Samstag, 25. Mai 2019

Architektur des Klassizismus (1): die Glyptothek in München

Leo von Klenze: Glyptothek (1816–1828); München, Königsplatz (für die Großansicht einfach anklicken)
Als der bayerische Kronprinz Ludwig (1786–1868) das Grundstück für die Münchner Glyptothek (griech. glypton = Plastik) erwarb, war er bereits begeisterter Sammler antiker Kunst. 1813 etwa gelang ihm der Ankauf des berühmten Barberinischen Fauns, bis heute Highlight der in der Glyptothek ausgestellten antiken Skulpturen (siehe meinen Post „Die Macht des Dionysos“).
Als Baumeister der Glyptothek, die die königlichen Antikensammlungen beherbergen sollte, wählte Ludwig den fast gleichaltrigen Leo von Klenze (1784–1864) aus. Dieser hatte sich an dem 1814 international ausgeschriebenen Architektur-Wettbewerb beteiligt und fand dann mit seinem Entwurf eines Vierflügelbaus um einen quadratischen Innenhof die Zustimmung des Kronprinzen. Klenze war von Ludwig schon vor der Wettbewerbsentscheidung als Hofbaumeister in München angestellt worden. Sein Credo lautete: „Es gab und gibt nur Eine Baukunst und wird nur Eine Baukunst geben, nämlich diejenige, welche in der griechischen Geschichts- und Bildungsepoche ihre Vollendung erhielt“ (Wünsche 2005, S. 187). 1816 wurde der Grundstein der Glyptothek gelegt und das Gebäude 1828 mit der Aufstellung der berühmten Metopen-Figuren des Aphaia-Tempels von der Insel Ägina (den sog. Ägineten) eröffnet. Für das Publikum war es ab 1830 offiziell zugänglich.
Glanzstücke der Sammlung: Der Barberinische Faun ...
... und die Ägineten
Der Bau erhebt sich auf einem niedrigen Dreistufensockel. Die feierliche Klarheit der Glyptothek mit ihren zwölf ionischen Säulen unter einem tempelähnlichen Giebeldreieck und den sechs Ädikula-Rundbogennischen dominieren den Königsplatz. Dabei überragt der Portikus die Seitenflügel, wodurch die Mitte des Baukörpers eine besondere Betonung erfährt. Das Giebelfeld füllt eine marmorne Skulpturengruppe, die Athena lehrt die Bildhauer zeigt. Jede der Figuren repräsentiert eine spezielle Technik dieser Kunstgattung: der Modellierer in Ton, der Holz- und der Steinbildhauer, der Erzgießer, der Statuenmaler und andere. Die Frontfassade ist fensterlos und wird von Eckpilastern abgeschlossen; Licht erhalten die Innenräume durch den Innenhof. 
Klenzes Grundriss von 1816
In den Nischen der Außenwände sind insgesamt 18 Skulpturen eingestellt, die mythische oder historische Repräsentanten der Künste darstellen: An der Vorderseite zum Königsplatz hin sind es Daidalos, Prometheus, Phidias und Hephaistos sowie Hadrian und Perikles als die großen Kunstmäzene der Antike. An der westlichen Seite begegnen uns Renaissance-Meister wie Donatello und Michelangelo; an der östlichen Seite des Gebäudes erscheinen zeitgenössische Bildhauer wie Berthel Thorwaldsen, Antonio Canova oder Ludwig Schwanthaler, die zur damaligen Wiedergeburt der antiken Kunst am meisten beigetragen haben.
Historische S/W-Aufnahmen zeigen die Freskierung ...
.... und den reichen Ornamentschmuck der Innenräume vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg
Ludwig I. (Ludwig war seinem Vater Maximilian I. nach dessen Tod 1825 auf dem bayerischen Thron nachgefolgt) ließ Wände und Kuppeln im Innern reich und farbig schmücken. Nach schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg wurde die Restaurierung des Baus erst 1972 abgeschlossen. Die zerstörten Wandbilder des Malers Peter Cornelius, der reiche Deckenstuck, die vergoldeten Reliefornamente und Klenzes farbiger Marmor wurden nicht wiederhergestellt. Heute lassen Ziegelmauerwerk, freigelegte Kuppelschalen und größere Fenster Klenzes Räume deutlich heller und moderner wirken.
Trotz der Festsäle und des privaten Eingangs für den König im Nordflügel gilt die Glyptothek als erstes selbständiges Museumsgebäude in Deutschland, das nicht der fürstlichen Repräsentation, sondern vorrangig der Kunst gewidmet war. Im Dezember 2021 konnte die Glyptothek nach einer fast dreijährigen Sanierung wiedereröffnet werden: Während die noch sichtbaren Spuren des Zweiten Weltkriegs an der Fassade als „Zeitzeugen“ am Haus belassen wurden, wurde fehlender Fassadenschmuck in Teilbereichen wiederhergestellt. Außerdem erhielten die seitlichen Putzfassaden ihre Anmutung eines Natursteinmauerwerks zurück. Auf der Nordseite wurde der einstige Königseingang aufgewertet – er dient heute als rollstuhlgerechter Zugang zum Museum.

Literaturhinweise
Hederer, Oswald: Klenzes Glyptothek und Schinkels Altes Museum. In: Pantheon 39 (1981), S. 161-165;
Klotz, Heinrich: Geschichte der deutschen Kunst. Dritter Band: Neuzeit und Moderne 1750 – 2000. Verlag C.H. Beck, München 2000, S. 61-64;
Wünsche, Raimund: Glyptothek München. Meisterwerke griechischer und römischer Skulptur. Verlag C.H. Beck, München 2005.

(zuletzt bearbeitet am 15. November 2023) 

Freitag, 24. Mai 2019

Das gekaperte Weltgericht – Hans Memlings Danziger Altarbild

Hans Memling: Weltgericht (entstanden zwischen 1466 und 1473); Danzig, Muzeum Narodowe
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Hans Memlings großformatiges Triptychon in der Danziger Marienkirche (entstanden zwischen 1466 und 1473) zeigt dem Betrachter eines der zentralen spätmittelalterlichen Themen: das Jüngste Gericht. Vier Busine blasende Engel rufen die Toten aus ihren Gräbern, während Christus, der Weltenrichter, auf einem Regenbogen thront, über den Falten seines weiten roten Mantels gebreitet sind. Links und rechts von ihm sitzen die zwölf Apostel; die Gottesmutter Maria und Johannes der Täufer sind niedergekniet, um Fürbitte für die Verstorbenen zu leisten. Zur Rechten Christi, also auf der linken Seite des Altarretabels, werden Erlöste in das Paradies aufgenommen, das Memling als reich geschmückte und von Engeln bevölkerte Kirche darstellt. Am Fuß der Treppe zum Himmelsportal begrüßt der Apostel Petrus (erkennbar an seinem Schlüssel) die Auferstandenen; vor dem Eingang ins Himmlische Jerusalem überreichen Engel den noch nackten Geretteten neue Kleider, auf den Balkonen empfangen sie weitere Engel mit Musik und Jubel.
Zur Linken Christi öffnet sich ein bedrohlicher Höllenschlund, in dessen loderndes Feuer teuflische Mischwesen mit Spießen, Haken, Gabeln und glühendem Marterwerkzeug die Verdammten treiben und stoßen. Auf den Waagschalen des Erzengels Michael entscheidet sich, wessen Seele genügend Gewicht auf die Waage bringt, um ins Paradies zu gelangen; wer dagegen für zu leicht befunden wird, fällt der ewigen Verdammnis anheim. Der Erzengel trägt eine zeitgenössische Rüstung des ausgehenden 15. Jahrhunderts und ist als Ritter interpretiert.
Weltenrichter und Seelenwäger bilden die Mittelachse der symmetrischen Komposition
Christus ist von konzentrischen Kreisen einer goldenen Glorie umgeben; seine Füße stehen auf einer glänzenden Goldkugel, in der sich das Geschehen unter ihm spiegelt. Mit der erhobenen Rechten segnet er die Erlösten, während er mit der gesenkten Linken die Verdammten abweist. Links und rechts seines Hauptes erscheinen eine weiße Lilie und ein glühendes Schwert – die Lilie als Zeichen der Reinheit ist den Seligen zugewandt, das Schwert als Zeichen des Gerichts den Verdammten. In Zweiergruppen schweben vier Engel mit den Passionswerkzeugen über dem himmlischen Tribunal – herangeführt werden die Martersäule mit Geißelpeitsche, der Kreuzesstamm, die Dornenkrone und die Lanze, mit der Christus die Seitenwunde zugefügt wurde, sowie der Ysopstab.
Memling hat die Auferstandenen und den Erzengel in einer Landschaft mit tief liegendem Horizont angesiedelt. Die beiden Seitenflügel sind mit der Mitteltafel als durchgehende Komposition verbunden; der Strom der Figuren mit ihren schlanken, gelängten Körpern führt in einem großen Halbkreis über eine aufsteigende Bahn links und eine abfallende rechts, ausgehend von der Gestalt des Erzengels im Vordergrund der Mitteltafel. Der dunkle, grünblaue Himmel verweist darauf, dass das Weltgericht zur Nachtzeit stattfindet – der Apostel Paulus spricht davon, „dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht“ (1. Thessalonicher 5,2; LUT).
Panik und Pein zu Matthäi am Letzten
Der Goldgrund, der den Weltenrichter und seinen „Hofstaat“ hinterfängt, ist auch hinter dem Portal des Himmlischen Jerusalems sichtbar. Auf dem rechten Flügel hingegen erfüllen dunkle Rauchwolken den Raum über dem brennenden Höllenschlund – die Hölle ist als eine Art vulkanisches Gebirge dargestellt. Mit dem geordneten Einzug der Auserwählten in den Himmel auf der linken Seite kontrastiert das Stürzen und Taumeln, das Gedrängt- und Geschobenwerden durch die tierähnlichen Dämonen. „Man meint das Wehklagen, die Verzweiflungs- und Schmerzensschreie zu hören, die mittels variantenreicher Körper- und Gebärdensprache ins Bild gesetzt sind“ (Welzel 2009, S. 89). Ein Teufel packt einen der Gerichteten beim Schopf, während er einen weiteren Verdammten am Bein über die Schulter geschwungen hat, um beide in den Höllenschlund zu zerren. Der Geschulterte lehnt sich noch auf gegen sein Los: Mit heftigen Bewegungen versucht er, sich zu befreien und zu entkommen. Dabei packt er auch einen anderen auferstandenen Mann, der nun seinerseits in Gefahr gerät, mit in das ewige Feuer gezogen zu werden. Mit größter Anstrengung stemmt er sich dagegen, beide Hände panisch in den Boden gekrallt.
Ab ins ewige Feuer!
Auf dem linken Seitenflügel schreiten die Erlösten über eine Kristalltreppe nach oben zum Eingang ins Himmlische Jerusalem, das auf Wolken zu ihnen herabgesunken ist (Offenbarung 3,12). Vor ihrem Eintritt ins Paradies werden sie nicht nur von Engeln bekleidet, sondern erhalten auch die Attribute ihres zu Lebzeiten ausgeübten Amtes zurück: Papst, Kardinal und Bischof gehen an der Spitze. Rassenunterschiede werden nicht gemacht – sowohl unter den Auserwählten als auch unter den Verdammten ist eine schwarze Gestalt zu erkennen. Manche der männlichen Erlösten weisen deutlich persönliche Züge auf, was darauf hinweist, dass sich Bekannte des Auftraggebers hier porträtieren ließen (bei den Verdammten ist dies, wen wundert’s, nicht der Fall).
Die Himmelspforte ist als gotisches Portal wiedergegeben, hinter dem sich zwei romanische Türme verbergen. Ganz rechts und über dem Wimperg ist ein Teil dieser Architektur zu sehen, außerdem erkennt man hinter der geöffneten Pforte rotmarmorierte romanische Säulen. Die unterschiedlichen Architekturformen könnten sinnbildlich für die Zeit des Alten und des Neuen Testaments stehen, wobei die Gotik dann für die Zeit des Neuen Testaments und damit der göttlichen Gnade steht. Das figürliche Programm des Portals ist apokalyptisch, der darüber liegende Wimperg zeigt die Schöpfung Evas. „Architektur und Skulptur vereinen folglich in ihrer Gestaltung den Anfang und das Ende der Menschheitsgeschichte“ (De Vos 1994, S. 82/84).
Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße (Jesaja 66,1; LUT)
Auf der Erde, in Verlängerung der Mittelachse direkt unter Christus und die Auferstandenen an Größe weit überragend, steht der Erzengel Michael genau auf der Grenze zwischen dem grünen Boden links und der öden braunen Fläche rechts. Sein Harnisch ist aus dem gleichen goldglänzenden Material wie die Weltkugel, auf der die Füße Christi ruhen, und auch auf dem gewölbten Bruststück seiner Rüstung spiegelt sich die Szenerie darunter. Es reflektiert nicht nur den Kreuzstab und die Waage in seiner Hand, „sondern erweitert den Bildraum um die Fiktion, daß sich das Gräberfeld, aus dem die Auferstandenen hervorkriechen, bis in den Raum des Betrachters erstreckt“ (Belting/Kruse 1994, S. 245).  Über den Schultern des Erzengels hängt ein rotes Pluviale aus Goldbrokat; seine Flügel enden in Pfauenfedern. Während er in der rechten Hand die Waage hält, richtet er mit der Linken seinen Kreuzstab auf den Körper eines Verdammten, als wolle er ihn in die Hölle stoßen. Während sich die Schale des Gerichteten als zu leicht hebt, hat sich die andere die Schale mit dem frommen Beter gesenkt.
Die Außenseiten des Triptychons zeigen unter gemalten Nischen-Skulpturen der Gottesmutter und des hl. Michael den Auftraggeber des Triptychons, Angelo Tani, und seine Frau Caterina Tanagli, beide andächtig kniend. Tani war Agent und zeitweiliger Direktor der Medici-Bank in Brügge. Die Wappen der Ehepartner sind an den Sockeln der Nischen aufgehängt – sie erlaubten zu Beginn des 20. Jahrhunderts dem Hamburger Kunsthistoriker Aby Warburg die Identifikation der Dargestellten. Die Außenseiten des Klappaltars waren die gewöhnliche Werktagsansicht. Öffnete man zu bestimmten Anlässen die Flügeltüren, bot sich ein Anblick überwältigender Farbenpracht.
Die Außenflügel des Altars mit den im Gebet knienden Stifterfiguren
Memlings Altar ist knapp 2,3 m hoch und geöffnet 3,5 m breit, geschlossen gut 1,7 m. Er muss nach 1466, dem Hochzeitsdatum Tanis, und vor 1473, dem Zeitpunkt der Schiffskaperung, gemalt worden sein. Einen Hinweis auf das Datum der Auftragserteilung findet sich vielleicht auch auf dem Bild selbst: Ein Grabstein links neben dem Erzengel trägt die Jahreszahl 1467. Das Triptychon sollte als Stiftung den Altar der Michaelskapelle im Kloster Badia Fiesolana vor den Toren von Florenz schmücken. Doch dazu kam es nicht. 1473 war das Altarwerk auf ein unter burgundischer Flagge segelndes Handelsschiff der Medici-Bank, die „San Matteo“, verladen worden, die über England nach Pisa segeln sollte. Es war, wie in dieser Zeit üblich, mit Luxusgütern verschiedener Besitzer (darunter auch der Papst) beladen. Die Galeere wurde allerdings am 27. April 1473 von dem Danziger Piraten Paul Beneke auf der „Peter von Danzig“ angegriffen und gekapert, die kostbare Schiffsladung schließlich nach Stade gebracht, wo man sie verteilte.
Memlings Weltgericht hat seinen Auftraggeber niemals erreicht und gelangte als Schenkung der drei Eigentümer der „Peter van Danzig“ – Johann Sidinghusen, Tidemann Valandt und Heinrich Niederhof – in die Kapelle der Georgsbruderschaft in die Danziger Hauptkirche St. Marien. Die drei Kaufleute hatten das Kaperschiff für den hansisch-englischen Krieg ausgerüstet. Tommaso Portinari, zu diesem Zeitpunkt Leiter der Brügger Medici-Filiale, wandte sich sofort an den burgundischen Herzog Karl den Kühnen und forderte von der Hanse Schadensersatz für das seiner Meinung nach widerrechtlich gekaperte Schiff. Dass die „San Matteo“ tatsächlich auch für England gedachte Waren beförderte, suchte er zu überspielen. Sogar Papst Sixtus IV. verlangte auf Bitten der Florentiner 1477 von Danzig unter Androhung des Kirchenbanns die Rückgabe des Geraubten. Die Verhandlungen zogen sich jahrelang erfolglos hin, bis schließlich erst 1499 die Stadt Brügge im Interesse weiterer guter Handelsbeziehungen mit der Hanse beschloss, Tommasos Neffen (ihm hatte Tommaso inzwischen seine Rechte abgetreten) zu befriedigen. Bis 1513 wurden stockend Zahlungen geleistet.
Rogier van der Weyden: Weltgericht (zwischen 1442 und 1452 entstanden), Beaune, Hôtel-Dieu 
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Als Vorbild für Memlings Altar gilt die Darstellung des Weltgerichts, die Rogier van der Weyden (1399–1464) zwischen 1442 und 1452 für das Hôtel-Dieu geschaffen hatte, einem Hospital im burgundischen Beaune. Gerade dessen Christus-Figur formt Memling getreu nach – er dürfte von Rogiers Weltenrichter eine Nachzeichnung verwendet haben. Tani, der als Leiter der Brügger Medici-Filiale in engen geschäftlichen Verbindungen zum burgundischen Hof stand, kannte den Auftraggeber Rogiers, den burgundischen Kanzler Rolin, zweifellos. Aber nicht nur der Weltenrichter ist bis in die Faltenzüge hinein eine getreue Kopie des Beauner Christus, auch die Anordnung der beiden Fürbitter zu Seiten des nahezu kreisförmigen und besonders groß wiedergegebenen Regenbogens folgt weitgehend dem Beauner Retabel. Außerdem nimmt der Erzengel Michael als Seelenwäger auf Memlings Werk ebenfalls eine zentrale Stellung in der Gesamtkomposition ein. Die Stiftung des burgundischen Geschäftspartners war sozusagen das Vergleichsniveau, „unter dessen Ansprüchen der Italiener nicht zurückbleiben wollte“ (Rohlmann 1994, S. 47). Memlings Orientierung an Rogier könnte also durchaus auf einen Wunsch des Bestellers Tani zurückgehen.
Stefan Lochner: Weltgericht (um 1435); Köln, Wallraf-Richartz-Museum (für die Großansicht einfach anklicken)
Während Rogier die Figuren des Jüngsten Gerichts auf mehrere Einzeltafeln verteilt, hat Memling das Geschehen allerdings zu einer großen durchgehenden Komposition vereinigt. Auch dafür hatte er wahrscheinlich ein Vorbild, nämlich das um 1435 vermutlich als Gerechtigkeitstafel für das Kölner Rathaus gemalte Weltgericht von Stefan Lochner (sieh meinen Post „Hinein ins ewige Feuer“), das Memling gekannt haben dürfte. Auch Memlings Himmelsportal ähnelt auffallend dem auf Lochners Gemälde (einschließlich des Kreises im Wimperg, der von drei Schneußmotiven umgeben ist, und den Engeln hinter der Balustrade). „The man depicted by Lochner in the right foreground who is about to be thrown into the fire of Hell by a demon bearing another victim on his shoulder clearly served Memling as a model for the damned soul in Saint Michael’s scales. The frightening appearance of demons and the torments of the damned as represented by Lochner must have stimulated Memling to fill his own Hell with unthinkable horrors“ (Ridderbos/Faries 2017, S. 68). Dass Memling aber auch der Kunst Jan van Eycks (1390–1441) nacheifert, zeigt sich in besonderer Weise an den Spiegeleffekten auf der Rüstung des Erzengels und der goldenen Kugel unter den Füßen Christi: „The sparkling and reflective armour of the archangel recalls Saint George in Van Eycks Virgin with Saints and Canon van der Paele, while his cuirass mirrors a whole scene that extends outside the space of painting, just as the mirror in the Arnolfini double portrait“ (Ridderbos/Faries, 2017, S. 77).
Jan van Eyck: Madonna des Kanonikus Joris van der Paele (1436); Brügge, Groeningemuseum
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Aby Warburg war es auch, der als Erster erkannte, dass der in der linken Schale des Erzengels Kniende eindeutig die Züge des Medici-Geschäftsführers Tommaso Portinari trägt. Wir kennen sein Porträt aus Hugo van der Goes‘ Triptychon in den Uffizien und ebenso aus zwei weiteren Werken Memlings. Das Verhältnis zwischen Tani und Portinari war durch ihre Konkurrenz um die Leitung der Filiale belastet – Tani hatte sie 1465 seinem bisherigen Mitarbeiter Portinari abtreten müssen. Sie blieben aber Geschäftspartner. Ab 1469 ließ sich Tani dann dauerhaft in Florenz nieder, während Portinari im Norden wohl Entstehen, Bezahlen und Verschiffen des Altars überwachte bzw. abwickelte. „Hier könnte ein Grund dafür liegen, daß Tani dem Porträt des Konkurrenten einen hervorgehobenen Platz auf seinem Altar zugestand oder dieser einen solchen beanspruchte“ (Rohlmann 1994, S. 48).
1807 entführten französische Truppen auf Geheiß Napoleons Memlings Altarwerk nach Paris. 1815 ließ Generalfeldmarschall Blücher den General Ziethen mit einem Bataillon Pommerscher Landwehr in den Louvre rücken, um das Bild zurückzuholen. 1945 dann brachten es russische Truppen von seinem Auslagerungsort in Thüringen nach Leningrad. Elf Jahre später wurde es Danzig zurückerstattet, wo es allerdings nicht mehr in der Marienkirche, sondern im Museum seinen Platz erhielt.
Hans Memling stammte aus Seligenstadt am Main, wo er um 1435 geboren wurde; über seine erste Ausbildung ist nichts bekannt, aber der Stil seiner frühen Werke verrät, dass er eine Zeitlang in der Brüsseler Werkstatt Rogier van der Weydens verbracht haben dürfte. Rogier starb 1464 in Brüssel, Memling wiederum ist seit 1465 als Bürger von Brügge nachweisbar, wo er auch bis an sein Lebensende 1494 blieb.

Literaturhinweise
Belting, Hans/Kruse, Christian: Die Erfindung des Gemäldes. Das erste Jahrhundert der niederländischen Malerei. Hirmer Verlag, München 1994, S. 244-246;
De Vos, Dirk: Hans Memling. Das Gesamtwerk. Belser Verlag, Stuttgart/Zürich 1994, S. 83-88;
De Vos, Dirk: Flämische Meister. Jan van Eyck – Rogier van der Weyden – Hans Memling. Du Mont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2002, S. 157-168;
Kemperdick, Stefan: Zur Lochner-Rezeption außerhalb Kölns. In: Frank Günter Zehnder (Hrsg.), Stefan Lochner, Meister zu Köln. Herkunft – Werke – Wirkung. Verlag Locher, Köln 1993, S. 69-80;
Lane, Barbara G.: The Patron and the Pirate: The Mystery of Memling’s Gdańsk Last Judgment. In: The Art Bulletin 73 (1991), S. 623-640;
Ridderbos, Bernhard/Faries, Molly: Hans Memling’s Last Judgement in Gdańsk: technical evidence and creative process. In: Oud Holland 130 (2017), S. 57-82;
Rohlmann, Michael: Auftragskunst und Sammlerbild. Altniederländische Tafelmalerei im Florenz des Quattrocento. VDG, Alfter 1994, S. 41-49;
Welzel, Barbara: Memlings Jüngstes Gericht in Danzig. In: Gerhard Eimer u.a. (Hrsg.), Ecclesiae ornatae. Kirchenausstattungen des Mittelalters und der frühen Neuzeit zwischen Denkmalwert und Funktionalität. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 2009, S. 81-100; 
LUT = Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
 

(zuletzt bearbeitet am 19. November 2020) 

Montag, 13. Mai 2019

Kunst aus Kieseln – die Mosaiken von Pella

Löwenjagd-Mosaik (4. Jh. v.Chr.); Archäologisches Museum, Pella (für die Großansicht einfach anklicken)
Die ältesten erhaltenen Mosaiken stammen aus Griechenland (4. Jh. v.Chr.): Es handelt sich um Fußböden, die aus besonders glatten, runden und gleichmäßig kleinen Flusskieseln zusammengesetzt sind. Man ordnete dabei schwarze und weiße oder farbige Kiesel, die zunächst und auch weiterhin als einfacher Fußbodenbelag im Mörtelverband verwendet wurden, in den Böden besonderer Räume zu Figuren. Durch antike Inschriften wissen wir, dass die Steine der Größe nach ausgesiebt wurden. Um die Umrisslinien der Figuren hervorzuheben, verwendete man Bleistreifen, die zwischen linear aneinandergefügte Kiesel eingeklemmt werden konnten.
Die künstlerisch wertvollsten figürlichen Kieselmosaiken der Antike haben sich in den Palästen von Pella erhalten, etwa 45 Kilometer südwestlich des heutigen Thessaloniki gelegen. Das von Archelaos I. von Makedonien gegründete Pella ersetzte die frühere Hauptstadt Aigai, die im Binnenland und noch weiter vom Meer entfernt lag. Am neuen Standort errichteten die makedonischen Fürsten große Paläste; die königliche Residenz ließ man von Zeuxis ausstatten, dem berühmtesten Maler jener Zeit. Aus zwei dieser aristokratischen Häuser stammen elf Kieselmosaiken, die alle in die Zeit zwischen 330 und 310 v.Chr. zu datieren sind. Im 4. Jahrhundert war Makedonien das Herkunftsland der Fürsten, die nach dem Tod Alexander des Großen 323 v.Chr. die hellenistischen Königreiche gründeten und dabei das Zentrum des Reiches nach Osten verschoben: die Ptolemäer mit Alexandria in Ägypten, die Seleukiden mit Antichochia in Syrien und die Attaliden mit Pergamon in Kleinasien.
Der Hintergrund der Pella-Mosaiken ist gewöhnlich dunkel gehalten, und zwar durch schwarze bis dunkelgraue Kiesel, die aber mit helleren Steinen gleichmäßig durchsetzt sind. Sie erinnern damit an die zeitgleichen schwarzgrundigen Gefäße. Die Figuren sind weiß, die Binnenlinien zur Angabe der Muskeln grau, Lippen und Münder rot, Haare und Mähnen dagegen gelb und Gegenstände im Allgemeinen rot-braun dargestellt. Vier dieser Mosaiken sind besonders schön, ich will sie hier kurz vorstellen.
Dionysos-Mosaik (4. Jh. v.Chr.); Archäologisches Museum, Pella
Das erste zeigt den Gott Dionysos auf dem Rücken eines Panthers, der sich auf die Hinterbeine erhebt – ein beliebtes Motiv der griechischen Vasenmalerei. Für den Körper des Gottes wurden weiße Kiesel verwendet, die Flecken des Panthers sind schwarz, die Trennlinien der Muskeln beim Oberkörper des Dionysos und die Züge seines Gesichtes mit grauen Kieselsteinen eingelegt. Rot findet sich nur beim Maul des Panthers mit seinem kleinen Kopf, Braungrün beim Weinlaubkranz im Haar des Gottes und beim Thyrsosstab (einem seiner Attribute), den er in der Linken trägt. Das an den Stab geknotete, im Wind wehende Band ist wieder weiß mit dunklen Punkten gestaltet.
Auf dem zweiten, stilistisch nur wenig weiterentwickelten Mosaik greifen zwei junge Männer von beiden Seiten einen Löwen an. Die beiden Gestalten bewegen sich im Wesentlichen flächenparallel, während der Löwe leicht perspektivisch schräg dargestellt ist und seinen Kopf nach rechts zurückwirft. Die linke Figur trägt einen breitkrempigen Jagdhut; es ist Alexander der Große, der in der linken Hand ein Schwert, das noch in der Scheide steckt, und in der erhobenen Rechten wurfbereit eine Lanze hält. Der Löwe in der Mitte setzt seine Tatze schon auf den Fuß Alexanders, aber der junge Mann rechts hat bereits sein Schwert aus der Scheide gezogen und erhebt es über den Kopf des Raubtiers, um ihm einen Hieb zu versetzen. 
Tyrannenmörder (röm. Marmorkopie der griech. Bronzeoriginale
aus dem 5. Jh. v.Chr.); Museo Archeologico Nazionale, Neapel
Die Geste erinnert an die berühmte Skulpturengruppe der Tyrannenmörder auf der Akropolis in Athen: Auch der jugendliche Harmodias holt zu einem solchen Hieb aus, um Hippias und Hipparchos, die Söhne des Tyrannen Peisistratos, zu töten.
Das querrechteckige Mosaik bezieht sich auf einen dramatischen Vorfall, der sich bei einer Löwenjagd ereignet hatte und von dem die antiken Biografen Alexanders berichten. Alexander war damals von seinem Freund Krateros gerettet worden, der zur Erinnerung an dieses Ereignis eine Bronzegruppe für das Heiligtum des Apoll in Delphi stiftete. Die Skulptur ist allerdings nicht erhalten.
Hier sollte man die Großansicht unbedingt nutzen ...
Gegenüber dem Mosaik des Pantherreiters sieht man im Löwenjagd-Mosaik eine den Bildraum genauer bestimmende Angabe des Terrains durch hellere Kiesel unter den Füßen der Figuren, deutlichere Schattierungen bei der Körpermodellierung, weiter eine Zunahme der Farbe Rot an den Gewandzipfeln, den Schwertscheiden, dem Schaft des Wurfspeeres und bei Mähne und Schwanzquaste des Löwen. Rot sind auch dessen Nüstern, seine Augenwinkel und seine Zunge, ebenso wie auch Rot für die Lippen, Augen und Haare der Männer verwendet wurde.
Das dritte Mosaik stellt eine ähnliche Jagdszene dar, diesmal mit einem Hirsch. Es zeichnet sich durch eine besonders reiche und breite doppelte Bordüre aus: Außen hebt ein schmaleres schwarz-weißes Wellenband („laufender Hund“ genannt) das Mosaikfeld von der Umgebung ab. Die breitere, das quadratische Bildfeld rahmende Bordüre zeigt eine üppige Blütenranke. In der linken unteren und diagonal gegenüber in der rechten oberen Ecke wächst jeweils ein Akanthuskelch in zwei Etagen auf, der nach rechts und links eine Ranke entlässt. Sie wird anfangs von zwei spiralförmigen Rankenenden begleitet, die in den anderen Ecken in gegenläufigen Palmetten auslaufen. In der Gabelung der Ranken über dem Akanthuskelch sitzen Lotusblüten. An den Stellen, an denen die Wellenranke zu einem Berg nach oben oder zu einem Tal nach unten umschwingt, sprießen zwei Akanthusblätter. Diese wiederum bringen spiralige Begleitranken hervor, die in verschiedenen Blüten enden.
Gnosis hats gemacht, und klasse ist es geworden!
Das Hirschjagd-Mosaik ist vom Künstler signiert: „Gnosis hat es gemacht“ („Gnosis epoiesen“). Es ist die einzige bisher bekannte Signatur auf einem Kieselmosaik. Der Künstler war wohl sehr zufrieden mit seinem Werk, und es ist ohne Frage auch das schönste der Pella-Mosaiken. Die Kiesel sind mit 0,5 bis 1 cm Durchmesser kleiner als bei den anderen Werken.
Auch bei der Hirschjagd kommen die beiden Jäger wie beim Löwenjagd-Mosaik von links und rechts. Sie sind beide in Ausfallstellung dargestellt. Der gefleckte Damhirsch, ein Zehnender, ist von dem Hund, der ihn von links anfällt und in die Flanke beißt, offenbar bis zur Erschöpfung gehetzt worden, denn er bricht mit heraushängender Zunge zusammen, sodass der rechte Jäger ihn am Geweih packen und niederzwingen kann, während er mit dem Schwert in seiner Rechten zum Hieb ausholt. Der linke Jäger, dessen Schwert in der Scheide am Gehenk steckt, schwingt mit beiden Händen eine Doppelaxt, um das Tier niederzustrecken.
Das Terrain, auf dem die Jagd stattfindet, ist felsiger als bei der Löwenjagd und verdeckt den rechten Fuß des linken Jägers. Gnosis ordnet die Figuren – den perspektivisch verkürzten Hund, den Hirsch und die beiden Jäger – in drei Ebenen an und erzeugt so räumliche Tiefe. Besonders wirkungsvoll umgesetzt ist die Idee, dass dem rechten Jäger im Eifer des Gefechts der Hut vom Kopf fliegt, der mit wehenden Bändern in der rechten oberen Ecke zu schweben scheint.
Die Schatten, die die einzelnen Muskeln begrenzen, gibt der Künstler nicht mehr als Linien an, sondern durch das geschickte Einfügen dunklerer Kiesel in die hellere Umgebung. „Sehr viel genauer nach dem Naturvorbild sind auch die Augen und überhaupt die Gesichtszüge der Figuren modelliert“ (Andreae 2012, S. 23). Die Haarlocken der Jäger werden nicht wie beim Löwenmosaik von schwarzen, sondern von weißen Trennlinien durchzogen, sodass die Haarfülle flockiger wirkt. Das Hirschfell zeigt eine sehr überlegte und überzeugende Farbverteilung von bräunlichen und weißen Kieseln. „Bei einem so schwierigen Werk ist anzunehmen, dass es zunächst mit allen Schattierungen auf den Untergrund gemalt wurde, um erst dann die farbigen Kiesel in den passenden Tönen auf das Gemälde zu setzen“ (Pappalardo/Ciardiello 2010, S. 100).
Die ältesten und am besten erhaltenen Kieselmosaiken finden sich im Archäologischen Museum von Pella – hier die Entführung der Helena
Das größte der vier Mosaiken stammt aus einem Saal mit gut 118 Quadratmetern. Das sehr breit querrechteckige Bild ist nur zur Hälfte erhalten und stellt den Raub der noch kindlichen Helena durch Theseus und seinen Wagenlenker Phorbas dar, wie aus den mit winzigen Steinchen zusammengesetzten Beschriftungen „Phorbas“, „Theseus“, „Helene“ und „Deianira“ hervorgeht. Eindrucksvoll ist ein Vierergespann in voller Karriere wiedergegeben, das Phorbas zu zügeln versucht. Er wendet den Kopf nach links zurück, denn er muss Theseus mit seiner menschlichen Beute aufnehmen. Theseus und sein Freund Peirithoos hatten beschlossen, für jeden von ihnen eine Zeustochter zu rauben und als Gemahlin nach Hause zu führen. Helena von Sparta (Tochter von Zeus und Leda) wird von ihren Brüdern, den Dioskuren Kastor und Pollux, wieder zurückgeholt, während Theseus und Peirithoos beim Versuch, Persephone (Tochter des Zeus und seiner Schwester Demeter) aus dem Hades zu entführen, in Fesseln gelegt werden – Herakles kann Theseus später befreien, doch Peirithoos muss zurückbleiben.
Auffallend am Helena-Mosaik ist die reichliche Verwendung gelber Steine für die Wiedergabe der Pferdemähnen und -schweife und der Haare des Phorbas. Auch die großen Wagenräder, von denen das rechte hinter den Hinterbeinen der Stangenpferde und das linke hinter dem linken Beipferd teilweise verschwinden, sind gelb; ebenso die Zügel und der Bug der Deichsel, während die Aufzäumung der Pferde und die Riemen um ihre Leiber rote Farbe zeigen. Das Hirschjagd- und das Helena-Mosaik stellen den Höhe- und den Endpunkt der Kieselmosaiken dar: „In dieser Technik war offenbar mehr nicht zu erreichen. Die Erfindung des Tesseramosaiks mit seinen neuen Möglichkeiten stand bevor“ (Andreae 2012, S. 24).

Literaturhinweise
Andreae, Bernard: Antike Bildmosaiken. Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt/Mainz 2012, S. 19-25;
Pappalardo, Umberto/Ciardiello, Rosaria: Griechische und römische Mosaiken. Hirmer Verlag, München 2012.

Dienstag, 7. Mai 2019

Ein Buch für die Himmelskönigin – Albrecht Dürers „Marienleben“

Albrecht Dürer: Himmelfahrt und Krönung Mariens, Holzschnitt
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Albrecht Dürers Marienleben ist ein Bilderzyklus, der aus insgesamt 20 Holzschnitten besteht. Er gehört neben der Apocalipsis cum figuris (siehe meinen Post „Kunstvoller Weltuntergang“) und der Großen Passion zu den beliebtesten und aufwendigsten Grafikprojekten aus der Werkstatt des Nürnberger Meisters. 1511 wurde das Marienleben als Buch im Folio-Format gedruckt; in dieser Buchausgabe sind den Illustrationen jeweils gleichberechtigt thematisch zugehörige, in Distichen abgefasste lateinische Texte gegenübergestellt. Verfasst wurden sie von dem zeitgenössischen Mönch Benedictus Chelidonius, der aus dem nahe Dürers Wohnhaus gelegenen Benediktinerkloster St. Egidien stammte. Ein Blatt der Buchausgabe trägt daher auf der Vorderseite jeweils ein Bild und auf der Rückseite den auf das nachfolgende Blatt bezogenen Text. Als Käuferkreis dürfte Dürer vor allem humanistisch gebildete Leser sowie reiche Kaufleute, Patrizier und Kleriker anvisiert haben, die sich besonders durch die Gestaltung des Buches angesprochen fühlten.
Drei Szenen, die die Vorgeschichte der Eltern Joachim und Anna erzählen, leiten das Marienleben ein. Es folgen 15 Stationen aus dem Leben Mariens, die mit ihrer Geburt beginnen und ausführlich ihre Rolle als Mutter Christi thematisieren, von der Verkündigung der Schwangerschaft über die Ereignisse der Geburt Jesu bis zu ihrem Tod. Der Zyklus endet mit der Himmelfahrt und Krönung Mariens. Das Titelblatt zeigt Maria auf der Mondsichel, der Epilog ist der Verehrung Mariens gewidmet. Dabei greift Dürer auf verschiedene Textquellen zurück, so unter anderem auf die kanonischen und apokryphen Evangelien oder die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Bei der Auswahl der Szenen konzentriert er sich auf die Hauptereignisse der Marienvita, wobei die Freuden der Maria, wie die Verkündigung oder die Geburt Christi, gegenüber den schmerzvollen Erfahrungen in ihrem Leben, wie die Flucht nach Ägypten oder der Abschied Christi, überwiegen. Die Entscheidung, die der Passion Christi zugehörigen Schmerzen Mariens auszuklammern, verweist darauf, dass Dürer vor allem ihre Rolle als Vermittlerin zwischen Gott und den Menschen betonen will. Sein Marienleben zeigt die Mutter Jesu nicht auf einem fortwährenden Leidensweg, durch den sie an der Erlösung der Menschheit teilhat. „In Dürers Interpretation geht es in erster Linie um die menschliche, zum Teil sogar mütterliche Seite Mariens, die letzlich gekrönt und in den Himmel aufgenommen wird“ (Feulner 2013, S. 235).
Eingebettet in ein bürgerliches Umfeld, lebt Maria in einer für den zeitgenössischen Betrachter leicht nachvollziehbaren Realität. Dürer breitet seine Szenarien wie auf einer Bühne aus, auf der die Figuren agieren. Dominiert werden diese sich weit in die Tiefe erstreckenden Raumkonstruktionen von Phantasie-Architekturen, bei denen nördliche wie südliche Baustile zu entdecken sind: Gebäudeensembles, die an das mittelalterliche Nürnberg erinnern, werden mit Renaissanceformen kombiniert. Besondere Anregungen erhielt Dürer durch die venezianische Sakralarchitekur der Frührenaissance. Das seit 1500 zunehmende Interesse Dürers an der Perspektive und Mathematik scheint jeden Holzschnitt zu durchdringen. Seine Bildkompositionen sind mit komplizierten Treppenanlagen, Torbögen oder mehrere Ebenen umfassenden Raumkonzepten ausgestaltet: „Eine Demonstration nicht nur seines Könnens, sondern auch seiner in Italien erworbenen Kenntnisse der für den damaligen Betrachter neuen Zentralperspektive“ (Feulner 2013, S. 236).
Details von Pflanzen, realistische Tierdarstellungen und die Wiedergabe von bürgerlichen Einrichtungsgegenständen runden die abwechslungsreichen und stimmungsvollen Szenen des Marienlebens ab. Dadurch gelingt es, den Betrachter direkt in das Geschehen einzubeziehen. „Dürer suggeriert mit seinen lichtdurchfluteten Interieurs eine fast häusliche Intimität, die dem Geschmack der zumeist bürgerlichen Käufer in großem Maße entsprochen haben dürfte“ (Feulner 2013, S. 236). Zudem reagierte der Künstler mit seinen Holzschnitten auf die damals außerordentlich populäre Marienverehrung, die am Übergang vom 15. zum 16 Jahrhundert einen Höhepunkt erlebte. Das Marienleben wurde ein Bestseller. Trotz der hohen Auflage, die die Holzschnitte ermöglichten, konnte Dürer die große Nachfrage nicht befriedigen. Andere Künstler wurden auf die lukrativen Absatzmöglichkeiten des Marienlebens aufmerksam: In kürzester Zeit entstand eine Vielzahl von Varianten der Dürerschen Holzschnitte, die diese kopierten, nachahmten oder einfach Details weiterverwendeten.
Albrecht Dürer: Titelblatt des Marienlebens; Holzschnitt
Albrecht Dürer: Maria auf der Rasenbank (1503); Kupferstich
Albrecht Dürer: Maria mit der Sternenkrone (1508); Kupferstich
Das Titelblatt des Marienlebens zeigt die Gottesmutter entrückt und zugleich ganz menschlich: Über den Wolken, umrahmt von einer Mondsichel, umstrahlt von der Sonne und bekränzt von einem Diadem aus zwölf Sternen, stillt die göttliche Maria wie eine irdische Mutter das Christuskind liebevoll an der Brust. Zwei verschiedene Motive sind hier in einem Bild zusammengefasst: der realistische Typus der demütig auf dem Boden sitzenden „Virgo humilitatis“ (wie z. B. auf Dürers Kupferstich Maria auf der Rasenbank von 1503) und der des visionär-erhabenen „Apokalyptischen Weibes“, das sonnenbekleidet und sternenbekrönt auf einer Mondsichel steht (wie z. B. auf Dürers Kupferstich Maria mit der Sternenkrone von 1508). Während über dem Titelblatt in großen Lettern der lateinische Titel des Buches steht, stehen darunter die einleitenden Distichen des Benediktinermönches: Die über die Sterne erhobene Maria fordert in direkter Ansprache zur andächtigen Verehrung auf und bietet sich dem Betrachter als Fürsprecherin bei ihrem Sohn an, den sie in ihrem Schoße getragen und gestillt habe.
Albrecht Dürer: Joachims Opfer wird zurückgewiesen; Holzschnitt
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Das Marienleben setzt wie erwähnt mit drei zentralen Ereignissen aus dem Leben der Eltern Mariens ein: Joachim und Anna werden erstmals im sogenannten Protoevangelium des Jakobus erwähnt. Das tugendsame und fromme Paar litt sehr darunter, dass es wegen seiner Kinderlosigkeit geschmäht wurde – bis es im Greisenalter eine von Gott durch einen Engel verheißene Tochter bekam. Als Joachim einmal beim Fest der Tempelweihe vor den Altar tritt, um sein Opfer darzubringen, wird er vom Hohepriester wegen seiner Unfruchtbarkeit als unwürdig zurückgewiesen. Dürer zeigt auf seinem Holzschnitt den Moment, in dem der Hohepriester das Opferlamm Joachims abweist, während sein Gehilfe den ebenfalls dargebrachten Taubenkäfig vom Opfertisch schiebt. Hinter ihrem Mann steht, die Hände ringend, die kummervolle Anna. Die Schmach, die den beiden widerfährt, betont Dürer noch, indem er ihnen einen Vater mit seinem Sohn gegenüberstellt.
Albrecht Dürer: Joachim auf dem Feld; Holzschnitt
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Während Anna sich nach der Zurückweisung im Tempel trauernd in ihrem Haus verbirgt, verlässt der gedemütigte Joachim die Stadt und zieht mit seinen Herden in die Wüste. Dort fastet er 40 Tage und Nächte und erhält nach vielen Gebeten die Botschaft eines von Gott gesandten Engels: Er verkündet ihm das Ende des Leids und fordert Joachim auf, zurückzukehren und seine Frau zu trösten. Denn Anna werde ein Kind bekommen, das den Namen Maria erhalten solle. Diese wiederum werde den Heiland gebären.
Der Holzschnitt zeigt Joachim auf dem Feld, der erschrocken vor dem am dunklen Waldrand erscheinenden Engel über ihm in die Knie gesunken ist. In einer großfigurigen Diagonalkomposition rückt Dürer die Begegnung der beiden Gestalten in den Vordergrund. Dabei paraphrasieren knorrige, jedoch gerade ausschlagende Weidenbäume das Schicksal Joachims: Ungeachtet seines Alters wird ihm durch Gottes Gnade endlich ein Kind beschert werden. Ehrfürchtig blickt Joachim dabei auf den offenen Brief mit den drei herabhängenden Siegeln, der die Wahrheit der Botschaft gleich einer Urkunde bestätigt. Auch die Hirten im Mittelgrund bemerken das Wunder staunend und kommentieren es bewegt. Ihre räumliche Distanz, aber auch ein klar scheidender Bedeutungsmaßstab lässt sie deutlich kleiner erscheinen.
Joachim und Anna unter der Goldenen Pforte; Holzschnitt
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Nachdem Joachim auf dem Feld und Anna in ihrem Hause die Geburt ihrer Tochter vorhergesagt wurde, begegnen sich beide unter der sogenannten Goldenen Pforte und fallen sich in die Arme. Hinter dem prächtigen, rahmenden Bogenportal öffnet sich der Schauplatz des Geschehens: In ausgewogener perspektivischer Komposition ist ein Platz mit abschließender Mauer zu sehen, dahinter eine weite Berglandschaft. Wie bei einem zeitgenössischen Schnitzaltar ist die Pforte mit dekorativem Astwerk und Figurennischen geschmückt. In das im Bogenrund ausschlagende Astwerk sind Propheten und Vorväter des Alten Testaments eingebunden; so ist rechts oben Moses an seinen Gesetzestafeln zu erkennen.
Albrecht Dürer: Geburt Mariens; Holzschnitt (für die Großansicht einfach anklicken)
Der Darstellungstradition entsprechend, zeigt Dürer die von der Geburt ermattete Anna halb aufgerichtet im Bett, während rechts unten eine der Hebammen die neugeborene Maria badet und weitere Frauen Speisen und Getränke anbieten. Das Treiben in der Wochenstube und die großzügige Anlage des Gemachs – im Geschmack des zeitgenössischen Nürnberger Großbürgertums eingerichtet – stellen hingegen eine Neuerung Dürers dar. Um das prominente Kind hervorzuheben, hat er die Badeszene in den Vordergrund gerückt, während Anna in ihrem Wochenbett mit einer erschöpft eingeschlafenen Hebamme im Hintergrund Platz findet.
Albrecht Dürer: Tempelgang Mariens; Holzschnitt
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Vom Tempelgang Mariens wird nur in den apokryphen Berichten erzählt. Demnach wurde Maria bereits im Alter von drei Jahren von ihren Eltern, die ein Gelübde abgelegt hatten, in den Tempel gebracht. Dort stieg das Kind allein und ohne sich umzusehen 15 Treppenstufen zum Hohepriester hinauf, um in dessen Obhut die nächsten Jahre zu beten und zu studieren. Dürers (älter als drei Jahre wirkende) Maria hat die erstaunte Menge um ihre Mutter Anna verlassen und erstürmt entschlossen mit wehendem Haar die nur neunstufige Tempeltreppe. Ihre Gestalt ist von einer Säule angeschnitten, das Gesicht verschattet.
Das eigentliche künstlerische Interesse Dürers ist offensichtlich die Architektur: Er entwirft ein quadratisches Raumgefüge aus vier Teilen auf verschiedenen Ebenen. Säulen, Gesimse, Bögen und perspektivisch konstruierte Stufen sind im Sinne der italienischen Frührenaissance zusammengefügt. An den verkürzten Wänden gleitet der Blick durch ein Tor in die Ferne. „Die Architekturszenerie »nach antigisch art« unterstreicht im humanistischen Sinn die Zeitgenossenschaft Mariens mit der antiken Welt“ (Scheerbaum 2002, S. 240). Auf die heidnische Antike verweisen auch die zahlreichen mythologischen Szenen, die Reliefs zieren, oder der gepanzerte Fackelträger und sein Begleittier. Seine Bedeutung ist bisher nicht geklärt.
Wahrscheinlich hat sich Dürer bei diesem Holzschnitt von einer Darstellung des Tempelgangs Mariens von Israhel van Meckenem anregen lassen. Die mit vielen Details versehene Händlerszene ist kompositorisch vom eigentlichen Geschehen abgetrennt – sie könnte auf die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel anspielen (Matthäus 21,12). Die unsympathischen Charakterfiguren eines fetten Alten und einer Frau mit Habichtsnase nehmen spätere niederländische Geldwechslerszenen vorweg.
Albrecht Dürer: Vermählung Mariens; Holzschnitt
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Dürer zeigt die Vermählung von Maria und Joseph vor einem Bogentor des Tempels, nach dem sogenannten normannischen Kirchtür-Ritus (in facie ecclesiae). Bedächtig legt der Hohepriester die rechte Hand der schüchternen Maria in die Rechte des deutlich älteren Joseph. Das priesterliche Zusammenfügen der Hände (iunctio dextrarum) entspricht dem in weiten Teilen Europas verbreiteten Trauzeremoniell, ebenso das Beisein männlicher Zeugen auf Seiten Josephs und weiblicher Begleiterinnen auf der Mariens. Das erklärt die starke Ähnlichkeit des Holzschnitts mit Werken anderer Renaissance-Meister, etwa Pietro Peruginos Vermählungsbild in Caen oder Raffaels Sposalizio in Mailand.
Raffael: Sposalizio (1504); Pinacoteca di Brera, Mailand
Die anwesende Gemeinde trägt die Tracht der reichsstädtischen Gesellschaft Nürnbergs. Die große Haube, den sogenannten „Sturz“, und das faltenreiche Gewand der andächtigen Frau hinter Maria hat Dürer selbst auf Vorzeichnungen als Kirchentracht bezeichnet. Auch Joseph erscheint nicht barfuß, sondern fast als Ratsherr. Das Blatt zeigt insgesamt zuverlässig einen zeitgemäßen Trauungsakt. Dürer hat hier das bereits in der Begegnung unter der Goldenen Pforte verwendete Bogenmotiv des exakt in die Seitenränder einpepassten Tempeltores variiert.
Albrecht Dürer: Verkündigung an Maria; Holzschnitt
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Die Verkündigung an Maria versetzt Dürer in eine weite, lichtdurchflutete Hallenarchitektur. Der Erzengel Gabriel hat den Vorhang zu Marias Betpult beiseite gezogen und kommt mit raschen Schritten auf die Jungfrau zu: „Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!“ (Lukas 1,26-28; LUT).
Maria empfängt die Botschaft demütig mit über der Brust gekreuzten Armen. Die Taube des Heiligen Geistes erhellt ihr gesenktes Haupt, während Gottvater vom Himmel aus die Geschicke lenkt. Erst hinter einem perspektivisch gestalteten Durchblick, der an den Fenstervergleich von Leon Battista Alberti erinnert, ist der Aktionsraum von Maria und Engel eingerichtet. Die Architektur hebt das intime Treffen zwischen den beiden Figuren auf die Ebene eines feierlichen Empfangs. „Der streng zentralperspektivisch angelegte Raum ist ins Grandiose gesteigert“ (Scheerbaum 2002, S. 243). Ikonografische Details deuten auf die Jungfäulichkeit Mariens hin: Der tradtionelle Lilienstrauß, auch der Wasserkessel über dem Waschbecken vorne, stehen für ihre Reinheit und Makellosigkeit.
Albrecht Dürer: Heimsuchung; Holzschnitt (für die Großansicht einfach anklicken)
Im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft sucht Maria ihre Verwandte Elisabeth in den Bergen auf, der nach langer Kinderlosigkeit die Geburt eines Sohnes, des späteren Johannes des Täufers, verheißen worden war. Das Zusammentreffen der beiden Frauen, die sogenannte Heimsuchung (visitatio), wird im Lukas-Evangelium und in den Apokryphen erwähnt. Die Heimsuchung, im späten Mittelalter als ein zentrales Ereignis im Leben Mariens angesehen, zählt zu ihren sogenannten Sieben Freuden.
Dürer verlegt das Geschehen vor das Haus des Zacharias und wählt bei der Begrüßung der beiden Schwangeren den Typus der Umarmung. Zudem nutzt er den Schauplatz im Gebirge, um eine in helles Licht getauchte Berglandschaft zu entfalten, wobei er Eindrücke seiner Alpenüberquerung in den Jahren 1494/95 verarbeitet. Mögliches Vorbild für Dürer könnten Darstellungen des Meisters ES sein: Sie zeigen – ebenfalls vor einer Bergkulisse – Maria und Elisabeth, die sich in den Armen liegen.
Albrecht Dürer: Geburt Christi; Holzschnitt (für die Großansicht einfach anklicken)
Martin Schongauer: Geburt Christi (um 1470); Kupferstich
Auch die Geburt Christi zählt zu den Sieben Freuden Mariä. Dürer schildert sie nach dem Lukas-Evangelium. Sein Holzschnitt gewährt einen Einblick in ein zerfallenes Haus, in dem strohgebettet auf einer Windel das nackte, neugeborene Christuskind liegt. Das Motiv einer verkürzt gesehenen abgebrochenen Mauer geht auf die Geburt Christi aus Martin Schongauers Marienleben zurück (siehe meinen Post „Malen mit dem Grabstichel“). Dort finden sich auch die jubilierenden Engel, der gebückt ankommende Hirte mit dem Stab und die durch einen Torbogen sichtbare Verkündigung in der Ferne.
Wir blicken bei Dürer in eine in die Tiefe gestreckte, entfernt an eine Kapelle erinnernde Ruine. Das strohgedeckte Dach ist löchrig, im Giebel bilden die Balken ein symbolisches Kreuz. Wie schon in der Vermählung ist Joseph nicht als einfacher Handwerker dargestellt: Nach italienischem Vorbild zeigt Dürer einen antikisch gewandeten Mann in vornehmer Reisekleidung, mit Stab und Trippen zur Schonung der Schuhe. „Obwohl er abseits steht, bildet er das Gegenüber zu Maria; seine Laterne, ein Symbol für Christus als Licht der Welt, ragt regelrecht in den Raum hinein“ (Scheerbaum 2002, S. 250).
Albrecht Dürer: Beschneidung Christi; Holzschnitt
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Jesus wurde, nach jüdischem Gebot, am achten Tag nach der Geburt beschnitten. Durch diesen rituellen Akt, mit dem die Namensgebung verbunden war, wurde er rechtlich Mitglied des auserwählten Volkes und unter das Gesetz der Israeliten gestellt. Dürers Szene verweist auf eines seiner Jugendwerke zurück, die Dresdner Tafel des Sieben-Schmerzen-Altars von 1495/96. Der Künstler hat sie jedoch in den Tempel verlegt, erkennbar am Vorhang. 
Albrecht Dürer: Beschneidung Christi (aus dem Sieben Schmerzen-Altar, um 1495/96); Dresden, Gemäldegalerie Alter Meister
Albrecht Dürer: Beschneidung Christi (aus dem Sieben-Schmerzen-Altar,
um 1495/96); Dresden, Gemäldegalerie Alter Meister
Die friesartige Komposition ist auf das Christuskind im Zentrum ausgerichtet. Der sogenannte „Sandak“ hält das Kind auf dem Schoß, der eigens dafür ausgebildete „Mohel“ beschneidet. Einer der zahlreichen Anwesenden hat den Sohn Gottes als Messias erkannt und betet das Kind an. Obwohl Mütter erst 40 Tagen nach der Geburt den Tempel betreten durften (3. Mose 12,1-4), ist Maria ganz rechts am Bildrand anwesend. Joseph hat sich abgewandt. Hinten betreten weitere Väter und Begleiter den Raum. Ein sich umblickender Mann im Vordergrund links trägt die „Hawdala“, die geflochtene Kerze, über der an hohen jüdischen Feiertagen ein Gebet gesprochen wird. Er ist der Gegenfigur zu Maria, die in sich gekehrt bekümmert schluchzt und die Hände gefaltet hat, als stünde sie bereits den Sohn betrauernd unter dem Kreuz.
Die vier Figuren im steinernen Wandornament kündigen, so Erwin Panofsky, bereits die christliche Zukunft an, während sie das Andenken an die jüdische Vergangenheit wachhalten: Judith links mit dem Haupt des Holofernes ist die größte hebräische Heldin und zugleich Präfiguration Mariens; Moses ist der Geber des alten Gesetzes, das durch das Neue Testament ersetzt, aber dennoch respektiert werden soll, in der Mitte befinden sich der Löwe Juda und das nackte Kind, der Messias.
Albrecht Dürer: Anbetung der Könige; Holzschnitt
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Martin Schongauer: Anbetung der Könige (um 1470); Kupferstich
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In Dürers Anbetung der Könige hat der Zug gerade die Ruine erreicht, in der die heilige Familie untergekommen ist. Ochs und Esel sowie zwei Hirten werden Zeugen der Szene. Der vorderste König kniet barhäuptig vor Maria, der zweite wiederum winkt den Mohrenkönig heran. Verschiedene Motive, wie der fahnentragende Zug der Gefolgsleute zu Pferd und Teile der Ruinenphantasie, sind dem Kupferstich gleichen Themas von Martin Schongauer entliehen. Dass die Szene aus der verfallenen Kapelle in eine Burgruine verlegt ist, entspricht einer zeitgenössischen, von Pilgern aus dem Heiligen Land aufgebrachten Vorstellung.
Albrecht Dürer: Darbringung im Tempel; Holzschnitt
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Nach dem Mosaischen Gesetz gilt eine Frau nach der Geburt eines Sohnes als „unrein“, d. h. kultunfähig: Sie ist 40 Tage ans Haus gebunden und darf nichts Heiliges berühren. Zur Zeit Jesu musste sie danach in den Tempel gehen, um dort wieder für rein erklärt zu werden. Bemittelte Frauen opferten ein Lamm und eine Taube, arme stattdessen zwei junge Tauben.
Jede menschliche und tierische Erstgeburt ist, so das 2. Buch Mose, Gott als Eigentum zu opfern. Die menschliche kann nach dem ersten Lebensmonat bei einem Priester losgekauft werden. Das Lukas-Evangelium berichtet (2,22-24), dass Jesus als Erstgeborener Gott im Tempel dargebracht worden ist; ein Loskaufen wird nicht erwähnt. Die Darbringung Jesu wird vom Propheten Simeon und der Seherin Hanna gedeutet; Simeon nimmt das Kind in die Arme und lobt Gott: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel“ (Lukas 2,29-33; LUT). Maria wird von Simeon prophezeit, dass ein Schwert ihre Seele durchdringen werde – seine Worte verweisen auf Leiden und Tod des Heilsbringers.
Dürer versetzt die Szene in den Rahmen einer sich scheinbar ins Unendliche fortsetzenden Monumentalarchitektur. Simeon ist mit dem Kind hinter dem Altar an den Rand gerückt. Blockhaft baut sich dahinter ein vielfiguriger Personenfries auf. Auch Hanna, die Simeons Rede bestätigt, ist anwesend – sie weist mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Maria hin. Außerdem in die Darstellung eingeflossen ist, der Legenda aurea entsprechend, das Taubenopfer zur Reinigung Mariens. Maria selbst wird zwar von der opfernden Frau überschnitten, steht aber frontal und umrahmt von Kerze und Taubenopfer im Mittelpunkt der Komposition. Aus ihrer Haltung spricht Schmerz; die über der Brust gekreuzten Arme nehmen ihre spätere Gebärde unter dem Kreuz Christi gleich einem Zitat vorweg: „Bei Simeons Prophezeiung blickt Maria auf das Kind in den Armen des Greises, als erschaute sie den Sohn bei anderer Gelegenheit in den Armen eines anderen Greises: als Leichnam, gehalten von Joseph von Arimathäa“ (Büttner 1980, S. 28).
Albrecht Dürer: Flucht nach Ägypten; Holzschnitt
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Das Matthäus-Evangelium widmet der Flucht nach Ägypten nur zwei Verse (2,13-14); ausführlicher wird die Episode, die zu den Sieben Schmerzen Mariens zählt, in einer apokryphen Schrift geschildert, dem arabischen Kindheitsevangelium des Pseudo-Matthäus: Im Traum fordert ein Engel Joseph auf, mit Maria und Jesus nach Ägypten zu fliehen, um das Kind vor dem Tötungsbefehl des Herodes zu schützen. Auf der Flucht, die von Engeln geleitet wird, geschehen verschiedene Wunder; bei der Ankunft in Ägypten fallen die Götzenbilder der Tempel auf den Boden und zerschellen.
Dürers Holzschnitt zeigt die Heilige Familie auf dem Weg nach Ägypten. Joseph führt Maria mit dem Kind auf einem Esel durch einen dichten Wald, neben ihnen trottet ein Ochse einher. Joseph hat sich im Gehen der Familie zugewandt. Marias Haupt ist im Profil zu sehen, ihr Körper vom Betrachter abgewandt. Auf ihrem Rücken hängt ein großer Hut. Mit ihrer Haltung schützt sie das Kind, von dem nur sein verhülltes Hinterköpfchen erkennbar ist. Eine Puttenschar begleitet die Familie in den Wolken.
Die geschuppte Dattelpalme mit ihren scharfen, eleganten Wedeln links am Bildrand und der Drachenbaum mit den fleischigen Blättern über dem wulstigen Stamm rechts sind, wie auch Hirsch und Eidechse, von einem Kupferstich Martin Schongauers angeregt. Die Palme erinnert an das Baumwunder, das sich am dritten Tag der Reise begeben haben soll: Engel hatten der flüchtenden Familie die Zweige einer Dattelpalme herabgebogen, um das Pflücken der Früchte zu erleichtern.
Albrecht Dürer: Die Heilige Familie in Ägypten; Holzschnitt
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Nach apokryphen Evangelien und den Schriften mittelalterlicher Theologen entstand im Spätmittelalter das Bild der „Heiligen Familie in Ägypten“. Vor der Kulisse einer perspektivisch dargestellten Ruinenarchitektur zeigt Dürer die Heilige Familie idyllisch vereint. Dem Zimmermann Joseph, der mit einem Beil einen aufgebockten Holztrog bearbeitet, hilft eine Schar von Putten die abgefallenen Späne aufzusammeln. Maria sitzt auf einem Stuhl, spinnt und wiegt mit ihrem Fuß das Christuskind. Die großen Engel – vielleicht die Erzengel Michael, Raphael und Gabriel – sehen andächtig zu. Ein Putto hält den Spinnrocken, aus dem Maria eine Flachsfaser zupft; mit der anderen Hand dreht sie die Spindel. Die Kulisse lässt keine Rückschlüsse auf den Ort des Geschehens zu, es fehlt jeglicher Hinweis auf Ägypten.
Albrecht Dürer: Der zwölfjährige Jesus im Tempel; Holzschnitt
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Das Lukas-Evangelium (2,42-50) erzählt, wie der zwölfjährige Jesus seine Eltern zum Passahfest nach Jerusalem begleitet, aber nicht mit den übrigen Pilgern nach Hause zurückkehrt. Nach dreitägiger Suche finden die verängstigten Eltern das Kind unter den Schriftgelehrten im Tempel wieder. Dürer vereint in seinem Holzschnitt die beiden Hauptthemen des biblischen Berichts: das Wiederfinden des Sohnes und dessen souveränen Auftritt vor den Schriftgelehrten. Das Gespräch mit den Männern ist in eine weite Halle des Tempels verlegt; verschiedene Gruppen diskutierender und angeregt lauschender Schriftgelehrter sind um Christus geschart, der an einem Pult im Hintergrund doziert. Der Junge ist jedoch nicht die alleinige Hauptperson: Die soeben eingetretene Mutter erhält ebenfalls eine wichtige Position, die durch eine Säule unterstrichen wird. Mit gefalteten Händen hält sie erleichtert innne, der Sohn am Rednerpult hat sie noch nicht bemerkt. Der Abstand der einander gegenübergestellten Figuren wird von den Kunsthistorikern als „unüberbrückbare Kluft“ gesehen: „Er symbolisiert die psychologischen Gegenpole des Evangelienberichts: Mariens Furcht und Selbstbewußtsein Jesu, Aufeinandertreffen mütterlicher und göttlicher Autorität“ (Scheerbaum 2002, S. 266).
Albrecht Dürer: Abschied Jesu; Holzschnitt
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Der Abschied Jesu von Maria wird weder in den kanonischen noch in den apokryphen Evangelien erwähnt. Herleiten lässt sich das Ereignis von der vorausgehenden Salbung Jesu durch Maria von Bethanien im Haus des Lazarus (Johannes 12,1-8). Verbreitung gefunden hatte die Szene bereits in mittelalterlichen Passionsspielen, wo sie sich vor dem Einzug Christi nach Jerusalem oder vor dem letzten Abendmahl einfügte. Maria ist auf Dürers Holzschnitt in der geöffneten Pforte zusammengesunken. Ihr Gesicht ist von Gram gezeichnet, die Hände sind verkrampft gefaltet. Hinter ihr stehen zwei weitere Frauen: Martha, die Schwester des Lazarus, in Nürnberger Tracht und Haube, stützt die Mutter Jesu, die dritte Trauerfigur ist wohl Maria Magdalena. Der offenen Verzweiflung Mariens stehen die hilfreich zupackende Martha und die still in sich gekehrte Maria Magdalena gegenüber. Im Weggehen wendet sich Christus den Frauen zu – der Redegestus der rechten Hand verweist darauf, dass er noch einmal das Wort an sie richtet.
Blickfang ist die massive hölzerne Pforte, aus der Jesus herausgetreten ist, um von den drei Frauen Abschied zu nehmen: „Sie steht für den Übergang Christi aus der Welt der Menschen in das himmlische Reich“ (Scheerbaum 2002, S. 270). Das Salbtöpfchen auf dem Querbalken verstärkt diese Botschaft. Jesus antwortet in der genannten Szene Judas, der die Verschwendung des teuren Salböls tadelt, man solle den Rest des Öls für seinen Leichnam aufbewahren (Johannes 12,7). Der karge, steinige Weg nach Jerusalem ist von dornigem Flechtwerk gesäumt und weist auf die bevorstehenden Leiden Jesu voraus; in gleicher Weise lässt der monumentale Torpfosten den Kreuzesstamm erahnen, an dessen Fuß Maria zusammenbrechen wird. Dabei erinnert die linke Trauerfigur mit ihrem umgehängten Tuch an ähnliche Figuren von Andrea Mantegna, während die Stadt und der Baum sich mit Mantegnas Ölberg-Darstellung des San-Zeno-Altars (Verona) vergleichen lassen.
Albrecht Dürer: Der Tod Mariens; Holzschnitt
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Martin Schongauer: Der Tod Mariens (um 1470); Kupferstich
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Im Neuen Testament wird nichts über den Tod Marias gesagt, verschiedene Apokryphen und die Legenda aurea erzählen allerdings davon. So sollen die Apostel auf Wunsch der sterbenden Maria aus allen Erdteilen zu ihr gerufen worden sein und sich um ihr Sterbebett versammelt haben. Dürer zeigt die schmächtige, tief in die Kissen zurückgesunkene Maria in einem von einem Bogen überwölbten Baldachinbett. Um die stark verkürzt dargestellte Figur reihen sich die Abschied nehmenden Apostel. Trotz der vielen Personen vermittelt der Holzschnitt den Eindruck von Ruhe und stiller Feierlichkeit. „Alles, im Kleinen wie im Großen, zielt auf Maria hin: die Falten im Kopfkissen, die Struktur des Baldachins, sogar die mittlere Quaste deutet auf das milde Antlitz“ (Scheerbaum 2002, S. 271). Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, reicht Maria die Sterbekerze, während sie von Petrus mit Weihwasser besprengt wird. Dürer greift auch bei diesem Holzschnitt auf einen Kupferstich von Martin Schongauer zurück.
Albrecht Dürer: Himmelfahrt und Krönung Mariens; Holzschnitt
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Von den letzten Ereignissen des Marienlebens – Tod, Himmelfahrt und Krönung – berichten verschiedene Apokryphen, Märtyrerviten und die Legenda aurea. Dürer gestaltet die Krönung Mariens wie eine Vision der Apostel über dem Grab. Im von Wolken umsäumten, lichten Himmel kniet Maria mit demütig über der Brust gekreuzten Armen frontal zwischen Christus und Gottvater, die sie gemeinsam mit der Taube des Heiligen Geistes krönen. Die staunenden Apostel bilden dabei einen Kreis um den leeren Sarg, umgeben von Begräbniszubehör wie Totenbahre, Aspergill, Prozessionskreuz, Buch und Weihrauchfass.
Albrecht Dürer: Schmerzensmann vom Titelblatt der Großen Passion; Holzschnitt
Albrecht Dürer: Nemesis (1502); Kupferstich
Christus ist in der Pose des Schmerzensmannes wiedergegeben. Ähnlich dem Leidenden auf dem Titelblatt der Großen Passion wendet er sein Gesicht dem Betrachter zu. Die Krönungsgruppe wird von einem weißen Wolkenband gerahmt, das einen deutlichen Kontrast zur nächtlichen irdischen Szene bildet. In seinem Kupferstich Nemesis hatte Dürer eine ähnliche Komposition gewählt.
Albrecht Dürer: Verehrung Mariens; Holzschnitt
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Der Holzschnitt mit den um Maria und das Jesuskind gedrängten Figuren, inmitten einer aus Versatzstücken montierten Architekturszene, gilt als der früheste des Marienlebens. Rechts hinter Maria steht der Nährvater Joseph in einem Ensemble großer Engel. Links vorne, deutlich kleiner als Maria, kniet die betende Katharina, identifizierbar durch ihr Atttribut, das Schwert an ihrer Seite, mit dem die Märtyrerin hingerichtet wurde. Hinter ihr stehen Johannes der Täufer und der Marienverehrer Hieronymus (dessen Löwe hinter der Säule versteckt ist), Antonius, der Apostel Paulus und im Dunkel ein Bischof, vielleicht der Kirchenvater Augustinus.
Dürers am Typus der Sacra conversazione orientierter Holzschnitt steht stark unter dem Eindruck seines ersten Venedig-Aufenthaltes. Das Kernmotiv der Maria mit dem auf ihrem Schoß stehenden Kind ist in zahlreichen großformatigen Werken venezianischer Künstler dargestellt, z. B. auf Andrea Mantegnas Madonna in San Zeno.

Literaturhinweise
Büttner, Frank: Fortwirken in Abwandlung. Zur Verwendung von Vorlagen bei einigen Darstellungen von zwei Szenen aus der Kindheit Christi. In: Nicole Davos (Hrsg.), Relations artistiques entre les Pays-Bas et L’Italie à la Renaissance. Études dédiées à Suzanne Sulzberger. Institut Historique Belge de Rome, Brüssel 1980, S. 15-41;
Feulner, Karoline: Bestseller Marienleben. Verkaufsstrategien, Plagiate und Copyright. In: Jochen Sander (Hrsg.), Dürer. Kunst – Künstler – Kontext. Prestel Verlag, München 2013, S. 235-239;
Panofsky, Erwin: Das Leben und die Kunst Albrecht Dürers. Rogner & Bernhard, München 1977 (zuerst erschienen 1943), S. 129-140;
Scheerbaum, Anna: Das Marienleben. In: Matthias Mende u.a. (Hrsg.), Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk. Band II: Holzschnitte. Prestel Verlag, München 2002, S. 214-279;

LUT = Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

 

(zuletzt bearbeitet am 25. September 2024)