein d.J. (1526/28). Leibl hat diesem
Gemälde das Motiv der drei betenden Frauen entnommen (bei Holbein sind es die
zwei Ehefrauen und die Tochter des Stifters Jakob Meyer rechts neben der
Schutzmantelmadonna) und zu einer bildfüllenden Komposition entwickelt. Weil Leibl
mit der Hinwendung zum Bauerngenre um 1873/74 auch die aufwendige Feinmalerei
des deutschen Renaissance-Künstlers übernahm, ist seine Malweise auch als
„Holbein-Stil“ bezeichnet worden.
Wilhelm Leibl: Die Dorfpolitiker (1876/77); Museum Oskar Reinhart, Winterthur |
Leibl griff mit seinen ländlichen Motiven eine
Gattung auf, das sich durch die Arbeiten Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865) und Franz Defregger (1835–1921) großer Beliebtheit erfreute. Neben den Drei Frauen in der Kirche
zählt Die Dorfpolitiker (1876/77) zu Leibls wichtigsten Werken, die die
dörfliche Lebenswelt abbilden. Man kann dieses Gemälde durchaus als Pendant zu
unserem Bild verstehen: Sind dort nur Frauen einer bäuerlichen Dorfgemeinschaft
dargestellt, so hier nur Männer; ihnen ist jeweils ein besonderer Ort und eine
ihren jeweiligen Rollen gemäße Tätigkeit zugewiesen.
Literaturhinweise
Gross, Friedrich: Wilhelm Leibl, Drei Frauen in der Kirche. In: Werner Hofmann (Hrsg.), Luther und die Folgen für die Kunst. Prestel-Verlag, München 1983, S. 546;
Haussherr, Reiner: Goldener Himmel=Schlüssel. Eine Notiz zu Wilhelm Leibls „Frauen in der Kirche“. In: Peter Ludwig (Hrsg.), Festschrift für Hermann Fillitz zum 70. Geburtstag. DuMont Schauberg, Köln 1994, S. 431-438;
Haussherr, Reiner: Goldener Himmel=Schlüssel. Eine Notiz zu Wilhelm Leibls „Frauen in der Kirche“. In: Peter Ludwig (Hrsg.), Festschrift für Hermann Fillitz zum 70. Geburtstag. DuMont Schauberg, Köln 1994, S. 431-438;
Locher, Hubert:
Deutsche Malerei im 19. Jahrhundert. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
2005, S. 132-145;
Söntgen, Beate: Sehen ist alles. Wilhelm Leibl und die Wahrnehmung des Realismus. Wilhelm Fink Verlag, München 200, S. 46-50.
(zuletzt bearbeitet am 24. Januar 2020)
Söntgen, Beate: Sehen ist alles. Wilhelm Leibl und die Wahrnehmung des Realismus. Wilhelm Fink Verlag, München 200, S. 46-50.
(zuletzt bearbeitet am 24. Januar 2020)
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