Albrecht Dürer: Das babylonische Weib (um 1496/97); Holzschnitt (für die Großansicht einfach anklicken) |
Dürers Hauptaugenmerk
gilt der Hure Babylon, die im Damensitz auf dem scharlachroten Tier hockt (Offb. 17,1-6). In kostbarer
venezianischer Tracht, mit Geschmeide und Kleinodien behängt, mit aufwendig
frisiertem Haar, gekröntem Haupt und entblößter Schulter hält sie einen
prunkvollen Deckelpokal empor. Die schöne Frau erinnert deutlich an eine von Dürer gezeichnete Kostümfigur, die in Venedig entstanden ist und sich heute in der Wiener Albertina befindet.
Dem siebenköpfigen Drachen mit den wiederum zehn Hörnern fehlen bereits seine Kronen und Diademe. Die prächtige Reiterin und ihr Tier wurden in der spätantiken Zeit des Johannes wie auch zur Zeit Dürers als Sinnbild für Rom und seine Herrschaft verstanden. Entsprechend deutete man die sieben Berge, von denen der Bibeltext spricht (Offb. 17,9), als die sieben Hügel Roms, den Fluss rechts im Vordergrund als Tiber und das Gewässer dahinter, in das er mündet, als Mittelmeer. Im Hintergrund rechts fällt das brennende (mit deutschen Mauerformen versehene) Babylon endgültig in Schutt und Asche, gewaltige Flammen schießen wie Fontänen in den Himmel, ein herabschwebender Engel verkündet: „Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die Große“ (Offb. 18,2; LUT). Ein weiterer Engel schmettert den Mühlstein ins Meer (Offb. 18,21), das Heer des Himmels reitet aus einer Wolkenschlucht hervor (Offb. 19,11-16), angeführt von dem Ritter „Treu und Wahrhaftig“.
Dem siebenköpfigen Drachen mit den wiederum zehn Hörnern fehlen bereits seine Kronen und Diademe. Die prächtige Reiterin und ihr Tier wurden in der spätantiken Zeit des Johannes wie auch zur Zeit Dürers als Sinnbild für Rom und seine Herrschaft verstanden. Entsprechend deutete man die sieben Berge, von denen der Bibeltext spricht (Offb. 17,9), als die sieben Hügel Roms, den Fluss rechts im Vordergrund als Tiber und das Gewässer dahinter, in das er mündet, als Mittelmeer. Im Hintergrund rechts fällt das brennende (mit deutschen Mauerformen versehene) Babylon endgültig in Schutt und Asche, gewaltige Flammen schießen wie Fontänen in den Himmel, ein herabschwebender Engel verkündet: „Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die Große“ (Offb. 18,2; LUT). Ein weiterer Engel schmettert den Mühlstein ins Meer (Offb. 18,21), das Heer des Himmels reitet aus einer Wolkenschlucht hervor (Offb. 19,11-16), angeführt von dem Ritter „Treu und Wahrhaftig“.
Albrecht Dürer: Venezianerin (1495); Wien, Albertina |
1
Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, redete
mit mir und sprach: Komm, ich will dir zeigen das Gericht über die große Hure,
die an vielen Wassern sitzt, 2 mit der die Könige auf Erden Hurerei getrieben
haben; und die auf Erden wohnen, sind betrunken geworden von dem Wein ihrer
Hurerei. 3 Und er brachte mich im Geist in die Wüste. Und ich sah eine Frau auf
einem scharlachroten Tier sitzen, das war voll lästerlicher Namen und hatte
sieben Häupter und zehn Hörner. 4 Und die Frau war bekleidet mit Purpur und
Scharlach und geschmückt mit Gold und Edelsteinen und Perlen und hatte einen
goldenen Becher in der Hand, voll von Gräuel und Unreinheit ihrer Hurerei, 5 und
auf ihrer Stirn war geschrieben ein Name, ein Geheimnis: Das große Babylon, die
Mutter der Hurerei und aller Gräuel auf Erden. 6 Und ich sah die Frau,
betrunken von dem Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu. Und ich
wunderte mich sehr, als ich sie sah. (Offenbarung 17,1-6; LUT)
Albrecht Dürer: Der Engel mit dem Schlüssel zum Abgrund (um 1497/98); Holzschnitt (für die Großansicht einfach anklicken) |
Im letzten Blatt des
Zyklus (XIV. Figur: „Der Engel mit dem Schlüssel zum Abgrund“) werden Sinn und
Ziel des großen Kampfes deutlich: Durch das göttliche Strafgericht ist der
„Fürst dieser Welt“ und mit ihm das Böse überwunden worden. Im Ganzen ist das
Finale weniger dramatisch dargestellt, als es der Text nahelegen würde. Im
Vordergrund sperrt ein Engel das mit der Kette gefesselte Untier in einen
engen, Feuer und Dampf ausstoßenden Schacht. Ein großer Bartschlüssel deutet
den sicheren Verschluss Satans an, den Dürer hier reptilartig, geflügelt und mit Hängebrüsten darstellt. Im nächsten Augenblick wird ein dicker, eisenbeschlagener Deckel über ihm zufallen und ihn für die nächsten 1000 Jahre die Hölle einsperren (Offb. 20,1-3). Das Einschließen Satans am äußersten rechten Bildrand „ist das Ende dieser Bilderzählung und das Ende der Geschichte schlechthin“ (Kuder/Luckow 2004, S. 50).
Auf einem Hügel oberhalb
dieser Szene zeigt ein junger Engel dem demütig-staunenden Johannes das
himmlische Jerusalem, Sinnbild der göttlichen Verheißung für „einen neuen
Himmel und eine neue Erde“ (Offb. 21,1-27; LUT). Es ist nicht die in der Offenbarung beschriebene vollkommene
Stadt, deren Mauern aus Jaspis, lauterem Gold und reinem Kristall angefertigt
sind, sondern eine gewachsene fränkische Stadt des 15. Jahrhunderts mit Fachwerk und gotischen Spitztürmen. Einzig die
Engel an den Toren sind als Hinweise auf ihren überirdischen Charakter zu
verstehen.
Auch dies ist, wie das
einleitende Blatt, ein unübersehbarer Zeitbezug. Er kann zum einen als Appell
verstanden werden: Der Betrachter soll die Vision des himmlischen Jerusalem
verinnerlichen und nach Kräften versuchen, bereits in dieser Welt danach zu
leben — damit sich die konkrete irdische Wirklichkeit mit ihren Wirren und
übergroßen Nöten zum Besseren wandelt. Zum anderen deutet Dürer an, dass Gottes
Heilshandeln am Ende der Zeit nahe bevorsteht. Das Bewusstsein, unmittelbar vor
dem Weltgericht zu leben, führt aber nicht zu dumpfem Fatalismus oder
angsterfüllter Resignation – es lässt vielmehr die Hoffnung wachsen, dass Gott
die auf Erden herrschenden sündigen Ordnungen bald zerbrechen wird.
1
Und ich sah einen Engel vom Himmel herabfahren, der hatte den Schlüssel zum
Abgrund und eine große Kette in seiner Hand. 2 Und er ergriff den Drachen, die
alte Schlange, das ist der Teufel und der Satan, und fesselte ihn für tausend
Jahre 3 und warf ihn in den Abgrund und verschloss ihn und setzte ein Siegel
oben darauf, damit er die Völker nicht mehr verführen sollte, bis vollendet würden
die tausend Jahre. Danach muss er losgelassen werden eine kleine Zeit.
(Offenbarung 20,1-3; LUT)
(zuletzt bearbeitet am 17. März 2022)
Literaturhinweise
Bee, Andreas: Apocalipsis cum figuris. Die Apokalypse Albrecht Dürers. In: Richard W.
Gassen/Bernhard Holeczek (Hrsg.), Apokalypse. Ein Prinzip Hoffnung? Ernst Bloch
zum 100. Geburtstag. Edition Braus, Heidelberg 1985, S. 63-74;
Krüger, Peter: Dürers „Apokalypse“. Zur poetischen Struktur einer Bilderzählung der Renaissance. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1996, S. 30-41;
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Krüger, Peter: Die Apokalypse. In: Albrecht Dürer, Das druckgraphische Werk. Band II: Holzschnitte.
Prestel Verlag, München 2002, S. 59-105;
Kuder, Ulrich/Luckow, Dirk (Hrsg.): Des Menschen Gemüt ist wandelbar. Druckgrafik der Dürerzeit. Kunsthalle zu Kiel, Kiel 2004, S. 33-50;
Mende, Matthias u.a. (Hrsg.): Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk. Band II: Holzschnitte. Prestel Verlag, München 2002, S. 59-108;
Kuder, Ulrich/Luckow, Dirk (Hrsg.): Des Menschen Gemüt ist wandelbar. Druckgrafik der Dürerzeit. Kunsthalle zu Kiel, Kiel 2004, S. 33-50;
Mende, Matthias u.a. (Hrsg.): Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk. Band II: Holzschnitte. Prestel Verlag, München 2002, S. 59-108;
Panofsky,
Erwin: Das Leben und die Kunst Albrecht Dürers. Rogner & Bernhard, München
1977 (zuerst erschienen 1943), S. 68-80;
Perrig, Alexander: Albrecht Dürer und Die
Heimlichkeit der deutschen Ketzerei. Die „Apokalypse“ Dürers und andere Werke
von 1495 bis 1513. VCH Acta humaniora, Weinheim 1987;
Price, David: Albrecht Dürer’s Representations of Faith: The Church, Lay Devotion and Veneration in the Apocalypse (1498). In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 57 (1994), S. 688-696;
Scherbaum, Anna: „Was malt er nicht alles, was man nicht malen kann“. Phantastik und Traum in der Graphik Albrecht Dürers. In: Martin Zenck u.a. (Hrsg.), Signatur und Phantastik in den schönen Künsten und in den Kulturwissenschaften der frühen Neuzeit. Wilhelm Fink Verlag, München 2008, S. 123-147;
Schauerte, Thomas: Dürer. Das ferne Genie. Eine Biographie. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2012, S. 83-92;
Schmidt, Peter: Wieso Holzschnitt? Dürer auf der Medien-und Rollensuche. In: Daniel Hess/Thomas Eser (Hrsg.), Der früher Dürer. Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2012, S. 146-159;
LUT = Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luther in
der revidierten Fassung von 1984. Durchgesehene Ausgabe in neuer
Rechtschreibung. © 1984 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.Schauerte, Thomas: Dürer. Das ferne Genie. Eine Biographie. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2012, S. 83-92;
Schmidt, Peter: Wieso Holzschnitt? Dürer auf der Medien-und Rollensuche. In: Daniel Hess/Thomas Eser (Hrsg.), Der früher Dürer. Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2012, S. 146-159;
(zuletzt bearbeitet am 17. März 2022)
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