Wandmalerei aus Herculaneum; Neapel, Museo Archeologico Nazionale |
Pompeji
und Herkulanum
Welches Wunder begibt sich? Wir flehten um
trinkbare Quellen,
Erde! dich an, und was sendet dein Schoß uns
herauf!
Lebt es im Abgrund auch? Wohnt unter der Lava
verborgen
Noch ein neues Geschlecht? Kehrt das entflohne
zurück?
Griechen, Römer, o kommt! o seht, das alte
Pompeji
Findet sich wieder, aufs neu bauet sich
Herkules’ Stadt.
Giebel an Giebel steigt, der räumige Portikus
öffnet
Seine Hallen, o eilt, ihn zu beleben, herbei!
Aufgetan ist das weite Theater, es stürze durch
seine
Sieben Mündungen sich flutend die Menge herein.
Mimen, wo bleibt ihr? Hervor! Das bereitete
Opfer vollende
Atreus’ Sohn, dem Orest folge der grausende
Chor.
Wohin führet der Bogen des Siegs? Erkennt ihr
das Forum?
Was für Gestalten sind das auf dem kurulischen
Stuhl?
Traget, Liktoren, die Beile voran! Den Sessel
besteige
Richtend der Prätor, der Zeug’ trete, der Kläger
vor ihn.
Reinliche Gassen breiten sich aus, mit erhöhetem
Pflaster
Ziehet der schmälere Weg neben den Häusern sich
hin.
Schützend springen die Dächer hervor, die
zierlichen Zimmer
Reihn um den einsamen Hof heimlich und traulich
sich her.
Öffnet die Läden geschwind und die lange
verschütteten Türen,
In die schaudrigte Nacht falle der lustige Tag.
Siehe, wie rings um den Rand die netten Bänke
sich dehnen,
Wie von buntem Gestein schimmernd das Estrich
sich hebt!
Frisch noch erglänzt die Wand von heiter brennenden
Farben,
Wo ist der Künstler? Er warf eben den Pinsel
hinweg.
Schwellender Früchte voll und lieblich
geordneter Blumen
Fasset der muntre Feston reizende Bildungen ein.
Mit beladenem Korb schlüpft hier ein Amor
vorüber,
Emsige Genien dort keltern den purpurnen Wein,
Hochauf springt die Bacchantin im Tanz, dort
ruhet sie schlummernd,
Und der lauschende Faun hat sich nicht satt noch
gesehn.
Flüchtig tummelt sie hier den raschen Zentauren,
auf einem
Knie nur schwebend, und treibt frisch mit dem
Thyrsus ihn an.
Knaben! Was säumt ihr? Herbei! Da stehn noch die
schönen Geschirre,
Frisch, ihr Mädchen, und schöpft in den
etrurischen Krug.
Steht nicht der Dreifuß hier auf schön
geflügelten Sphinxen?
Schüret das Feuer! Geschwind, Sklaven! Bestellet
den Herd!
Kauft, hier geb ich euch Münzen, vom mächtigen
Titus gepräget,
Auch noch die Waage liegt hier, sehet, es fehlt
kein Gewicht.
Stecket das brennende Licht auf den zierlich
gebildeten Leuchter,
Und mit glänzendem Öl fülle die Lampe sich an.
Was verwahret dies Kästchen? O seht, was der
Bräutigam sendet,
Mädchen! Spangen von Gold, glänzende Pasten zum
Schmuck!
Führet die Braut in das duftende Bad, hier stehn
noch die Salben,
Schminke find ich noch hier in dem gehöhlten
Kristall.
Aber wo bleiben die Männer? die Alten? Im
ernsten Museum
Liegt noch ein köstlicher Schatz seltener Rollen
gehäuft.
Griffel findet ihr hier zum Schreiben, wächserne
Tafeln,
Nichts ist verloren, getreu hat es die Erde
bewahrt.
Auch die Penaten, sie stellen sich ein, es
finden sich alle
Götter wieder, warum bleiben die Priester nur
aus?
Den Caduceus schwingt der zierlich geschenkelte
Hermes,
Und die Viktoria fliegt leicht aus der haltenden
Hand.
Die Altäre, sie stehen noch da, o kommet, o
zündet,
Lang schon entbehrte der Gott, zündet die Opfer
ihm an!
Friedrich
Schiller
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