Jan van Eyck: Bildnis eines Mannes mit rotem Turban (1433); London, National Gallery (für die lohnenswerte Großansicht einfach anklicken) |
Die dunkle Büste des etwa Fünfzigjährigen taucht
wie aus dem Nichts aus dem schwarzen Porträthintergrund auf. „Mit ungeheurer
Feinheit konzentriert der Maler das Licht, das seine größte Helligkeit in der
Augenpartie des Mannes erreicht, auf die Inszenierung des wichtigsten
künstlerischen Organs“ (Belting 1994, S. 151). Gekleidet ist der Dargestellte in ein Gewand von feinstem schwarzen Samt, das mit üppigem Pelzbesatz versehen wurde. Bei dem Kopfschmuck, der
missverständlich – weil orientalisierend – als Turban bezeichnet wird, handelt
es sich um ein zeit- und ortstypisches Bekleidungsstück, den Chaperon oder die Seidelbinde. Er zieht
beinahe ebensoviel Aufmerksamkeit auf sich wie das Gesicht – eine virtuose
„Faltenrhapsodie“ (Beyer 2002, S. 43).
Das Porträt ist in seinem vergoldeten Originalrahmen erhalten. Er soll dem Betrachter „den Ruhm bestätigen, den der Maler durch seine Arbeit am Bild begründet“ (Gludovatz 2005b, S. 124). Auf den Holzrahmen hat van Eyck eine Inschrift gemalt, scheinbar eine in Gold getriebene Gravur aus teilweise pseudogriechischen Majuskeln. Sie zeigt oben das Motto des Künstlers in flämischer Sprache: „ALS ICH CAN“. Es wird üblicherweise mit „so gut (wie allein) ich es kann“ übersetzt – eine Devise, in der ebenso Demut wie Selbstbewusssein angelegt sind. Unten stehen auf gleiche Weise die Signatur und das Vollendungsdatum des Gemäldes in Latein: „JOH(ANN)ES DE EYCK ME FECIT AN(N)O MCCC 33 21 OCTOBRIS“ (Johannes van Eyck hat mich am 21. Oktober 1433 gemacht). Die exakte Datierung und Bekräftigung der Autorschaft unterstreichen das Verlangen van Eycks nach größtmöglicher Wirklichkeitstreue. Die goldene Schrift auf ebensolchem Grund wiederum enthält vielleicht ein Antikenzitat, vermutet Karin Gludovatz (2005a): Plinius d.Ä. berichtet in seiner Naturalis historia, der berühmte Maler Zeuxis habe seinen Gewändern mit goldenem Faden stolz den eigenen Namen eingestickt.
Auffallend an van Eycks Gesicht ist besonders das vom Betrachter aus gesehen rechte Auge: Es ist frontal auf uns gerichtet und sitzt beinahe wie ein Emblem im Antlitz. „Im Auge verkörpert sich der für den Maler zentrale Sinn, das Sehen, und nicht zufällig liegt es exakt auf einer Achse mit dem I ( »ICH «) des Mottos: Van Eyck demonstriert mit dieser Überlagerung von Individuum und Profession seine Identität “ (Gludovatz 2005a).
Das Porträt ist in seinem vergoldeten Originalrahmen erhalten. Er soll dem Betrachter „den Ruhm bestätigen, den der Maler durch seine Arbeit am Bild begründet“ (Gludovatz 2005b, S. 124). Auf den Holzrahmen hat van Eyck eine Inschrift gemalt, scheinbar eine in Gold getriebene Gravur aus teilweise pseudogriechischen Majuskeln. Sie zeigt oben das Motto des Künstlers in flämischer Sprache: „ALS ICH CAN“. Es wird üblicherweise mit „so gut (wie allein) ich es kann“ übersetzt – eine Devise, in der ebenso Demut wie Selbstbewusssein angelegt sind. Unten stehen auf gleiche Weise die Signatur und das Vollendungsdatum des Gemäldes in Latein: „JOH(ANN)ES DE EYCK ME FECIT AN(N)O MCCC 33 21 OCTOBRIS“ (Johannes van Eyck hat mich am 21. Oktober 1433 gemacht). Die exakte Datierung und Bekräftigung der Autorschaft unterstreichen das Verlangen van Eycks nach größtmöglicher Wirklichkeitstreue. Die goldene Schrift auf ebensolchem Grund wiederum enthält vielleicht ein Antikenzitat, vermutet Karin Gludovatz (2005a): Plinius d.Ä. berichtet in seiner Naturalis historia, der berühmte Maler Zeuxis habe seinen Gewändern mit goldenem Faden stolz den eigenen Namen eingestickt.
Jan van Eycks Selbstporträt im Originalrahmen |
1433 war ein bedeutsames Jahr für den Maler – van
Eyck vollendete den Genter Altar, an
dem er 15 Jahre gearbeitet hatte, der ihn berühmt machte und es ihm ermöglichte,
sein eigenes Haus in Brügge zu erwerben. Zudem heiratete van Eyck 1433. Die ihm zuvor immer nur gleichsam im Zeitvertrag zugewiesene Stelle als
Kammerherr von Philippe le Bon wurde durch den Herzog nun auf Lebenszeit gewährt
und sein jährliches Gehalt um nahezu das Doppelte erhöht – „Gründe genug, sich
des eigenen gestiegenen Selbstverständnisses auch bildhaft zu versichern und
ein Selbstporträt davon dauerhaft Zeugnis ablegen zu lassen“ (Beyer 2002, S.
43).
Jan van Eyck: Margareta van Eyck (1439); Brügge, Groeningemuseum |
Margaretas zierlicher Körper verschwindet geradezu in der plastischen Fülle des mantelartigen roten Oberkleides (einem Tabbaert). Ihr Gesicht, gerahmt von einer Hörnerhaube mit weißem Krüseler, ist so naturalistisch dargestellt, „dass die gelängte, schmale Nase beinahe die Bildgrenze zu überschreiten und in den Betrachterraum hineinzuragen droht“ (Gludovatz 2004, S. 24). Auch Margareta sieht uns aus dem Bild heraus direkt an – „aus dem Blickobjekt ist ein Blicksubjekt geworden, das sieht, wer es ansieht“ (Gludovatz 2004, S. 25). Die rechte Hand Margaretas mit dem Ehering wurde erst später hinzugefügt. Das Gemälde ist das einzige erhaltene autonome Frauenbildnis van Eycks; die Porträts der Jacobäa von Bayern und der Isabella von Portugal (das der Maler 1429 als Brautbild für den werbenden Herzog Philippe le Bon anfertigte), sind nur in Kopien überliefert.
Dass van Eyck seine Ehefrau in ihrem 33. Lebensjahr abbildet, steht wahrscheinlich in einem religiösen Zusammenhang: Nach Augustinus ist dies nämlich das Alter, in dem jeder Mensch am Jüngsten Tag auferstehen wird. Vor diesem Hintergrund würde sich in ihrem Porträt auch eine Heilshoffnung ausdrücken. Das gilt ebenso für das Bildnis eines Mannes mit rotem Turban: Der wurde zwar nicht in seinem 33. Lebensjahr, aber 1433 gemalt, wobei das 33 in arabischen Ziffern geschrieben und von der römischen Jahreszahl MCCCC noch durch Punkte abgesetzt ist.
Dass van Eyck seine Ehefrau in ihrem 33. Lebensjahr abbildet, steht wahrscheinlich in einem religiösen Zusammenhang: Nach Augustinus ist dies nämlich das Alter, in dem jeder Mensch am Jüngsten Tag auferstehen wird. Vor diesem Hintergrund würde sich in ihrem Porträt auch eine Heilshoffnung ausdrücken. Das gilt ebenso für das Bildnis eines Mannes mit rotem Turban: Der wurde zwar nicht in seinem 33. Lebensjahr, aber 1433 gemalt, wobei das 33 in arabischen Ziffern geschrieben und von der römischen Jahreszahl MCCCC noch durch Punkte abgesetzt ist.
Literaturhinweise
Belting, Hans/Kruse, Christian: Die
Erfindung des Gemäldes. Das erste Jahrhundert der niederländischen Malerei.
Hirmer Verlag, München 1994;
Beyer, Andreas: Das Porträt in der Malerei.
Hirmer Verlag, München 2002;
Gludovatz, Karin:
Vom Ehemann vollendet: Die Bildwerdung der Margareta van Eyck. In:
Simone Roggendorf/Sigrid Ruby (Hrsg.), (En)gendered: Frühneuzeitlicher
Kunstdiskurs und weibliche Porträtkultur nördlich der Alpen. Jonas
Verlag, Marburg 2004, S. 18-37;
Gludovatz, Karin: Jan van Eyck, Der Mann mit dem roten Turban, 1433. In: Ulrich Pfisterer/Valeska von Rosen (Hrsg.), Der Künstler als Kunstwerk. Selbstporträts vom Mittelalter
bis zur Gegenwart. Philipp Reclam, Stuttgart 2005a, S. 34;
Gludovatz, Karin: Der Name am Rahmen, der Maler im Bild. Künstlerselbstverständnis und Produktionskommentar in den Signaturen Jan van Eycks. In: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte LIV (2005b), S. 115-175;
Jansen, Dieter: Jan van Eycks Selbstbildnis – der
»Mann mit dem roten Turban«
und der sogenannte »Tymotheos« der Londoner National Gallery. In: Pantheon 47
(1989), S. 36-48;
Panofsky, Erwin: Die
altniederländische Malerei. Ihr Ursprung und ihr Wesen. Band 1. DuMont Buchverlag,
Köln 2001 (urspr. 1953).
(zuletzt bearbeitet am 18. Juli 2023)
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