Freitag, 8. Mai 2020

Lichtgestalt – Albrecht Dürers „Auferstehung Christi“ (1510)

Albrecht Dürer: Auferstehung Christi (1510); Holzschnitt
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Zwischen 1496 und 1500 schuf Albrecht Dürer (1471–1528) eine Gruppe von sieben Holzschnitten mit Passionsszenen, die als Einzeldrucke verkauft wurden: Christus am Ölberg, Die Geißelung Christi, Die Schaustellung Christi, Die Kreuztragung, Christus am Kreuz, Die Beweinung Christi und die Grablegung Christi. Abgesehen von der Ölberg-Szene, handelt es sich um dichte und figurenreiche Kompositionen, die alle den angstvoll-duldenden, misshandelten Jesus thematisieren, der ohne Nimbus, schmalgliedrig und leidend gezeigt wird. Diese Blätter ergänzte Dürer 1510 um die Darstellungen von Abendmahl (siehe meinen Post „Auftakt zur Großen Passion“), Gefangennahme Christi (siehe meinen Post „Im Garten der Gewalt“), Christus in der Vorhölle (siehe meinen Post „Hinabgestiegen in das Reich des Todes“) und Auferstehung. Mit einem Titelblatt und einem lateinischen Text versehen, wurden die Holzschnitte 1511 als Buch veröffentlicht.
Die heute Große Passion genannte Folge endet mit einer Wiedergabe der Auferstehung: Christus schwebt knapp über einem geschlossenen Sarkophag, in den er nach seinem Tod gebettet worden war. Eine sich nach oben öffnende Wolkenglorie umgibt ihn wie eine Mandorla. Vor und seitlich der Grabplatte, deren Siegel unversehrt geblieben ist, lagern schlafende Wächter in zeitgenössischen Rüstungen, denen das wundersame nächtliche Ereignis verborgen bleibt. Christi Haupt ist von einem strahlenden Kreuznimbus und einem Kranz geflügelter Engelsköpfchen umgeben. Das faltenschwere weiße Gewand gibt den Blick frei auf den athletischen, lediglich von den Wundmalen gezeichneten Körper des Auferstandenen. Der nach oben gerichtete Blick Christi, die zum Segensgestus erhobene Rechte, die schräg gehaltene flatternde Kreuzesfahne und das aufwehende Gewandende betonen die starke Aufwärtsbewegung des siegreichen Überwinders. Der Betrachter schaut aus leichter Untersicht zu Christus auf, der unseren Blick weiter nach oben lenkt, wohin der Mantelzipfel rechts und die Fahnestange rechts den Raum zu öffnen scheinen. Über einem gleißenden Wolkensaum, der Himmel und Erde begrenzt, ist Christus dem bestürzten Blick gerade erwachender Soldaten rechts bereits entschwunden. Dürer stellt den Auferstandenen innerhalb der hellen, gekräuselten Wolken vor einen neutralen halbdunklen Hintergrund, vor dem sich die Figur plastisch abhebt – ein Stilmittel, das der Künstler auch in seinem Holzschnitt der Marienkrönung am Schluss seines Marienlebens aus demselben Entstehungsjahr anwendete (siehe meinen Post „Ein Buch für die Himmelkönigin“).
Albrecht Dürer: Himmelfahrt und Krönung Mariens (um 1510/11);
Holzschnitt (für die Großansicht einfach anklicken)
Im Bildvordergrund, bei den nahsichtig und in starker Verkürzung dargestellten schlafenden Wächtern, sind präzis wiedergegebene militärische Gerätschaften ausgebreitet: ein Visier- und ein Topfhelm, ein pelzbesetzter Köcher mit Pfeilen, ein Bogen, eine Schwertscheide, eine Hellebardenspitze, im Hintergrund dann nochmals zahlreiche Spieße und Hellebarden sowie eine an einem eisernen Stab aufgehängte Kette, die zu einem Morgenstern gehört. Dürer betont damit den Unterschied „zwischen den sperrigen, ineinander verschränkten Bildelementen des irdischen Bereichs und der ruhigen Klarheit des Himmels“ (Kuder 2004, S. 220).
Giovanni Bellini: Auferstehung Christi (um 1430); Berlin, Gemäldegalerie
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Albrecht Dürer: Auferstehung Christi aus der Kleinen Passion (um 1509); Holzschnitt
Albrecht Dürer: Auferstehung Christi aus der Kupferstich-Passion (1512);
Kupferstich (für die Großansicht einfach anklicken)
In der christlichen Kunst des Abendlandes wurde bis zum 12. Jahrhundert das Ostergeschehen ausschließlich durch die Frauen und den Engel am Grab dargestellt (Markus 16,1-8). Die italienische Kunst des 15. Jahrhunderts, die Dürer gut kannte, zeigt den Auferstandenen meist über dem Sarg schwebend, umgeben von bestürzten oder zu Boden gefallenen Wächtern. Dürer folgt dieser Darstellungsweise, scheint auf seinem Holzschnitt allerdings eine Verschmelzung von Auferstehung und Himmelfahrt anzustreben (Markus 16,19). Darin unterscheidet sich die hoheitsvolle Gestalt auch von seinen Auferstehungsszenen der Kleinen und der Kupferstich-Passion
Apoll vom Belvedere (1489 aufgefunden); Rom, Vatikanische Museen
Albrecht Dürer: Apoll (1501, Zeichnung); London, British Museum
Den Auferstandenen gestaltet Dürer nach dem antiken Vorbild des Apoll vom Belvedere, wie seine eigene Zeichnung des Apoll aus dem British Museum belegt, entsprechend der Forderung im Entwurf zu seinem Lehrbuch der Malerei: „Dan zw gleicher weis, wy sy (die antiken Künstler) dy schönsten gestalt eines menschen haben zw gemessen jrem abgott Abblo (Apollo), also wollen wyr dy selb mos (Maß, Proportion) prawchen zw Crysto dem herren, der der schönste aller welt ist“ (Rupprich 1956, S. 104).
„Die segenende rechte Hand ist wie die Siegesfahne in der linken der Ausdruck dafür, dass der Heiland alle menschliche Schwäche abgelegt hat“ (Fröhlich 2000, S. 212). In der Lichtgestalt des Auferstandenen offenbart sich seine göttliche Natur und das von ihm vollbrachte Erlösung. Der Abschluss der Großen Passion zeigt nicht nur das Ende des Leidensweges Jesu, sondern vor allem die Vollendung des göttlichen Heilswerkes.
Albrecht Altdorfer: Auferstehung Christi (1512); Holzschnitt
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Albrecht Altdorfer (1485–1538) hat in einem Holzschnitt von 1512, der sich an Dürers Grafik orientiert, ebenfalls Auferstehung und Himmelfahrt kombiniert. Altdorfer hat dabei Dürers Auferstandenen in der Mandorla spiegelbildlich fast genau übernommen.

Literaturhinweise
Fröhlich, Anke: Die Auferstehung Christi. In: Mende, Matthias u.a. (Hrsg.): Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk. Band II: Holzschnitte. Prestel Verlag, München 2002, S. 211-213;
Kuder, Ulrich/Luckow, Dirk (Hrsg.): Des Menschen Gemüt ist wandelbar. Druckgrafik der Dürerzeit. Kunsthalle zu Kiel, Kiel 2004, S. 220;
Panofsky, Erwin: Das Leben und die Kunst Albrecht Dürers. Rogner & Bernhard, München 1977 (zuerst erschienen 1943), S. 183;
Rupprich, Hans (Hrsg.): Dürer. Schriftlicher Nachlaß. Band 1. Deutscher Verein für Kunstwissenschaft, Berlin 1956;
Schneider, Erich (Hrsg.): Dürer als Erzähler. Holzschnitte, Kupferstiche und Radierungen aus der Sammlung-Otto–Schäfer-II. Ludwig & Höhne, Schweinfurt 1995, S. 66.

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