Albrecht Dürer: Das Sonnenweib und der siebenköpfige Drache (um 1497); Holzschnitt (für die Großansicht einfach anklicken) |
Die IX. Figur gibt das
Kompositionsschema vor, das in den jeweils übernächsten Holzschnitten (XI. und
XIII. Figur) variiert wird: Gottvater und seine Streiter gegen das Böse sind in
der himmlischen Zone dargestellt; im irdischen Bereich erscheint jeweils rechts
unten ein vielköpfiges Ungeheuer, dem Dürer in zwei von drei Fällen Zuschauer
bzw. Gefolge beigegeben hat. In der IX. Figur verbindet er zwei Geschehnisse,
die im Text der Offenbarung durch den Kampf Michaels gegen den Satan
voneinander getrennt sind. Dieses Ereignis stellt Dürer in einem eigenen
Holzschnitt dar (X. Figur).
Auffallend ist der
Erfindungsreichtum, mit dem Dürer die Drachenköpfe gestaltet: Der untere ist
einem Wolf nachgebildet und scheint finster-verschlagen auf sein Opfer zu lauern,
darüber findet sich neben dem Wasserspeier ein drohend geöffnetes Maul, vor dem
der benachbarte Schlangenkopf erschrocken zurückzuckt; von den drei oberen
Köpfen ist der rechte eine Mischung aus Schafs- und Eselsschädel, während der
linke mit seiner Eberschnauze das Sonnenweib zu beschnüffeln scheint. Sehr
wahrscheinlich ist mit den Tierköpfen des Drachens auch ein Hinweis auf die
sieben Todsünden verbunden.
Elevatio animae (romanisches Kapitell); San Martí, Mura (Spanien) |
1
Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne
bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf
Sternen. 2 Und sie war schwanger und schrie in Kindsnöten und hatte große Qual
bei der Geburt. 3 Und es erschien ein anderes Zeichen am Himmel, und siehe, ein
großer, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern
sieben Kronen, 4 und sein Schwanz fegte den dritten Teil der Sterne des Himmels
hinweg und warf sie auf die Erde. Und der Drache trat vor die Frau, die gebären
sollte, damit er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind fräße. 5 Und sie gebar einen
Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte mit eisernem Stabe. Und ihr
Kind wurde entrückt zu Gott und seinem Thron. 6 Und die Frau entfloh in
die Wüste, wo sie einen Ort hatte, bereitet von Gott, dass sie dort ernährt
werde tausendzweihundertundsechzig Tage. (...) 13 Und als der Drache sah, dass
er auf die Erde geworfen war, verfolgte er die Frau, die den Knaben geboren
hatte. 14 Und es wurden der Frau gegeben die zwei Flügel des großen Adlers,
dass sie in die Wüste flöge an ihren Ort, wo sie ernährt werden sollte eine
Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit fern von dem Angesicht der Schlange. 15 Und die Schlange stieß
aus ihrem Rachen Wasser aus wie einen Strom hinter der Frau her, um sie zu ersäufen.
16 Aber die Erde half der Frau und tat ihren Mund auf und verschlang den Strom,
den der Drache ausstieß aus seinem Rachen. 17 Und der Drache wurde zornig über
die Frau und ging hin, zu kämpfen gegen die Übrigen von ihrem Geschlecht, die
Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu. 18 Und er trat an den Strand
des Meeres. (Offenbarung 12,1-6; 12,13-18; LUT)
Albrecht Dürer: Michaels Kampf mit dem Drachen (um 1498); Holzschnitt (für die Großansicht einfach anklicken) |
Das folgende Ereignis (X.
Figur) umfasst in der Offenbarung des Johannes nur drei Verse und wird eher
beiläufig geschildert: der Kampf Michaels mit dem Drachen (Offb. 12,7-9). Dürer
hat daraus ein selbstständiges Bild gemacht. So hervorgehoben, erhält dieser
Kampf die Bedeutung einer Entscheidungsschlacht. Zielsicher und entschlossen
stößt der Erzengel dem hier eselsköpfigen, geschuppten Drachen die Lanze in die
Kehle, drei Engel an seiner Seite befreien den Himmel mit Pfeilen und Schwertern vom missgestalteten
Gefolge Satans. Michael und seine Mitstreiter beanspruchen gut die Hälfte des Blattes; das Heer des Erzengels kämpft von oben nach unten gegen die bereits niedergeworfene Schlangenbrut. Dass es sich bei dem Drachen und seinen Bestien ebenfalls um Engel handelt, ist nur an deren stark zerzausten und entstellten Flügeln zu erkennen, mit denen sie sich gerade noch in der Luft halten. Satan selbst besitzt kräftige, menschenähnliche Oberarme, deren Muskeln angespannt sind – dennoch vermögen weder er noch das andere dämonische Getier den von Gott gesandten Kämpfern gefährlich zu werden.
Die satanischen Wesen bilden nur eine schmale, aufgelöste Zone zwischen der dominaten Gruppe Michaels und seiner Engel und dem unteren, irdischen Bereich. Das dramatische Geschehen am Himmel erscheint durch horizontale Schraffuren verdunkelt: Wohl zum ersten Mal überhaupt ist hier Nacht im Holzschnitt dargestellt. Im deutlichen Kontrast dazu wird die sonnenbeschienene Landschaft darunter so friedlich wiedergegeben, als hätten die zuvor beschriebenen Katastrophen nie stattgefunden. Noch ist sie still und menschenleer – bald wird sie mit den zu Fall gebrachten Teufeln besetzt sein und mit den Menschen, von denen diese Dämonen Besitz ergriffen haben.
Die satanischen Wesen bilden nur eine schmale, aufgelöste Zone zwischen der dominaten Gruppe Michaels und seiner Engel und dem unteren, irdischen Bereich. Das dramatische Geschehen am Himmel erscheint durch horizontale Schraffuren verdunkelt: Wohl zum ersten Mal überhaupt ist hier Nacht im Holzschnitt dargestellt. Im deutlichen Kontrast dazu wird die sonnenbeschienene Landschaft darunter so friedlich wiedergegeben, als hätten die zuvor beschriebenen Katastrophen nie stattgefunden. Noch ist sie still und menschenleer – bald wird sie mit den zu Fall gebrachten Teufeln besetzt sein und mit den Menschen, von denen diese Dämonen Besitz ergriffen haben.
Prägend für die Dürers
Gestaltung des Drachenkampfes war ein Kupferstich von Martin Schongauer
(1440/45–1491): der Hl. Michael; die Versuchung des Hl. Antonius, ein weiterer
Kupferstich Schongauers, inspirierte ihn zur Darstellung eines Kampfes im
Himmel (siehe meinen Post „Besuch aus der Hölle“). Dürers phantastisches Gewürm ist aus Versatzstücken von Schlangen, Fischen, Fledermäusen und Drachen kombiniert, um die Teufel als hybride, widerwärtige Geschöpfe darzustellen.
Martin Schongauer: Versuchung des Hl. Antonius (um 1470); Kupferstich |
7
Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen
den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, 8 und sie siegten nicht
und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. 9 Und es wurde
hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und
Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und
seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen. (Offenbarung
12,7-9; LUT)
Die Literaturhinweise sind in Teil 7 aufgeführt.
(zuletzt bearbeitet am 27. März 2022)
Die Literaturhinweise sind in Teil 7 aufgeführt.
(zuletzt bearbeitet am 27. März 2022)
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