Raffael: Tommaso Inghirami (um 1511); Florenz, Palazzo Pitti |
Inghirami war nachweislich von heftigem Schielen
geplagt; Raffael macht in seinem Porträt aus diesem körperlichen Defizit eine Tugend: Der
Kardinal richtet seinen Blick nach links oben, als erwarte er eine göttliche
Eingebung. Besonders die weit in den oberen Augenwinkel zurückgezogene rechte
Pupille vermittelt diesen Eindruck. In seiner verkürzt dargestellten Rechten hält
Inghirami eine Schreibfeder – noch sind die Papierbögen vor ihm leer. Der linke
Unterarm stützt sich auf das aufgeschlagene Buch – es soll auf Inghiramis
Gelehrsamkeit verweisen. Der Kardinal erscheint dazwischen platziert und somit
als Medium, durch das hindurch die göttliche Inspiration „in die Hand, die
Schrift und endlich aufs Papier findet“ (Beyer 2002, S. 146).
Raffael: Disputa (um 1510/11); Rom, Fresko in der Stanza della Segnatura (für die Großansicht einfach anklicken) |
Papst Julius II. hatte Raffael 1508 aus Florenz
nach Rom berufen, weil er dort die päpstlichen Gemächer, die sogenannten
Stanzen, ausmalen sollte. Raffael traf dort Ende 1508 oder Anfang 1509 ein und
begann, die Stanza della Segnatura zu freskieren (1509 bis 1511) – zusammen
mit Leonardos Abendmahl und der Sixtinischen Kapelle Michelangelos die
berühmtesten Wandmalereien der Renaissance. Man nimmt an, dass Raffael
gemeinsam mit Tommaso Inghirami die inhaltliche Ausgestaltung der Stanza della
Segnatura erarbeitet hat.
Literaturhinweis
Beyer, Andreas: Das Porträt in der Malerei.
Hirmer Verlag, München 2002.
(zuletzt bearbeitet am 23. Mai 2020)
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