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| Adam Elsheimer: Pietà (um 1603); Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum (für die Großansicht einfach anklicken) |
Vor Kurzem konnte ich kurz hintereinander in zwei verschiedenen Museen zwei betörend schöne, wegen ihrer geringen Größe leicht zu übersehende Gemälde von Adam Elsheimer (1578–1610) bestaunen: Das eine befindet sich im Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum, das andere im Rheinischen Landesmuseum in Bonn. Bei dem Braunschweiger Bild handelt es sich um eine Pietà: Es zeigt Maria, die sich mit einer umarmenden Bewegung über ihren toten Sohn beugt. Sie hat den jugendlichen, fast zierlichen Körper gegen einen Felsblock gelehnt, stützt seinen Kopf mit der rechten Hand und trocknet mit ihrer Linken das Blut, das aus seiner Seitenwunde quillt. Hinter dem Kopf Christi, auf dem von der Dornenkrone herrührende Blutspuren zu sehen sind, kennzeichnen kleine Lichtstrahlen den Toten als Sohn Gottes. Am linken Bildrand liegen auf einem Stein die für die Hinrichtung verwendeten blutigen Nägel neben einem Glasgefäß mit Salböl und einem ebenfalls blutbenetzten Schwamm. Die Darstellung wird bekrönt von einer Gruppe schwebender Engel die – nach dem Vorbild Raffaels – als körperlose himmlische Wesen nur mit Kopf und Flügeln erscheinen. Auf der Felswand im Hintergrund sind Weinranken erkennbar, hinten links steht ein Feigenbaum, davor ein Holunderbusch und eine blühende Immergrünpflanze. Ein schmaler Bereich unterhalb der Engel, auf dem vielleicht ein von ihnen gehaltenes Tuch vorgesehen war, ist offenbar unvollendet geblieben.
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| Annibale Carracci: Pietà (1603); Wien, Kunsthistorisches Museum |
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| Michelangelo: Pietà (1499/1500); Rom, St. Peter |
Elsheimers Pietà erinnert in ihrer Form an verwandte Darstellungen von Annibale Carracci (1560–1609), in ihrer Stimmung aber auch an Michelangelos Skulptur in St. Peter von 1499/1500. Doch Elsheimer betont gegenüber diesen Werken noch stärker die innige Nähe von Mutter und Sohn und die Verletzlichkeit ihrer schmalen Körper. Stilistisch steht das kleinformatige, auf Kupfer gemalte Bild (21 x 16 cm) in enger Beziehung zu seinem Gemälde Drei Marien am Grab Christi aus dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn. Beide Werke verbindet die Nahsicht, die die Figuren nur in Kniehöhe zeigt. Die minutiös wiedergegebenen Pflanzen und Ranken, die von der Felswand herabhängen, bilden bei beiden Werken einen nischenartigen Hintergrund. Außerdem ist ihnen eine intensive, auf Weiß, Blau und Rot gestimmte Farbigkeit gemeinsam. Ähnlich erscheint auch die mädchenhafte Gestalt der Mutter Jesu mit ihrem schmalen, von Trauer gezeichneten Gesicht.
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| Adam Elsheimer: Drei Marien am Grab Christi (um 1603); Bonn, Rheinisches Landesmusum (für die Großansicht einfach anklicken) |
Das Bonner Gemälde zeigt uns die drei Frauen, die nach dem Ende des Sabbats zum Grab Christi gingen, um seinen Leichnam zu salben. Ein Engel erwartete sie am leeren Grab und verkündete ihnen, dass Jesus von den Toten auferstanden sei (Matthäus 28,1-8; Markus 16,1-8; Lukas 24,1-11; Johannes 20,1-9). Auf Elsheimers Bild wendet sich der Engel den trauernden Frauen zu und stützt sich dabei auf die Deckplatte des Sarkophags, auf dem lateinische Zeilen aus dem Markus-Evangelium erkennbar sind, das damit wohl als Textgrundlage für die Darstellung zu betrachten ist. Im Hintergrund nähern sich Petrus und Johannes, die Maria Magdalena herbeigerufen hatte, ein Detail, das nur im Johannes-Evangelium erwähnt wird.
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| Caravaggio: Grablegung Christi (1603/04); Rom, Pinacoteca Vaticana |
Die erschrocken erhobenen Arme der Trauernden erinnern an die gleiche deklamatorische Geste einer Figur aus Caravaggios Grablegung Christi (siehe meinen Post „Dies ist mein Leib“), die um 1602 entstanden ist und dem damals in Rom lebenden Elsheimer sicherlich bekannt gewesen ist. Mittelpunkt des 25,8 x 20 cm großen Bonner Gemäldes sind die beiden Gestalten im Vordergrund: links Maria Magdalena, die mit ausgestrecktem linkem Arm Auskunft über das leere Grab verlangt, und rechts der Engel, der sich zur Erklärung des Geschehens auf die Steinplatte mit dem Markus-Evangelium stützt. Die genaue Wiedergabe der auch vom Betrachter lesbaren Zeilen der Vulgata mit den Versen 1 bis 7 des 16. Kapitels ist für ein Bild dieser Zeit ungewöhnlich. Die Bäume und Pflanzen, die sich in der Grabeshöhle ausgebreitet haben, erinnern an die urtümlichen Landschaften des niederländischen Landschaftsmalers Paul Bril (1554–1626), der wie Elsheimer in Rom lebte und dem Deutschen persönlich nahestand. Bril war später Besitzer dieses Bildes.
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| Adam Elsheimer: Verherrlichung des Kreuzes (um 1604/05); Frankfurt, Städel Museum (für die Großansicht einfach anklicken) |
Zwei der Frauenfiguren aus den Drei Marien am Grab Christi hat Elsheimer dann etwa ein Jahr später in seinem Frankfurter Kreuzaltar wieder aufgenommen, und zwar in der Haupttafel der Verherrlichung des Kreuzes. Dort sind sie im Zentrum des Bildes platziert: Erneut ist Maria Magdalena mit dem gläsernem Salbgefäß abgebildet, und aus der zweiten Maria wiederum wird die hl. Katharina, erkennbar an dem Schwert in ihrer Rechten, ihrem Attribut.
Literaturhinweis
Klessmann, Rüdiger: Im Detail die Welt entdecken. Adam Elsheimer 1578–1610. Edition Minerva. Wolfratshausen 2006, S. 84-89.





