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Edouard Manet: Olympia (1863); Paris, Musée d’Orsay (für die Großansicht einfach anklicken) |
Samstag, 29. September 2012
Margaret Atwood: Manets Olympia
Mittwoch, 19. September 2012
Tiefer sinken geht nicht – Rubens malt den verlorenen Sohn bei den Schweinen
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Peter Paul Rubens: Der verlorene Sohn bei den Schweinen (um 1618); Antwerpen, Musées Royeaux des Beaux Art (für die Großansicht einfach anklicken) |
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Albrecht Dürer: Der verlorene Sohn bei den Schweinen (1496/97); Kupferstich (für die Großansicht einfach anklicken) |
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Albrecht Dürer: Die Geburt Christi (1504); Kupferstich (für die Großansicht einfach anklicken) |
Samstag, 15. September 2012
Jesus, der „Judenbengel“ – Max Liebermanns Skandalbild
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Max Liebermann: Der zwölfjährige Jesus im Tempel (1879); Hamburg, Kunsthalle (für die Großansicht einfach anklicken) |
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Eine Fotografie des ursprünglichen Gemäldes zeigt, welche Veränderungen Liebermann nach der Kritik an seinem Jesusknaben vornahm |
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Fritz von Uhde: Lasset die Kindlein zu mir kommen (1884); Leipzig, Museum der bildenden Künste |
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Albrecht Dürer: Jesus unter den Schriftgelehrten (1506); Madrid, Museum Thyssen-Bornemisza |
Liebermann hatte sich mit der ersten Fassung seines Bildes – und das sicherlich bewusst – gegen die traditionelle Darstellungsweise dieses Themas gewandt, die vor allem im 19. Jahrhundert Jesus als mit Nimbus versehene, engelhafte Lichtgestalt präsentiert, mit lieblichen Gesichtszügen, in kindlicher Unschuld und Reinheit und von göttlichem Wesen erfüllt inmitten der Schriftgelehrten oder über diese erhöht. Die Juden sind meist als dunkler oder pittoresk bunter Kontrast dazu in hilflosem Erstaunen und verwirrtem Unverständnis geschildert; nur ihre unverbesserliche Uneinsichtigkeit verhindert es – so der polemische Gehalt dieser Darstellungen –, dass sie die ewige Gültigkeit der Worte Jesu und seine Göttlichkeit erkennen.
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Adolph Menzel: Der zwölfjährige Jesus im Tempel (1851); Hamburg, Kunsthalle |
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Rembrandt van Rijn: Jesus unter den Schriftgelehrten (1654), Radierung (9,5 x 14,4 cm) |
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Max Liebermann: Simson und Delila (1902); Frankfurt, Städel Museum |
Literaturhinweise
Boskamp,
Katrin: Studien zum Frühwerk von Max Liebermann. Olms Verlag,
Hildesheim/Zürich/New York 1994;
Busch, Günter: Max Liebermann. Maler, Zeichner, Graphiker. S. Fischer
Verlag, Frankfurt 1986, S. 36-39;
Deshmukh, Marion: Max Liebermann, ein Berliner Jude. In: Angelika Wesenberg
(Hrsg.), Max Liebermann – Jahrhundertwende. Nicolaische Verlagsbuchhandlung,
Berlin 1997, S. 59-64;
Dittmar, Peter: »Der zwölfjährige
Christus im Tempel« von Adolph Menzel. Ein Beispiel für den Antijudaismus im
19. Jahrhundert. In: IDEA. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle VI (1987),
S.81-96;
Gross, Friedrich: Max Liebermann,
Der zwölfjährige Christus im Tempel. In: Werner Hofmann (Hrsg.), Luther und die
Folgen für die Kunst. Prestel-Verlag, München 1983, S. 552-553;
Faass, Martin (Hrsg.): Der Jesus-Skandal. Ein Liebermann-Bild im Kreuzfeuer
der Kritik. Max-Liebermann-Gesellschaft, Berlin 2009;
Howoldt, Jenns Eric: Der zwölfjährige Jesus im Tempel. Zwischen Anerkennung
und Kritik. In: Hamburger Kunsthalle (Hrsg.), Max Liebermann. Der Realist und
die Phantasie. Dölling und Galitz Verlag, Hamburg 1997, S.105-108;
Liebermann, Max: Die Phantasie in der Malerei. Schriften und Reden. S.
Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1978;
Pucks, Stefan: „Talentiert, aber schmutzig“. Max Liebermanns Frühwerk im Spiegel der deutschen Kunstkritik. In: Hamburger Kunsthalle (Hrsg.), Max Liebermann. Der Realist und die Phantasie. Dölling und Galitz Verlag, Hamburg 1997, S. 58-63;
Stückelberger, Johannes: Rembrandt und die
Moderne. Der Dialog mit Rembrandt in der deutschen Kunst um 1900. Wilhelm Fink
Verlag, München 1996, S. 80-91.
(zuletzt bearbeitet am 28. Januar 2025)
Sonntag, 9. September 2012
Rainer Maria Rilke: Auferweckung des Lazarus
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Rembrandt van Rijn: Auferweckung des Lazarus (1642), Radierung; 15,1 x 11,3 cm |
Sonntag, 2. September 2012
Ein Maler empfiehlt sich – Hans Holbein porträtiert Thomas Morus und William Warham
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Hans Holbein d.J.: Thomas Morus (1527); New York, The Frick Collection (für die Großansicht einfach anklicken) |
Morus saß Holbein in einfacher Kleidung Modell. „Um jedoch alle Register seiner Malkunst ziehen zu können, staffiert Holbein ihn auf das Prunkvollste und Edelste aus“ (Bätschmann/Griener 1997, S. 164). Nach Aufpausen der Vorzeichnung auf die Tafel fügte er imponierende Details hinzu: die goldene Ehrenkette mit den schweren s-förmigen Gliedern, den zwischen Rot und Schwarz changierenden Samt, den Pelz – alles minutiös durchgestaltet, die kostbaren Stoffe sorgfältig und sinnlich erfasst. Morus sitzt vor einer grauen Wand, die weitgehend von einem grünen Seidenvorhang verhüllt wird. Am Kragen und an den Ärmeln wird der weiße Stoff seines Hemdes sichtbar, an den Unterarmen der samtene, karmesinrote Rock, dessen Farbe fast ins Schwarze spielt und der an den Oberarmen offenbar gepufft ist. Morus hat die Arme durch die seitlichen Ärmelschlitze seiner schwarzen, mit Zobel gefütterten Schaube gesteckt. Derselbe braune Pelz liegt auch als mächtiger Kragen über den Schultern. An der Ehrenkette hängt eine große goldene Rose, das Wappenmotiv der Tudors. Als weiteren Schmuck trägt Morus lediglich einen reich gravierten goldenen Ring mit dunklem Stein.
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Hans Holbein d.J.: William Warham (1527); Paris, Musée du Louvre (für die Großansicht einfach anklicken) |
Der Maler zeigt Warham als Halbfigur vor einer steinernen Brüstung, ins Dreiviertelprofil nach links gewandt. Zu beiden Seiten des Erzbischofs heben sich die kostbaren Amtsinsignien in dunklem Gold von dem grünen Damastvorhang an der rückwärtigen Wand ab: links das edelsteinbesetzte Vortragekreuz mit dem Wappen Warhams, rechts die perlenbestickte, innen rot gefütterte Bischofsmitra, die über zwei Büchern auf einem kostbaren Orientteppich ruht. In den verbindenden Nodus zwischen Vortragekreuz und silberfarbenem Stab ist das Motto des Erzbischofs eingraviert: „AVXILIVM. MEVM. A. D[OMI]NO“ („Meine Hilfe kommt von Gott“). Rechts auf der Brüstung liegt ein geöffnetes Gebetbuch, so als habe der Erzbischof gerade darin gelesen oder als wolle er in Kürze mit der Lektüre beginnen. Es handelt sich offenbar um ein gedrucktes Stundenbuch; aufgeschlagen ist der Beginn der Heiligenfürbitten. Sie sind Teil jeder Messfeier, darüber hinaus aber auch eng mit der Totenfürbitte und dem Totengedächtnis verbunden. Das Stundenbuch nimmt daher, so Jochen Sander, Bezug auf das Bildnis, das Erasmus von Rotterdam William Warham 1524 mit folgenden Worten zugesandt hatte: „... damit du irgend etwas von Erasmus besitzt, wenn Gott mich von hier abberufen hat.“ Warham scheint sich also bei Erasmus für dessen Geschenk dadurch zu bedanken, „daß er seiner in der Messe bzw. bei der Lektüre des Stundenbuches zu gedenken verspricht, wenn jener gestorben sein wird“ (Sander 2005, S. 286).
Die liturgischen Gegenstände werden auf engsten Raum präsentiert – allerdings ist der Ort, an dem der Erzbischof sich befindet, nicht genau zu identifizieren. Seine Hände ruhen auf einem rötlich-braun schimmerndem Goldbrokatkissen. Es ist schwer zu sagen, ob Warham auf einem Stuhl sitzt oder auf einer Bank kniet. „In jedem Fall wird man sagen dürfen, daß der englische Kirchenfürst seine Amtsinsignien zur Seite gestellt hat, um sich dem Gebet zu widmen“ (Müller 1997, S. 184). Das Alter Warhams und die Jahreszahl 1527 stehen am oberen Bildrand auf einem mit Siegellack scheinbar angeklebten Zettel – „ein gemaltes Etikett, das einerseits das Porträt als plane, gemalte Oberfläche bloßstellt, andererseits selbst wieder illusionistisch ist“ (Bätschmann/Griener 1997, S. 168).
Warham ist seinem hohen kirchlichen Rang entsprechend gekleidet; er trägt über einem roten Untergewand ein weißes, mit braunem Pelz gefüttertes und gesäumtes Chorhemd, dazu eine schwarze Stola. Auf dem Haupt sitzt ein eng anliegendes schwarzes Barett mit heruntergeklappten Seitenteilen, unter dem graue Haare sichtbar sind. Das Gesicht des Erzbischofs ist von Altersspuren gezeichnet; tiefe Furchen haben sich in die faltige Haut um Mund, Kinn und Wange gegraben, auf denen ein Bart zu sprießen beginnt. Falten zerfurchen auch die Stirn und umgeben die müde wirkenden Augen.
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Hans Holbein d.J.: Erasmus von Rotterdam (1523); London, National Gallery |
Nochmals zurück zu Thomas Morus: Nach einem kontinuierlichen politischen Aufstieg war er 1529 von Heinrich VIII. zum Lordkanzler ernannt worden. Doch als sich der englische König von seiner Frau Katharina von Aragon scheiden lassen wollte, um Anne Boleyn heiraten zu können, verweigerte ihm Morus die Unterstützung. Der Konflikt mit der katholischen Kirche spitzte sich zu; Heinrichs wichtigster Berater wurde Thomas Cromwell, der die nötigen Argumente lieferte, warum sich der Klerus dem König zu unterwerfen habe. Am 16. Mai 1632 legte Morus sein Kanzleramt nieder und zog sich aus der Politik zurück. Als er sich 1534 weigerte, den Eid auf die Suprematie des Königs zu leisten, wurde er im Tower inhaftiert und am 6. Juli 1535 wegen Hochverrats hingerichtet. Morus hatte entscheidend dazu beigetragen, dass der Ruhm Holbeins zum königlichen Hof vorgedrungen war – was den Aufstieg des Künstlers jedoch nicht behinderte. Und auch nicht, dass Holbein Morus’ Tochter Margaret porträtierte, die das Haupt des Vaters davor bewahrt hatte, in die Themse geworfen zu werden.
Der um 1450 geborene William Warham war als Vertrauter Heinrichs VII. (1457–1509) seit 1504 Lordkanzler und Erzbischof in Personalunion gewesen. Auch in den ersten Regierungsjahren des jungen Heinrichs VIII., der seinem Vater 1509 auf dem Thron folgte, blieb er dessen leitender Minister. Doch 1515 wurde er in dieser Rolle von Thomas Wolsey abgelöst. Warham konzentrierte sich danach auf seine bischöflichen Aufgaben, zählte aber weiterhin zum politischen Beraterkreis des Königs. Nach Wolseys natürlichem Tod (1530) hatte er die undankbare Aufgabe, den englischen Klerus dazu zu bewegen, der Kirchenpolitik Heinrichs VIII. zuzustimmen, sodass sich der König – ungeachtet der päpstlichen Ablehnung – von Katharina von Aragon trennen konnte.
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Wer sich in die Epoche einlesen möchte, in der diese beiden Porträts entstanden sind, dem sei nachdrücklich der ebenso intelligente wie packende Roman „Wölfe“ von Hilary Mantel empfohlen, der die Welt Heinrichs VIII. auf faszinierende Weise begehbar macht.
Beyer, Andreas: Das Londoner Interludium. In: Kunstmuseum Basel (Hrsg.), Hans Holbein d.J. Die Jahre in Basel 1515–1532. Prestel Verlag, München u.a. 2006, S. 66-71;
Sander, Jochen: Hans Holbein d.J. Tafelmaler in Basel 1515-1532. Hirmer Verlag, München 2005, S. 275-286;
(zuletzt bearbeitet am 23. März 2020)