Raffael: Agnolo Doni (1506/07); Florenz, Palazzo Pitti (für die Großansichtt einfach anklicken) |
Raffael: Maddalena Doni (1506/07); Florenz, Palazzo Pitto (für die Großansicht einfach anklicken) |
Michelangelo: Tondo Doni (um 1506); Florenz, Galleria degli Uffizi (für die Großansicht einfach anklicken) |
Raffaels Bildnisse
waren ursprünglich durch einen Rahmen mit Scharnieren verbunden und konnten wie
ein Buch auf- und zugeklappt werden. Beide Porträts sind auf zwei gleich große
Holztafeln von demselben auseinandergesägten Brett gemalt und entsprechen sich in
der kompositionellen Anordnung etwa spiegelbildlich. Das einander zugewandte,
im Dreiviertelprofil als Halbfiguren dargestellte Ehepaar ist leicht nach links
bzw. rechts aus der Mittelachse gerückt und blickt, ohne die Köpfe zu wenden,
den Betrachter an. Die nahe an den vorderen Bildrand gesetzten Figuren füllen
etwa die unteren zwei Drittel der Bildfläche, sodass von der sanften
Hügellandschaft im Hintergrund verhältnismäßig wenig zu sehen ist.
Der etwa 32-jährige
Agnolo Doni sitzt in aufrechter Haltung und hat den linken Arm auf eine
Brüstung gelegt. Er trägt einen hochgeschlossenen und gegürteten giuppone aus schwerem schwarzen
Samtstoff, der oben den Rand des plissierten Leinenhemdes sehen
lässt und mit dessen engem Zuschnitt die weiten Ärmel aus rotem Wollstoff
kontrastieren. Das von dunklem Haar gerahmte Haupt wird von einer damals oft
getragenen Kappe mit hinten hochgeschlagenem Rand bedeckt. Einziger Schmuck sind zwei Ringe an der linken Hand. Der oval gefasste am kleinen Finger ist der gleiche, den auch Maddalena an ihrer linken Hand trägt als Ausweis der ehelichen Verbundenheit.
Von der betont
nüchternen Kleidung des Mannes, die allein durch die Qualität der Stoffe und
die wenigen, aber edlen Accessoires auf den reichen Kaufmann verweist, hebt
sich das kostbare Gewand der jungen Frau deutlich ab. Zusammen mit ihrem
Schmuck belegt es die aristokratische Herkunft Maddalena Donis. Das mit einer
goldenen Kette gegürtete, weit ausgeschnittene Gewand aus orangefarbener
Moirée-Seide umspannt die Brust fest und zeigt oben den Rand eines ebenfalls plissierten
Leinenhemdes. Vorne wird es von paarweise angeordneten Knöpfen
zusammengehalten, die auf einer dunkelblauen Samtbordüre sitzen. Die in jener
Zeit mit Hilfe der agugelli
angehefteten weiten Ärmel bestehen aus blauem Damast mit Granatapfelmuster und
lassen durch die Schlitze das Hemd hervortreten. Die Schultern werden von einem
transparenten Schleier bedeckt, der von einer gestickten dunklen Seidenbordüre
eingefasst ist. Das üppige Dekolleté ziert ein offensichtlich sehr kostbares, an
einem Halsband befestigtes Kleinod, das aus drei tafelförmig geschliffenen
Edelsteinen – ein Saphir unten rechts, ein Rubin unten links und ein Smaragd
oben – sowie einer tropfenförmigen Anhänger-Perle besteht.
Die Fassung des
oberen Smaragdes ist in Form eines Einhorns gebildet, zusammen mit der Perle
altes Sinnbild der Reinheit und Jungfräulichkeit. Gleichzeitig ist das
Fabelwesen aber auch das Bannertier des Quartiere
di Santa Maria Novella in Florenz, in dem die Eltern der Maddalena Strozzi
residierten. Maddalenas Stirn ziert ein damals modisches Band, das an der die
hintere Haarpartie zusammenhaltenden lenza
befestigt ist. Die wie ihr Mann aufrecht sitzende und betont Haltung wahrende
junge Frau hat die mit drei Ringen geschmückten Hände übereinandergelegt, wobei
der linke Unterarm auf einer Stuhllehne ruht. Agnolo Doni blickt den Betrachter
direkt an, während Maddalenas Augen leicht nach rechts abschweifen, was sie
rollenkonform zurückhaltender als ihr Gegenüber wirken lässt.
Die heiter-liebliche
Hügellandschaft mit einem Wäldchen im Hintergrund unter einem leicht bewölkten
Sommerhimmel läuft nahtlos über beide Gemälde hinweg und verbindet das Ehepaar
auf diese Weise. Das goldgelb-reife Getreide um eine kleine Bauernhütte im
Gemälde der Maddalena lässt an die Erntezeit denken.
Die Rückseiten der beiden Doni-Bildnisse verdeutlichen nochmals den Anlass für den Porträt-Auftrag: Von Maestro di Serumido ausgeführt, wird dort die in den Metamorphosen Ovids überlieferte Geschichte von Deukalion und Pyrrha geschildert. Auf der Rückseite des Porträts von Agnolo Doni ist die Vernichtung der Menschheit durch eine verheerende Flut dargestellt, während an der entsprechenden Stelle des weiblichen Pendants Deukalion und Pyrrha Steine hinter sich werfen, aus denen ihre Nachkommen entspringen. Mit diesem Hinweis auf die Neubegründung des menschlichen Geschlechts beschwört das Gemälde insbesondere die Fruchtbarkeit der Braut und die Bedeutung von Kindern für die Doni-Familie. Möglicherweise ist auch der Baum, der hinter Maddalena Donis rechter Schulter aufsprießt, ein Symbol der sich fortpflanzenden Familie.
Die Rückseiten der beiden Doni-Bildnisse verdeutlichen nochmals den Anlass für den Porträt-Auftrag: Von Maestro di Serumido ausgeführt, wird dort die in den Metamorphosen Ovids überlieferte Geschichte von Deukalion und Pyrrha geschildert. Auf der Rückseite des Porträts von Agnolo Doni ist die Vernichtung der Menschheit durch eine verheerende Flut dargestellt, während an der entsprechenden Stelle des weiblichen Pendants Deukalion und Pyrrha Steine hinter sich werfen, aus denen ihre Nachkommen entspringen. Mit diesem Hinweis auf die Neubegründung des menschlichen Geschlechts beschwört das Gemälde insbesondere die Fruchtbarkeit der Braut und die Bedeutung von Kindern für die Doni-Familie. Möglicherweise ist auch der Baum, der hinter Maddalena Donis rechter Schulter aufsprießt, ein Symbol der sich fortpflanzenden Familie.
Leonardo da Vinci: Mona Lisa (1503/05); Paris, Louvre |
Raffael: Dame mit dem Einhorn (um 1506); Rom, Galleria Borghese |
Aber nicht nur die
konsequente Anwendung der in Florenz neuartigen Malechnik geht auf nordische
Quellen zurück. Auch die Landschaft in Raffaels frühen Werken bis ans Ende
seiner Zeit in Florenz (1504 bis 1508) verweist auf das Studium altniederländischer
Bilder, allen voran auf die in Italien als vorbildlich geltenden Porträts von
Hans Memling (siehe auch mein Post „Die Porträtkunst des Hans Memling“). Reiche
italienische Kaufleute ließen sich von ihm in Brügge porträtieren und nahmen
ihre Bildnisse mit nach Italien. Memlings wichtigster Beitrag zur
Porträtmalerei bestand – neben seiner erstaunlichen Fähigkeit, das Äußere
festzuhalten und Ähnlichkeit zu erzielen – im Einsatz des
Landschaftshintergrunds. Er tut sich manchmal jenseits des Fensters auf;
häufiger jedoch erstreckt er sich hinter dem Porträtierten, und zwar entweder
vor offenem Himmel oder durch den Bogen einer Loggia. Memling war es auch, der
in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts den Bildnis-Typus des Ehepaar-Diptychons
populär machte.
Hans Memling: Pendant-Bildnisse des Tommaso Portinari und der Maria Baroncelli (um 1470), New York, Metropolitan Museum of Art |
Erfunden hat das Pendant-Paarbildnis allerdings ein anderer: Um 1425 schuf der Niederländer Robert Campin (1375–1444) die beiden selbständigen Porträts eines unbekannten Paares als Brustbilder in Dreiviertelansicht (heute in der Londoner National Gallery). Sie waren ein absolutes Novum, so etwas gab es vorher nicht, weder in der Tafel- noch in der Buchmalerei.
Zu Memlings treuesten
Anhängern zählte Pietro Perugino (1446–1523). Vor allem sein Porträt des florentinischen
Kaufmanns Francesco delle Opere von 1494 belegt, wie weitreichend er Bildideen
von Memling verarbeitet hat (siehe meinen Post „Porträt-Kunst der italienischen Frührenaissance“). Vermutlich ermutigt durch seinen Meister Perugino,
widmete sich auch Raffael eingehend dem Studium Memlings. Seine Virtuosität in
der Nachahmung von dessen Stil, der um 1500 in Italien immer noch Maß aller
Dinge war, „stellt unzweifelhaft das Ergebnis einer unmittelbaren Beschäftigung
mit Memlings Werk dar“ (Nuttall 2005, S. 86).
Robert Campin: Bildnisse eines unbekannten Paares (um 1425); London, National Gallery |
Kress, Susanne: Das autonome Porträt in Florenz. Studien zu Ort, Funktion und Entwicklung des florentinischen Bildnisses im Quattrocento. Diss., Gießen 1995, S. 328-336;
Nuttall, Paula:
Memling und das europäische Portrait der Renaissance. In: Till Holger-Borchert
(Hrsg.), Hans Memling. Portraits. Belser Verlag, Stuttgart 2005, S. 68-91;
Steingräber, Erich:
Anmerkungen zu Raffaels Bildnissen des Ehepaars Doni. In: Wilhelm
Schlink/Martin Sperlich (Hrsg.), Forma et subtilitas. Festschrift für Wolfgang
Schöne zum 75. Geburtstag. Walter de Gruyter, Berlin/New York 1986, S. 77-88.
(zuletzt bearbeitet am 11. November 2024)
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